
Das Leben mit Menschen, die unter Borderline leiden, kann viele Schwierigkeiten mit sich bringen. Je nach Stärke der jeweiligen Erkrankungen, werden Angehörige immer wieder mit Verhaltensweisen konfrontiert, mit denen sie vielleicht nur schwer umgehen können. Gerade bei dieser Erkrankung ist es wichtig für Nahestehende, gut auf sich selbst zu achten. Das ist leichter gesagt, als getan. Bevor wir uns damit befassen, wollen wir uns aber erstmal kurz ansehen, was Borderline überhaupt ist.
Was macht Borderline aus?
Menschen, die Personen mit dieser Diagnose nahestehen, wissen wahrscheinlich oft schon aus ihrem Alltag, was mit dieser Erkrankung einhergeht. Die Borderline-Störung gehört in die Gruppe der Persönlichkeitsstörungen und wird oft als Emotionsregulationsstörung bezeichnet². Betroffene erleben zum Beispiel starke Stimmungsschwankungen, zeigen Wutausbrüche oder impulsives Verhaltensweisen, empfinden quälende Leere, starke Scham und Selbstverachtung [1,2].
Die Störung wirkt sich aber auch sehr auf Beziehungen aus: Die Betroffenen verspüren oft eine starke Angst vor Einsamkeit und dem Verlassenwerden1,2. So können Verhaltensweisen, die einem selbst gar nicht als bedenklich aufgefallen wären, von Menschen mit Borderline schnell als bedrohlich erlebt werden und Angst auslösen, sodass sie sich bemühen, ein Verlassenwerden zu vermeiden. Außerdem wechselt ihre Sicht auf nahestehende Personen schnell zwischen Idealisierung und Verteufelung hin und her [1].
Die Erkrankung kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein, aber auch individuell sehr verschieden verlaufen. Manche Menschen neigen eher zu Problemen in Beziehungen, andere eher zu Selbstverletzungen, suizidalem Verhalten und Impulshandlungen [2].
Was mache ich bei einem Verdacht?
Wenn man den Verdacht hat, eine nahestehende Person, wie z.B. Partner*innen, Freund*innen oder Familienmitglieder, könnten eine Borderline-Erkrankung (oder auch irgendeine andere psychische Erkrankung) haben, ist es wichtig, nicht vorschnell eine Diagnose in den Raum zu stellen und eine psychiatrische Behandlung einzufordern [2]. Sowas kann dazu führen, dass die betroffene Person eher abwehrend und wütend reagiert.
Stattdessen kann es helfen, die Veränderungen, die man an diesem Menschen wahrgenommen hat, anzusprechen und nachzuhaken, wie die Person selbst das erlebt. Auch kann man dabei unterstützen, passende Anlaufstellen zu finden und, wenn die Person das wünscht, sie auch zu Terminen begleiten [2]. Gerade bei Borderline ist es wichtig, sich in professionelle psychotherapeutische Behandlung zu begeben [2].
Was muss ich als Angehörige*r beachten?
Borderline wirkt sich stark auf zwischenmenschliche Beziehungen aus. Erstmal wollen wir nahestehenden Menschen helfen, wenn wir von einer solchen Diagnose erfahren. Dabei ist es aber auch sehr wichtig, gleichzeitig auf sich selbst zu achten, um unsere eigene Gesundheit und das eigene Wohlbefinden weiter zu sichern. Was genau muss man da aber beachten?
Man hat keine Verantwortung dafür, dass die erkrankte Person wieder gesund wird [2]
Auch bei Vorwürfen durch die erkrankte Person ist es wichtig, sich selbst immer wieder zu sagen, dass man nicht Schuld an der Erkrankung ist oder daran, wenn es der Person schlecht geht
Man sollte auch im Auge behalten, dass man keine Verantwortung dafür hat, dass sich der Zustand wieder bessert
Es ist auch nicht möglich, die psychische Erkrankung durch die Liebe zu der Person zu heilen
Man muss sich selbst schützen [2]
Auch wenn die Personen es nicht wollen, können Borderline-Erkrankte verletzende Dinge sagen und tun
Hier ist es wichtig, sich selbst zu schützen
Das bedeutet nicht automatisch, dass man sich sofort trennen oder den Kontakt abbrechen muss, man sollte aber auch nicht alles ertragen, nur um in der Beziehung zu bleiben
Wenn diese zu destruktiv ist, kann eine Trennung zum Selbstschutz sinnvoll sein
Aber auch bei Fortführen der Beziehung (ob freundschaftlich oder romantisch) muss man auf sich achten, indem man zum Beispiel innere Distanz schafft
Es ist nicht Sinn der Beziehung, aus Angst vor weiteren Gefühlsausbrüchen zurückhaltender zu werden und eigene Bedürfnisse hinten anzustellen oder gar nicht mehr zu äußern
Man muss sich nicht selbstaufopfern [1,2]
Natürlich möchte man die betroffene Person unterstützen und Rücksicht nehmen, was auch gut und hilfreich ist. Es ist auch normal Gefühle wie Sorge, Schuldgefühle oder auch Ärger zu haben
Gleichzeitig muss man aber eigene Grenzen einhalten und eigene Interessen vertreten
Es ist besonders wichtig, viel zu kommunizieren und Kompromisse einzugehen, mit denen beide Seiten leben können
Man sollte sich nicht selbst überfordern, indem man alles für die betroffene Person übernimmt oder sich selbst immer wieder zurückhält
Das bedeutet nicht, dass man nur völlig egoistisch handeln soll, aber man hat eben immer noch die Freiheit, manche Ansprüche und Forderungen der betroffenen Person abzulehnen
Sonst kann es passieren, dass die eigenen Bedürfnisse auf Dauer nicht mehr befriedigt sind, man zu viel aufgeben muss und so Wut auf und Vorwürfe gegen die erkrankte Person entwickelt
Es kann auch hilfreich sein, die Belastung durch die Erkrankung mit anderen zu teilen und Verantwortungen an Dritte abzugeben
Grenzen setzen [1,2]
Es ist ganz wichtig, in der Beziehung Grenzen zu setzen
Das kann sein, dass man sich den Schwankungen des Betroffenen nicht anpasst aber auch, dass man seine eigenen Grenzen wahrnimmt und nicht überschreitet
Dazu gehört, für sich selbst, die eigene Meinung, Respekt und Unversehrtheit (sowohl physisch als auch psychisch) einzustehen
Auch sollte man aggressives oder impulsives Verhalten und auch Vorwürfe nicht persönlich nehmen
Besonders wenn solche Vorwürfe nicht gerechtfertigt sind, muss man keine Verantwortung für diese übernehmen
Hier kann es helfen, mit anderen darüber zu sprechen, um sich sicher zu sein, was berechtigte Vorwürfe sind und was vielleicht ungerechtfertigt ist
Eskalation vermeiden [1]
Also lieber Distanzierungen oder Auszeiten einsetzen, als selbst wütend und aggressiv zu reagieren
Auch sollte man der betroffenen Person die Krankheit im Streit nicht vorwerfen
Aufpassen vor emotionaler Erpressung [1]
Möglicherweise können in solchen Beziehungen auch Sätze fallen wie „Ich bringe mich um, wenn du… machst“
Es ist wichtig, nicht zuzulassen, dass die betroffene Person so bei einem Schuldgefühle erzeugt und vermeidet, sein Verhalten danach zu richten solche Konsequenzen zu vermeiden
Solche Aussagen entstehen oft aus Hilflosigkeit und Angst und es ist wichtig, Betroffenen hier eine Grenze zu setzen und Eigenverantwortung zu signalisieren
Es kann sehr hilfreich sein, sich selbst Beratung zu suchen. Es gibt auch spezielle Gruppen für Angehörige von Borderline-Erkrankten, die einem sehr helfen können, gut mit der Situation umzugehen [1,2]
Es ist wichtig, trotz allen Schwierigkeiten die positiven Aspekte der Beziehung nicht zu vergessen. Man ist mit dieser Person aus einem Grund zusammen oder befreundet und sie bedeutet einem wahrscheinlich viel. Mit viel Offenheit, Ehrlichkeit und guter Kommunikation ist es möglich, auch trotz einer solchen Erkrankung eine gesunde Beziehung zu führen [1,2]
Wenn eine Person eures Umfelds diese Diagnose aufweist und ihr bemerkt, dass euch das sehr belastet, ist es gut und wichtig sich frühzeitig Unterstützung zu holen! Sei es eine eigene Therapie, der Beitritt zu einer Selbsthilfegruppe oder das Lesen einiger Ratgeber. Zwei Beispiele für letzteres findet ihr auch in den Quellen für diesen Beitrag angegeben.
Quellen
1. Sendera, Alice; Sendera, Martina (Heidelberg : Springer Berlin Heidelberg, 2016): Borderline – Die andere Art zu fühlen. Beziehungen verstehen und leben. 2nd ed. 2016. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.
2. Wagner, Elisabeth (Heidelberg : Springer Berlin Heidelberg, 2021): Psychische Störungen verstehen. Orientierungshilfe für Angehörige. 1st ed. 2021. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. Online verfügbar unter http://www.springer.com/.