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Angst vor Nähe und Liebe - Bindungsangst



Das mitunter wichtigste Grundbedürfnis des Menschen ist Nähe, Zuneigung, Liebe – ohne Liebe und in Einsamkeit überlebt der Mensch nicht, es ist wichtig für unsere Gesundheit. Das Gefühl von zufriedenstellenden Beziehungen und Bindung ist essentiell und die Basis unserer Gesundheit (Social Relationships and Mortality Risk: A Meta-analytic Review). Wenn wir nicht in der Lage sind, dieses Grundbedürfnis zu stillen, da die Angst vor Bindung und Nähe zu groß ist, kann dies durchaus belastend sein – sowohl für den Betroffenen als auch das Umfeld.


„Unsicherheit schränkt eine Person bei der Bewältigung ihrer Gefühlskonflikte ein und lässt sie eher schematisch und unflexibel reagieren.“ (K. H. Brisch, 2009)

Bindungsangst kurz erklärt

Personen, die unter Bindungsangst leiden, benötigen viel Sicherheit aufgrund ihrer Angst der Abhängigkeit und ggf. Verlustes – und vermeiden dadurch häufig Nähe und achten bei Beziehungen auf genügend Distanz. Dies kann passiv durch bspw. Zurückziehen geschehen, oder auch durch aktives Handeln, es kann hierbei ggf. so kommen, dass die eigene Beziehung sabotiert wird durch als negativ erachtetes Verhalten. Ziel ist es hierbei, Nähe in einer Beziehung zu vermeiden und diese bewusst zu steuern – sogar unter dem Wissen, den Partner ggf. darunter leiden zu sehen – aber nicht aus Gräuel, sondern um sich selber schützen zu können.


Häufige Ursachen und Auslöser

Betroffene mussten meist in ihrer Kindheit die Erfahrung instabiler Beziehungen machen, welche nicht genug Sicherheit bieten konnten – häufig beginnend bei den Eltern. Aufgrund der fehlenden Sicherheit wurde es als suboptimal oder gar schädigend angesehen, von diesen abhängig zu sein. Sowohl entzogene Zuneigung im Kindesalter wie auch prägende Ereignisse in späteren Lebensjahren können über Verlustängste und Minderwertigkeitsgefühle der eigenen Person zu einer bindungsängstlichen Verhaltensweise führen.

Auslöser können für Personen, die unter Bindungsangst leiden, bereits als unbedeutsamere Situationen wie z. B. Handhalten, oder das Planen eines weiter in der Zukunft liegenden Ereignisses beginnen – unüberwindbar wird diese Angst dabei meist bei größeren Schritten. Auslösende Aspekte sind dabei sehr interindividuell und heterogen, ebenso die Zeitpunkte des Auftretens sind unterschiedlich – abhängig von der Person und der Ausprägung der Angst. Erste Symptome beginnen mit der individuell triggernden Situation und können sich im Schlimmsten Fall zu stärkeren psychischen Beschwerden oder Erkrankungen, wie z. B. posttraumatische Belastungsstörungen, dissoziative Störungen, Borderline-Erkrankung entwickeln.



Typische Symptome sind hierbei z. B.

  • einerseits das Abstandhalten/ emotionale Distanz

  • andererseits das Fordern von Nähe, wenn zu viel Distanz vorherrscht

  • Schwieriger Umgang bzgl. Zukunftsplänen

  • Schwierig zu erklären, was in sich vorgeht

  • Eingehen eher kürzerer Beziehungen

Wie sollte sich der Partner verhalten?

Partner von Betroffenen fühlen sich selber in der Regel äußerst verunsichert und fühlen sich hilflos, da sie keinen Einfluss auf das Bindungsverhalten zu haben scheinen – und versuchen dabei häufig, sich selber zu optimieren, um der bindungsängstlichen Person ein gutes Gefühl zu geben, was jedoch schnell in zusätzlichem Druck gegenüber des Betroffenen enden kann – dies möchte jedoch verhindert werden. Es empfiehlt sich hierbei also, die benötigten Freiräume zu geben.


Intervention

  • Schaffung einer angemessenen Beziehungsumwelt

  • Die Beziehung sicher und verlässlich gestalten

  • Soziale Unterstützung bieten

  • Interaktion mit den Beziehungspersonen zur Bildung von Sicherheit – Kommunikation!

  • Keinen Druck ausüben – versuchen zu verstehen

  • Psychoedukation zur Informationsbeschaffung

  • Psychosoziale Unterstützung (Prävention; Hilfe zur Selbsthilfe)

  • Psychotherapie


Quellen

Klitzing, Kai (2009). Reaktive Bindungsstörungen. Springer Verlag

Brisch, Karl Heinz (2009). Wege zu sicheren Bindungen in Familie und Gesellschaft. Prävention, Begleitung, Beratung und Psychotherapie. Klett-Cotta

Gillath O, Selcuk E., Shaker P. (2008). Moving toward a secure attachment style: can repeated security priming help https://doi.org/10.1111/j.1751-9004.2008.00120.x

Vogel, David und Wei, Meifen (2005). Adult attachment and help-seeking intent. The mediating roles of psychological distress and perceived social support. Journal of Counseling Psychologie, American Psychological Association, Vol. 52, No. 3, 247-357

Blain, M. D., Thompson, J. M. & Whiffen, V. E. (1993). Attachment and perceived social support in late adolescence: The interaction between working models of self and others. Journal of Adolescent Research, 8, 226–241.

Hintermeier, Sonja (2021). Traumatisierung im Kindesalter und strukturelle Störungen: Die Spätfolgen von Bindungs- und Entwicklungstraumatisierung. Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie, pp. 9-22.VS Verlag für Sozialwissenschaften/ GWV Fachverlage GmbH, Germany


Jonas, Klaus (2014). Sozialpsychologie: Eine Einführung. Springer-Lehrbuch, 6. Auflage


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