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Resilienz - Der Sprung aus der Opferrolle in die Eigenverantwortung




Einführung in die Resilienz

Die Bedeutung von Resilienz für die psychische Gesundheit, also der Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen zu bewältigen und sich von Rückschlägen zu erholen, ist unumstritten. Allerdings gestaltet sich die Definition von Resilienzfaktoren als komplex. Um jedoch die persönliche Resilienz zu stärken und somit die Bewältigung von Krisen und Herausforderungen zu erleichtern, ist es wichtig, diese Faktoren zu kennen und gezielt zu fördern. Ursula Nubers weit verbreitetes Modell der sieben Säulen der Resilienz stellt in diesem Zusammenhang eine vielversprechende Herangehensweise dar. In diesem identifiziert Nuber sieben Faktoren, die maßgeblich zur persönlichen Resilienz beitragen: Zukunftsplanung/Zielorientierung, Lösungsorientierung, Verantwortungsübernahme, Optimismus, Akzeptanz, Opferrolle verlassen und Netzwerkorientierung.

Durch diese Artikelreihe erhalten Leser:innen einen umfassenden Überblick über das Modell der sieben Säulen der Resilienz und erfahren, wie sie ihre persönliche Resilienz gezielt fördern können oder Angehörigen bei der Förderung behilflich sein können.


Wie bewerten wir Ereignisse?

Um zu verstehen, wie eine Opferrolle verlassen werden und Verantwortung übernommen werden kann, muss zunächst verstanden werden, wie Menschen Ereignisse verarbeiten. Am besten zusammenfassen lässt sich dies mit dem ABCDE-Modell: Das auslösende Ereignis (A) führt zu einer Bewertung (B), welche Konsequenzen (C) nach sich zieht. Infolgedessen entsteht ein innerer Disput (D), der einen Effekt (E) auf unser zukünftiges Denken hat. In dieser Kette können unterschiedliche positive und negative Abfolgen auftreten. Die Bewertung kann sowohl situationsangemessen, als auch irrational, also unangemessen erfolgen. Daraus ergeben sich dementsprechende gesunde Emotionen mit zielförderlichem Verhalten oder ungesunde, dysfunktionale Emotionen. Im Schritt des Disputs bewerten wir unser eigenes Verhalten, wodurch dann Denkmuster gefestigt oder geändert werden können.

Während der Bewertung von Entscheidungen spielt die eigene Kontrollüberzeugung eine wichtige Rolle. So kann die Kontrolle von Situationen als internal bewertet werden. Das bedeutet, dass diese bei einem selbst liegt. Es wird also von einer hohen Selbstverantwortung ausgegangen. Bei einer externalen Überzeugung besteht hingegen die Sichtweise, der Situation komplett ausgesetzt zu sein, ohne diese beeinflussen zu können. Personen befinden sich dann in der Opferrolle.

Während die Kontrollüberzeugungen unwillkürlich ablaufen, ist es möglich, diese während des Disput-Prozesses zu hinterfragen und so sein zukünftiges Verhalten anzupassen.


Warum sollten wir nicht in der Opferrolle verbleiben?

In der Opferrolle zu bleiben hat nicht nur Nachteile: Fehlende Kontrolle über Situationen erlaubt es, sämtliche Schuld in problematischen Situationen von sich zu weisen und viel Beistand in Anspruch zu nehmen. Dies macht es sehr einfach, in dieser Rolle zu verharren. Allerdings sorgen diese Denkmuster für eine Akzeptanz der Opferrolle, welche sich auch in der eigenen verbalen und nonverbalen Kommunikation ausdrückt und zu Angst und Sorgen führen kann. Infolgedessen wird das Denkvermögen beeinflusst, aus Sorgen kann Stress entstehen, wodurch wiederum das Immunsystem geschwächt wird und Menschen krankheitsanfälliger werden können. Ein Ausweg aus der Opferrolle ist somit sehr ratsam. Hierzu gehört es, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.


Was zeichnet resiliente Menschen aus?

Resiliente Menschen sehen sich nicht in der Opferrolle. Sie versuchen Situationen als handhabbar wahrzunehmen und sich Handlungsspielräume offen zu halten. Jene Selbstverantwortung geht hierbei mit Entschlossenheit, Flexibilität gegenüber widrigen Umständen und Gestaltungskraft einher. Die Beherrschbarkeit von Situationen spielt wie bei den Facetten Zukunftsplanung und Zielorientierung eine prägende Rolle bei der Selbstverantwortung. Ein Gefühl der Kontrolle verringert zum einen die Angst vor bedrohlich wirkenden Situationen, zum anderen kann sie auch zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung werden: Wer das Gefühl hat, Kontrolle über schwierige Situationen zu haben, verhält sich somit auch entsprechend und kann diese besser bewältigen.


Wie verlasse ich die Opferrolle und übernehme Verantwortung?

Der erste Schritt zu einem resilienteren Leben besteht darin, zu überdenken, ob man in einer Opferrollenhaltung steckt und sich dies - wenn zutreffend - einzugestehen. Aufbauend auf dem ABCDE-Modell kann folgend das eigene Verhalten analysiert werden. Wie wir bereits gelernt haben, verläuft die Bewertung von Situationen unwillkürlich. Die nachträgliche Auseinandersetzung mit unserer Bewertung und dem darauffolgenden Verhalten ist jedoch beeinflussbar. Zu überlegen, ob man Situationen korrekt einschätzt, ist somit ein weiterer wichtiger Baustein. Dies führt dazu, dass die gleichen Fehler nicht wiederholt werden, erhöht die Problemlösefähigkeiten und stärkt selbstverantwortliches Verhalten.

Grundlegend für die Übernahme von Verantwortung , sind die Bausteine der Zukunftsplanung und Lösungsorientierung. Sie ermöglichen es, zu planen und somit das eigene Verhalten zu ändern.

Auch die Arbeit mit Glaubenssätzen kann dabei helfen, die Opferrolle zu verlassen. Innerhalb dieser Rolle sind diese vor allem negativ ausgerichtet: Es wird geglaubt, nichts zu können, machtlos zu sein oder auch, dass es sowieso egal sei, wie man sich verhalte. Diese Glaubenssätze lassen sich allerdings verändern. So kann damit begonnen werden, zu überlegen, wie diese Schritt für Schritt verbessert werden könnten.


Ein Beispiel bezogen auf Beziehungen könnte demnach so aussehen: “Keine meiner Beziehungen hält.” → “Bis jetzt hat keine meiner Beziehungen gehalten.” → “Bis jetzt hat keine meiner Beziehungen gehalten, da ich nicht die richtige Person kennengelernt habe.”

→ “Ich kann eine Beziehung halten, wenn ich die richtige Person finde.” → “Ich kann eine Beziehung halten.”


Wichtig ist es hier, sich Zeit zu geben, die neuen Glaubenssätze zu verinnerlichen und nicht zu schnell die Schritte zu überspringen. Hier kann es helfen, diese täglich mehrmals laut aufzusagen oder aufzuschreiben, bis sie sich natürlich anfühlen.

Im jungen Alter ist es am einfachsten, Verantwortung für sich selbst zu erlernen. Eltern können hierbei sehr lehrreich für die Kinder sein. Ein einfacher Weg wäre hier, den Kindern Möglichkeiten zu bieten, den Eltern bei verschiedenen Aktivitäten zu helfen. Dies können bereits einfache Haushaltsaufgaben sein. Wichtig ist es hier allerdings, den Kindern die Aktivitäten nicht als Aufgaben, sondern als Hilfswunsch zu vermitteln. Das Gefühl, von den Eltern gebraucht zu werden, vermittelt Vertrauen in die Fähigkeiten der Kinder, wodurch Motivation, Selbstvertrauen und die eigene Verantwortung gestärkt werden.


Kritik an der Eigenverantwortung

Natürlich liegt die Verantwortung für Situationen nicht immer bei einem selbst. Während viele Situationen durch eine stärkere Eigenverantwortung gemeistert werden können, sind hierbei auch Grenzen gesetzt. Wichtig ist es demnach auch hier, sich Hilfe zu suchen, wenn diese benötigt wird. Unterstützt werden könnte dies durch eine gesteigerte gesellschaftliche Akzeptanz, auch Schwäche zeigen zu dürfen und nicht immer nur Leistung erbringen zu müssen. Da entsprechende gesellschaftliche Änderungen jedoch nicht von heute auf morgen passieren, ist es wichtig, selbst den Weg aus der Opferrolle zu finden (wenn die Situation dies erlaubt) und einen selbstverantwortlichen Lebensstil zu etablieren.



Quellen

Goldstein, S., & Brooks, R. B. (Hrsg.). (2023). Handbook of resilience in children. Springer International Publishing.


Heller, J. (Hrsg.). (2019). Resilienz für die VUCA-Welt: Individuelle und organisationale Resilienz entwickeln. Springer Fachmedien Wiesbaden.


Karidi, M., Schneider, M., & Gutwald, R. (Hrsg.). (2018). Resilienz: Interdisziplinäre Perspektiven zu Wandel und Transformation. Springer Fachmedien Wiesbaden.


Reichhart, T., & Pusch, C. (2023). Resilienz-Coaching: Ein Praxismanual zur Unterstützung von Menschen in herausfordernden Zeiten. Springer Fachmedien Wiesbaden.


Rolfe, M. (2019). Positive Psychologie und organisationale Resilienz: Stürmische Zeiten besser meistern. Springer Berlin Heidelberg.


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