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Lootboxen in Videospielen - Gefährlicher Spaß?



Lootboxen sind eine Glücksspiel-ähnliche Mechanik in verschiedenen Videospielen. Dieses Bindeglied zwischen Spielen und Glücksspiel kann bei einigen Personen zur Abhängigkeit führen. Auch dass diese Lootboxen oftmals mit Geld erworben werden müssen, ist in Verbindung dieser Abhängigkeit eine große Gefahr, vor allem für viele junge Menschen, die oft mit Videospielen in Kontakt kommen.



Was sind eigentlich Lootboxen?

Lootboxen, auch Loot-Crates, Prize-Crates oder auf Deutsch Beutekisten, sind in Videospielen implementierte digitale Kisten mit zufälligem Inhalt. Dieser Inhalt kann je nach Spiel Vorteile erbringen, oftmals hat er aber nur einen kosmetischen Effekt für den eigenen Spielcharakter. Bereits 2010 wurden im westlichen Raum die ersten sogenannten „Supply-Crates“ im Videospiel „Team Fortress 2“ implementiert. Andere Videospielhersteller zogen schnell nach und fügten ähnliche Kisten in ihre Spiele ein. So verdiente der Spieleproduzent Electronic Arts im Geschäftsjahr 2021 circa 60% seines Umsatzes mit dem Verkauf von Ultimate Team Packs, einer Lootbox-Art, bei der je nach Spiel Fußball-, Hockey- oder American-Football-Spieler erworben werden können. Die eigentlichen Spiele und andere Gewinne machten dagegen nur etwa 40% des Umsatzes aus. Während der Ursprung der Lootboxen also von Computerspielen kommt, sind sie inzwischen auf dem gesamten Videospielmarkt etabliert, sowohl bei Computern, Konsolen und Smartphones.



Juristische Hintergründe der Lootboxen

Seit wenigen Jahren befassen sich auch Glücksspielkommissionen verschiedener Nationen mit dem Thema, inwiefern Lootboxen auf Grund ihres Glücksspiel-ähnlichen Charakters problematisch sein könnten. So wurden sie in Belgien im April 2018 als illegales Glücksspiel eingestuft und folglich verboten. In den Niederlanden fallen nur Videospiele unter das Glücksspielgesetz, bei welchen die erhaltenen Gewinne einen Echtgeldwert aufweisen, sprich gehandelt werden können. In Deutschland wiederum sind Lootboxen nicht als Glücksspiel eingeordnet, da es keine Möglichkeit zu verlieren gibt. Dies liegt an dem Umstand, dass bei Lootboxen immer ein zufällig generierter Gegenstand gewonnen wird, auch wenn dieser wenig begehrenswert sein kann. Es handelt sich nach Baum (2017) um „Ausspielungen, bei denen der Gewinn in geringwertigen Gegenständen besteht“. Somit sind Lootboxen laut Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) kritisch zu betrachten, würden aber nicht unter das Jugendschutzgesetz fallen und somit keine Altersbegrenzung der Videospiele rechtfertigen. Hierbei wird leider die psychologische Ebene zu wenig betrachtet. Auch dass nebenbei ein riesiger Online-Glücksspielmarkt tätig ist, der erlaubt, mit den Inhalten dieser Kisten Glücksspiel zu betreiben, wird von der Politik nicht wahrgenommen.



Tricks der Spieleentwickler

Entwickler von Videospielen nutzen währenddessen nicht nur inhaltliche Motivationen, um Spieler zu einem Kauf der Lootboxen zu bewegen. So werden in einigen Spielen statt richtiger Währung sogenannte „Ingame-Währungen“ verwendet, die erst mit echtem Geld erworben werden müssen. Diese sorgen unter anderem durch Intransparenz für höhere Ausgaben. Andere Videospiele, wie der Egoshooter „Counter-Strike: Global Offensive“, setzen bei ihren Loot-Boxen auf „Near-Miss“-Mechaniken, die dem Spieler eine Roulette-ähnliche Simulation anzeigen. Knappes Verfehlen eines als besonders wertvoll erachteten Gegenstands führt bei Glücksspiel zu einer kognitiven Verzerrung, dass die zukünftige Gewinnchance erhöht sei, und in der Folge zu höherem Risikoverhalten. Auch die Exklusivität der erworbenen Gewinne kann zur Steigerung des Kaufreizes beitragen, sodass Spieler für die Beschaffung gewünschter Gegenstände den Weg über die Lootbox nehmen müssen. Angepasste Audio-Hinweisreize würden ebenfalls zu mehr Lootbox-Interaktion führen, ähnlich der in Glücksspielautomaten eingesetzten Audio-Techniken.



Psychologische Betrachtung

Wie allgemein beim Glücksspiel bestehen starke Geschlechtsunterschiede zugunsten von

Männern. So ist nach dem Diagnosemanual DSM-5 die Lebenswahrscheinlichkeit einer Glücksspielsucht bei Männern in etwa drei Mal so hoch wie bei Frauen. Während der Adoleszenz betrage diese sogar das Vierfache. Generell sind vor allem Jugendliche und junge Erwachsene von einer Abhängigkeit nach diesen Lootboxen betroffen. Begünstigt wird diese durch eine hohe Impulsivität oder einen depressiven Persönlichkeitstyp. Auch Opfer von Mobbing sind anfälliger, mit Lootboxen zu interagieren. Besonders betroffen sind aber vor allem Personen, die bereits Glücksspielprobleme hatten oder haben.



Wie also mit Lootboxen umgehen?

Während noch keine spezielle Behandlungsmethode zu einer Abhängigkeit nach Lootboxen entwickelt wurde, gibt es einige Tipps im Umgang mit dieser. So empfiehlt zum Beispiel Haese (2020) Psychoedukation bei Kindern ab acht Jahren, um sie auf den Umgang mit Lootboxen hinzuweisen, sollten sie diesen begegnen.

Gong und Rodda (2022) empfehlen für Eltern folgende Strategien:

  • Umstrukturierungen der Umwelt (Kindersicherung anschalten)

  • Überzeugung (Kinder über Risiken von Lootboxen aufklären)

  • Überwachung (Überblick über Spiele und Bankkonten behalten)

  • Selbstedukation über Lootboxen und Spiele (Sich selbst informieren, um einen Überblick zu erhalten)

  • Setzen von Limits (Falls kein komplettes Verbot gewünscht ist, mit den Kindern ein Limit ausmachen, in dem sie Geld ausgeben dürfen)


Ebenfalls haben Gong und Rodda (2022) mehrere Techniken zum Umgang mit Lootboxen identifiziert, die sie in mehrere Kategorien eingeteilt haben:

  • Vermeidung

  • Substitution (Möglichkeiten suchen, Lootboxen kostenlos zu erhalten und öffnen, wenn es dementsprechende Möglichkeiten gibt)

  • Identität (Sich als Person identifizieren, die “es nicht nötig hat”, Geld für Lootboxen auszugeben)

  • Selbstkontrolle (Techniken zur Selbstkontrolle erarbeiten und anwenden)

  • Spielvermeidung (Spiele, welche Lootboxen enthalten komplett vermeiden)

  • Limit-Setzung (Nur einen gewissen Geldbetrag pro Monat ausgeben)

  • Ergebnisvergleich (Oftmals ist es preiswerter sich Gegenstände aus Lootboxen direkt zu kaufen, statt sie durch Glücksspielmechaniken zu erhalten)

  • Information (Sich über Glücksspiel und Wahrscheinlichkeiten der Lootboxen informieren)

  • soziale Hilfe (andere um Unterstützung bitten; Passwörter durch Vertraute ändern lassen, um kein Geld ausgeben zu können)

  • professionelle Hilfe


Vor allem der letzte Punkt ist von großer Bedeutung. Es kann immer zu einem Punkt kommen, an dem alleine keine Änderung mehr möglich ist. An diesem schadet es nicht, sich professionelle Hilfe zu suchen. Ein Beratungsangebot hierfür findet sich zum Beispiel hier bei der kostenlosen Hotline der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.


Quellen

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