
Manchmal fühlen wir uns hilflos, obwohl es vielleicht gar nicht wirklich so ist. Dies kann verschiedene Ursachen haben. Oft ist das Gefühl der Hilflosigkeit durch die wiederholte Erfahrung von Ohnmacht nach traumatischen Erfahrungen begründet. Wenn jemand, trotz vorhandener kognitiver Fähigkeiten und dem Bewusstsein über seine Umstände und Gefühle, nicht in der Lage ist auf praktisch hilfreiches Wissen zuzugreifen und dementsprechend zu handeln, so spricht man von erlernter Hilflosigkeit. Jemand kann sich dann in der wirklichen Welt nicht weiterhelfen.
Erlernte Hilflosigkeit
Erlernte Hilflosigkeit ist ein Phänomen, welches auftritt, wenn wir nach wiederholtem Erleben von unkontrollierbaren negativen Ereignissen ein Gefühl von Resignation und Machtlosigkeit empfinden. Dies ist oft begleitet von Ohnmacht oder dem Glauben, nichts verändern zu können. Wir fühlen uns selbst dann hilflos, wenn in realen Situationen eigentlich die Übernahme der Kontrolle und eine (sich selbst helfende) Handlung möglich wären. Menschen, die immer wieder negative Erfahrungen machen oder vermehrten Kontrollverlust erleben, können generalisierte Gefühle der Hilflosigkeit entwickeln. Diese erlernte Hilflosigkeit kann in verschiedenen Lebensbereichen eine Behinderung darstellen. Sie wirkt sich negativ auf Motivation, Verhalten und Wohlbefinden aus oder trägt zur Entwicklung und Aufrechterhaltung von Depressionen und Ängsten bei.
Ursachen und Risikofaktoren
Erlernte Hilflosigkeit entsteht meist durch ein komplexes Zusammenspiel an aversiven Erfahrungen, individuellen Unterschieden und verschiedenen Umweltfaktoren. Sie ist konsistent hinweg über alle Situationen zu spüren und kann sich daher auf allen Ebenen des alltäglichen Lebens zeigen. Beteiligt am Zustand des „hilflosen Aufgebens“ sind Defizite in Affekt, Verhalten und Motivation. Manchmal geht damit auch ein Verlust an Selbstwert einher.
Ursachen von Hilflosigkeitsgefühlen können sein:
Trauma und Missbrauch (vor allem in der Kindheit) können ein Gefühl von Machtlosigkeit verinnerlichen.
Wiederholtes Scheitern (sowohl akademisch, beruflich oder in privatem Geschehen) kann die Selbstwirksamkeit verschwinden lassen und Hilflosigkeit induzieren; besonders wenn das Scheitern internal begründet wird (z.B. „Ich bin nicht klug genug.“).
Kontrollverlust (besonders in einem Umfeld mit wenig Autonomie und Entscheidungsmöglichkeiten) kann erlernte Hilflosigkeit begünstigen, z.B. im Gefängnis oder in Altersheimen, wo Menschen überwacht werden und ihnen vorgeschrieben wird, was sie tun sollen.
Individuelle Risikofaktoren zur Entwicklung von Hilflosigkeitsgefühlen sind beispielsweise Pessimismus, niedriger Selbstwert und Neurotizismus. Aber auch die andauernd erlebte Hilflosigkeit bei Kindern, die in mangelnder Fürsorge aufgewachsen sind, kann dazu beitragen.
Symptome und Konsequenzen
Symptome:
Emotional: Apathisch und Passiv-Sein (Gefühl von Gleichgültigkeit und Inaktivität), niedriger Selbstwert (wegen Kontrollverlust), Depression und Angststörung (Machtlosigkeit kann negative Emotionen und Hoffnungslosigkeit triggern).
Kognitiv: Negative Attributionen (sich selbst als Grund für negative Ereignisse sehen),
Tunnelblick (Fokus auf negative Aspekte der Situationen; Realität wird verzerrt wahrgenommen), Beeinträchtigung der Problemlösefähigkeit (kognitive Flexibilität ist eingeschränkt, Lösungen werden nicht gesehen).
Verhalten: Prokrastination und Vermeidung (aus Angst zu versagen), weniger Bemühen und Ausdauer (leichtes Aufgeben), sozialer Rückzug (durch das Gefühl der Unterstützung nicht wert zu sein).
Hilflosigkeit im Körper und im Gehirn
Hilflosigkeit ist stark verbunden mit primitiven biologischen Reaktionen unseres Körpers, welche normalerweise in Lebensgefahr auftreten. Wenn wir uns im Falle einer Bedrohung weder mittels Kampf noch durch Flucht helfen können, so entsteht der sogenannte Freeze-Response. Wir stellen uns sozusagen tot, um das Überleben zu sichern, denn wir sind der Situation hilflos ausgeliefert. Dies tritt oft nach traumatischen Erfahrungen auf. Wird diese überschüssige Kampf- und Flucht-Energie nicht entladen, so kann dem Gehirn aus unserem Körpergedächtnis weiterhin ein Zustand der Hilflosigkeit suggeriert werden. Das Nervensystem ist hierbei zugleich übererregt und gebremst, d.h. auch körperlich gesehen ist die Fähigkeit zur weiteren Bewegung eingeschränkt.
Bewältigen von Hilflosigkeit
Auch, wenn es keine Zauberlösung gegen erlernte Hilflosigkeit gibt, so kann man doch einiges tun, um das ernüchternde Gefühl von Hilflosigkeit zu überwinden. Hierfür können folgende Schritte wirkungsvoll sein:
Erkennen negativer Gedanken
Achtsames Erkennen von negativen oder selbst-erniedrigende Gedanken und pessimistischen Glaubenssätzen.
Kognitive Veränderung und Überprüfung dieser negativen Gedanken (Sind sie rational und wahrheitsgemäß?)
Positive Selbstgespräche führen, um negative Gedanken mit positiven Bestärkungen zu verändern. So können die eigenen Fähigkeiten und mögliches positives Potential bemerkt werden.
Selbstwirksamkeit und Resilienz fördern
Realistische Ziele: sich selbst kleine erreichbare Ziele setzten und langsam vergrößern
Feiern von Erfolgen: auch die kleinsten Erfolge sollten gesehen und können gefeiert werden
Aus Fehlern lernen: statt auf Negatives zu konzentrieren, die Fehler als Lernmöglichkeit ansehen
Soziale Unterstützung
Aufmunterung und Validierung von anderen, die einen unterstützen und mitfühlend reagieren, bekommen.
Praktische Hilfestellungen von anderen können das Gefühl des eigenen Kontrollerlebens verbessern.
Alternative Perspektiven können von anderen Menschen aufgezeigt werden (z.B. Ideen, wie mit Problemen umzugehen ist).
Das kannst du außerdem selbst tun, wenn dich chronisch oder akut hilflos fühlst:
Atemübungen können das Nervensystem regulieren und so Gefühle der Hilflosigkeit mildern. Wenn unser Nervensystem in Balance zurückfindet, so können wir auch positiver denken und fühlen.
Bewegung: Vor allem Yoga wirkt sich positiv und verstärkend auf unsere Selbstwirksamkeit aus. Es kann helfen, die eigene Handlungsfähigkeit besser wahrzunehmen.
Achtsamkeit: Versuche im Hier und Jetzt zu sein und richte dein Bewusstsein auf den Körper.
Fokussiere auf das, was kontrollierbar ist. So findest du Halt und merkst, dass du nicht hilflos bist, sondern durchaus etwas beeinflussen kannst.
Aufschreiben der Gedanken und Gefühle, der Situation oder der Probleme. Das Externalisieren und konkrete Benennen kann helfen, einen besseren Blick auf die Dinge zu erlangen und Abstand von der Hilflosigkeit zu gewinnen.
Konzentration auf Stärken und Positives. So wird eine negative Sicht und der Sog der Hilflosigkeit vermieden. Finde das, was du gut kannst und denke auch an die positiven Erfahrungen, die du im Leben hattest. Das kann Kraft und Perspektiven geben.
Soziale Unterstützung finden. Wenn wir uns hilflos fühlen, so dürfen wir auch andere um Hilfe bitten. Vertraute Menschen können eine große Stütze sein – nicht alles müssen wir alleine schaffen.
Wissen finden. Informiere dich zu dem, womit du dich hilflos fühlst. Das Wissen über die Dinge kann neue Perspektiven geben.
Selbstwirksamkeit stärken: Das kann passieren durch Erfahrungen der erfolgreichen Bewältigung von Herausforderungen (auch kleine Erfolge dürften anerkannt werden), durch Beobachtungslernen (z.B. Zusehen, wie andere etwas meistern), aufmunternde und motivierende Worte von Angehörigen (verbale Bestärkung des eigenen Tuns) und indem wir ein ausbalanciertes physiologisches und emotionales Innenleben schaffen. Ein höherer Selbstwert geht einher mit weniger Empfindungen der Hilflosigkeit.
Fazit
Menschen haben ein tiefes Bedürfnis die Kontrolle zu behalten, sowohl über das innere als auch das äußere Geschehen. Mit dem Gefühl der Kontrollierbarkeit geht die Idee von Sicherheit, Stabilität und der Glaube an die eigenen Fähigkeiten einher. Wenn dieses Gefühl verloren geht, so kann man sich in Hilflosigkeit gefangen fühlen. Erlernte Hilflosigkeit kann durch Erfahrungen von Überwältigung und Ohnmacht entstehen. Hilflosigkeit kann sich auf viele Bereiche des alltäglichen Lebens negativ auswirken. Es ist allerdings glücklicherweise möglich, das Gefühl von Hilflosigkeit Stück für Stück abzubauen. Eine Bearbeitung vergangener traumatischer Erlebnisse kann zur Verringerung von Gefühlen der Hilflosigkeit beitragen. Weiterhin helfen zum Beispiel Atemübungen und Yoga, das Aufschreiben von Gedanken und Gefühlen, der Fokus auf eigene Stärken und Positives, sich informieren, soziale Unterstützung und das Stärken von Selbstwirksamkeit.
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