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Alles rund um das Thema: STRESS


Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet Stress als die größte Bedrohung der Gesundheit des 21. Jahrhunderts. Termine, Fristen, Verpflichtungen, gesellschaftliche Anforderungen und Leistungsdruck sind mögliche Ursachen von Stress. Faktoren und Reize, die Stress verursachen und das Individuum zur Anpassung zwingen bezeichnet man als Stressoren. Vielleicht bist auch Du einigen der oben genannten Stressoren ausgesetzt und fühlst dich häufiger gestresst. In diesem Beitrag wollen wir uns etwas genauer mit dem Thema Stress auseinandersetzen.



Was genau versteht man unter Stress, wie entsteht er und wie wirkt er sich auf unseren Körper und unsere Gesundheit aus?

Eingeführt wurde der Begriff „Stress“ vom österreichischen Mediziner und Biochemiker Hans Selye in den 1930er Jahren, der das International Institute of Stress (University of Montreal) gründete und heute als „Vater der Stressforschung“ bekannt ist. Der Begriff ist zurückzuführen auf das lateinische Verb „stringere“ und bedeutet übersetzt „in Spannung versetzen“. Die American Psychological Association definiert Stress als physiologische oder psychologische Antwort auf internale oder externale Stressoren. Stress beinhalte demnach Änderungen, die sich auf nahezu den gesamten Körper auswirken und beeinflussen, wie Menschen sich fühlen und verhalten.

Evolutionsbiologisch diente die Stressreaktion der Anpassung und war somit essentiell für das Überleben einer Spezies. Denn im Zuge einer Stressreaktion können verschiedene physiologische Veränderungen auftreten, die wir später etwas genauer erklären möchten. Erstmal ist an dieser Stelle nur zur betonen, dass diese Reaktionen vor allem bei unmittelbar bedrohlichen Stressoren wie z.B. Fressfeinden unserer Vorfahren, dafür sorgen den Körper in die sogenannte Kampf-Flucht-Reaktion (fight flight reaction) zu versetzen. In der Stressforschung wird die Kampf-Flucht-Reaktion häufig synonym für die Stressreaktion verwendet und stellt eine rapide physiologische und psychische Anpassung des Organismus an Gefahrensituationen dar.



Wenn Stress dem Überleben dient, wieso ist er als Phänomen so negativ behaftet? Ist Stress immer schlecht?

Das hat vor allem damit zu tun, dass wir solchen extremen Situationen heute in der Regel nicht mehr ausgesetzt sind. Der zeitgemäße Stressbegriff bezieht sich nicht auf derart lebensbedrohliche, extreme Stressoren, sondern auf jede Form von Belastung, die dem Organismus eine Anpassung abverlangt. Mögliche Stressbelastungen wären beispielsweise ein Umzug, Leistungs- oder Zeitdruck im Berufsleben, eine unzureichende Ernährung oder ganz allgemein emotionale Belastungen. Vielleicht nimmst Du dir ja einen Moment Zeit und überlegst, ob Dir eine Situation einfällt, in der Du dich besonders gestresst gefühlt hast?

Hans Selye postuliert zwei Arten von Stress: Positiven (Eustress) und negativen Stress (Distress). Dabei versteht man unter Distress Stressoren, die als überfordernd, bedrohlich oder negativ wahrgenommen werden. Eustress hingegen meint Stressoren, die das Individuum positiv beeinflussen, z.B. in dem sie die Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit des Körpers steigern. Weitere positive Aspekte von Eustress sind, er hält nur kurzfristig an, wird als etwas wahrgenommen, das im Rahmen unserer Bewältigungsmöglichkeiten liegt, er fühlt sich aufregend an und steigert unseren Fokus und unsere Leistung. Stress muss also nicht immer schlecht sein.



Was passiert während einer Stressreaktion in unserem Körper?

Auf physiologischer Ebene sind zwei Komponenten der Stressreaktion, die auch als „Stressreaktions-Achsen“ bezeichnet werden, von besonderer Bedeutung.

Die erste Komponente stellt der Sympathikus (sympathisches Nervensystem) dar, der gemeinsam mit dem Parasympathikus (parasympathisches Nervensystem) und dem enterischen Nervensystem das autonome Nervensystem bildet.

Vereinfacht erklärt ist der Sympathikus aktiviert in Situationen erhöhter körperlicher und/ oder mentaler Anforderung, also auch in Stresssituationen. Er steuert vor allem Aktivierungsvorgänge, wie der Organismus sie für die Kampf- oder Flucht-Reaktion benötigt. Physiologische Veränderungen, die durch den Sympathikus eingeleitet werden sind z.B. die Beschleunigung der Herzfrequenz, die Erweiterung der Bronchien, die Öffnung der Pupillen oder auch ein Anstieg des Blutdrucks. Durch diese physiologischen Reaktionen wird z.B. die Blutversorgung der Muskulatur gefördert. Die sympathisch induzierte Stressreaktion wird dabei vor allem durch die sogenannten Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin beeinflusst. Sie werden aus dem Nebennierenmark in den Blutkreislauf ausgeschüttet und steigern die Funktion vieler verschiedener Organe.

Die zweite Stressreaktions-Achse ist die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse, kurz HPA-Achse (hypothalamus-pituitary-adrenocortical axis), die primär auf hormoneller Ebene operiert. Durch Stress kommt es zur Aktivierung eines Regelkreises des Hypothalamus, der Hypophyse und der Nebennierenrinde. Durch die Freisetzung des Kortikotropin-Releasing-Hormons (CRH) und des adrenokortikotropen Hormons (ACTH) kommt es zur Ausschüttung von Glukokortikoiden, wobei vor allem das Glukokortikoid Kortisol eine entscheidende Rolle spielt.

Glukokortikoide passieren die Blut-Hirn-Schranke und erzielen so auch im Gehirn direkte Wirkungen. Dort modulieren sie unter anderem kognitive Prozesse, wie Lernen und Gedächtnis aber auch Emotionen wie Angst. Tierexperimentelle Studien haben gezeigt, dass eine dauerhaft erhöhte Glukokortikoidkonzentration (die bei chronischem Stress vorliegt) zum Verlust hippocampaler Neuronen führt. Der Hippocampus ist von zentraler Bedeutung für die Langzeitpotenzierung und unsere Gedächtnisleistungen. Chronischer Stress kann sich also schädigend auf unser Gedächtnis auswirken. Auch unser Immunsystem kann durch anhaltenden Stress negativ beeinflusst werden. Eine erhöhte Glukokortikoidkonzentration supprimiert das Immunsystem, d.h. Immunreaktionen des Körpers auf schädliche Einflüsse werden gehemmt. So sind wir anfälliger für zahlreiche schädliche Einflüsse, wie z.B. Grippeviren, wenn wir chronischem Stress ausgesetzt sind.



Wann wirkt sich Stress negativ auf unsere Gesundheit aus & was sind die Folgen von langfristigem Stress?

Stress ist eine natürliche Reaktion, die wie bereits erwähnt, evolutionsbiologisch hilfreich ist, um das Überleben einer Spezies zu sichern. Ein wichtiger Faktor, der sich auf den Nutzen von Stress auswirkt ist die Dauer des Zeitraums, in dem wir uns gestresst fühlen. Denn gesundheitsgefährdend wird Stress, wenn die Bewältigungsversuche des Individuums nicht gelingen und wir uns über einen längeren Zeitraum im Zustand eines psychophysischen Ungleichgewichts befinden.

Nimmt die durch die Stresssituation ausgelöste stärkere Aktivierung des Körpers nicht wieder ab, da das Stresslevel dauerhaft erhöht ist, kann der Körper sich nicht ausreichend von diesem Erregungszustand erholen. Erschöpfung und verschiedene körperliche, wie psychische Probleme sind häufig die Folge. Eine der häufigsten gesundheitlichen Folgen von chronischem Stress sind ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfälle und Herzinfarkte. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass durch den chronischen Erregungszustand auch Blutdruck und Herzschlag dauerhaft erhöht sind. Weitere unangenehme Begleiterscheinungen bei dauerhaftem Stress sind Magen-Darm-Beschwerden, da unser Verdauungssystem sensibel auf Stress reagiert. Sodbrennen, Verstopfungen und Magengeschwüre sind möglich. Auch ein erhöhtes Risiko an Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken ist mit chronischem Stress assoziiert. Der erhöhte Cortisolspiegel beeinträchtigt die Wirkung des körpereigenen Insulins und begünstigt somit eine Insulinresistenz, was zur Folge hat, dass die Bauchspeicheldrüse vermehrt Insulin ausschüttet. Wenn auf diese Überproduktion von Insulin dann die Einstellung der Insulinproduktion durch die Bauchspeicheldrüse folgt, handelt es sich um die Erkrankung Diabetes mellitus Typ 2. Hast Du vielleicht schon einmal von der sogenannten Stressleber gehört? Auch die Leber leidet unter chronischem Stress. Das Stresshormon Cortisol verhindert die Bildung eines Proteins (Hes1, Hairy and Enhancer of Split 1), das normalerweise die Aktivität von Enzymen fördert, welche in der Leber gespeichertes Fett abbauen. Aufgrund der verminderten Aktivität dieser Enzyme verbleibt also mehr eingelagertes Fett in der Leber. Längerfristig begünstigt Stress also die Entstehung einer Fettleber, die die häufigste chronische Lebererkrankung in Deutschland darstellt.



Und wie steht es um die psychischen Folgen von Stress?

Eine der unmittelbarsten und häufigsten Folgen von Stress ist Müdigkeit. Nach einem stressigen Tag nachhause kommen und sich nur noch aufs Bett freuen, obwohl man im Haushalt vielleicht noch einiges zu tun hätte – wer kennt es nicht? Die Erklärung für dieses Phänomen liegt nahe, denn nachdem sich der Körper während der Stresssituation in erhöhter Erregung befand, meldet sich anschließend unser Bedürfnis nach Regeneration und Erholung.

Die wohl bekannteste Folge von dauerhaftem Stress ist das sogenannte Burnout (engl. „ausgebrannt sein“). Obwohl es sich nicht um eine nach ICD-10 oder DSM-5 klassifizierte Krankheit handelt, spricht man von einem „Faktor, der den Gesundheitszustand beeinflusst“ und deshalb nicht unterschätzt werden sollte. Dass Burnout nicht als Krankheit klassifiziert ist, hängt vor allem mit der Vielzahl von verschieden kombinierten Einzelsymptomen zusammen, weshalb es bisher nicht gelang, einheitlich zu definieren, was genau ein Burnout eigentlich ist. Wichtige Warnsignale sind ständige, anhaltende Müdigkeit, Reizbarkeit, Ängste, sozialer Rückzug und Schlafstörungen. Außerdem zählt chronischer Stress zu den Risikofaktoren für depressive Episoden, Angst- und Essstörungen.



Welche Möglichkeiten haben wir, Stress zu bewältigen?

Nachdem wir einen Blick auf die zahlreichen negativen Aspekte von Stress geworfen haben, gibt es zum Schluss noch einen positiven Ausblick. Die Stressforschung hat verschiedene hilfreiche Techniken im Umgang mit Stress ermittelt, eine davon nennt sich Achtsamkeit.


Was versteht man unter Achtsamkeit?

Die beiden Hauptbestandteile der Achtsamkeit lauten Aufmerksamkeit und Akzeptanz. Ziel ist es, sich auf das „Hier und Jetzt“ zu konzentrieren und dabei den Fokus auf innere Prozesse und den Moment zu setzen. Sich in sich hineinzufühlen und den eigenen Körper bewusst wahrzunehmen. Dies kann über achtsames Atmen oder Atemmeditationen erreicht werden. Akzeptanz im Sinne der Achtsamkeit meint, die eigenen Gefühle und Empfindungen ohne Bewertung zu beobachten. Wahrgenommene Gefühle und Gedanken werden zur Kenntnis genommen und losgelassen, statt auf sie zu reagieren. Achtsamkeit gehört heute zu den zentralen therapeutischen Techniken und wurde beispielsweise in die achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie und die Dialektische Verhaltenstherapie integriert. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Achtsamkeit zur Reduktion von Stress, Angst und Depression beiträgt, stärkende Effekte auf das Immunsystem ausübt, das Arbeitsgedächtnis positiv beeinflusst und auch bei der Behandlung von Personen mit chronischen Schmerzen Müdigkeit und Schmerzen reduzieren kann. Die positiven Effekte der Achtsamkeit kommen Forschungsergebnissen zufolge durch eine veränderte Aktivität in Hirnregionen zustande, die mit Aufmerksamkeit und Emotionsregulation assoziiert sind. Dementsprechend können regelmäßige Achtsamkeitsübungen unser Wohlbefinden und unseren Umgang mit Stress zu unseren Gunsten beeinflussen.

Eine weitere Möglichkeit die Auswirkungen von Stress auf unsere Gesundheit zu beeinflussen ist unsere eigene Interpretation von Stress. Eine Studie von Kelly McGonial und Kollegen brachte hervor, dass die Interpretation von Stress beeinflusst, wie Stress sich auf die Menschen auswirkt. Das bedeutet, wer seine Einstellung zu Stress verändert, kann auch die Reaktion seines Körpers auf Stress verändern. Was bedeutet das konkret?

McGonial z.B. empfiehlt, Stressreaktionen zu akzeptieren und sie als hilfreich umzuinterpretieren, statt sie als Belastung oder Nachteil zu sehen. Du atmest schneller? Es wird mehr Sauerstoff für dein Gehirn bereitgestellt. Dein Herz schlägt schneller? Es bereitet dich für eine Handlung vor. Stress hilft uns, zu überleben. Er verschärft unsere Sinne und verbessert unsere Performanz. Bereits Hans Selye erklärte 1987: Distress kann verlernt werden, indem man lernt, auf dieselben Stressoren mit positiven Emotionen wie Dankbarkeit, Hoffnung und Wohlwollen zu reagieren. Eustress, der motivierende und positive Stress wird aus diesen Gründen als Stressbewältigungsstrategie angesehen, spannend oder?


Abschließend lässt sich also sagen, dass Stress nicht nur negativ zu bewerten ist und wie bei so vielen anderen Dingen gilt: Erst die Dosis macht das Gift. Ein interessantes Thema, zu dem auch weiterhin viel geforscht wird. Falls Dich das Thema Achtsamkeit angesprochen hat und Du eine kurze Achtsamkeitsübung ausprobieren möchtest: Hier eine YT-Anleitung!



Quellen


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