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Scham und Einsicht – Warum Burnout und Depression oft unerkannt bleiben und wie Angehörige helfen können!

  • Rico
  • vor 1 Tag
  • 4 Min. Lesezeit


Psychische Belastungen wie Burnout oder Depression gehören zu den häufigsten Gründen für lange Krankheitsphasen. Gleichzeitig fällt es vielen Betroffenen schwer, rechtzeitig Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Oft leiden sie still, versuchen weiter zu funktionieren oder reden sich ein, dass es „schon wieder besser wird“. Der Schritt zur Behandlung wird aufgeschoben. Manchmal leider mit schwerwiegenden Folgen.

 

Es sind nicht nur fehlendes Wissen oder mangelnde Versorgung, die Menschen davon abhalten, sich Hilfe zu holen. Häufig stecken tieferliegende Gründe dahinter. Dazu zählen unter anderem eine fehlende Einsicht in die eigene psychische Belastung, starke Schamgefühle und die Angst, stigmatisiert zu werden. Besonders bei Burnout ist die Situation oft paradox, denn manche empfinden ihre Erschöpfung nicht als Zeichen einer Erkrankung, sondern als Folge von überdurchschnittlichem Engagement. In diesem Artikel geht es darum, warum viele Betroffene von Burnout und Depression trotz schwieriger Phasen keine Unterstützung suchen und wie Angehörige dennoch hilfreich zur Seite stehen können.



Burnout, Depression und fehlende Krankheitseinsicht

Burnout beschreibt einen Zustand tiefer emotionaler, körperlicher und mentaler Erschöpfung. Meist entsteht er durch anhaltende Überforderung im beruflichen oder privaten Alltag. Typisch ist das Gefühl, ausgebrannt zu sein, eine zunehmende Distanz zur eigenen Tätigkeit und das Empfinden, den Anforderungen nicht mehr gerecht werden zu können.

 

Eine Depression betrifft sämtliche Lebensbereiche. Menschen mit einer depressiven Episode erleben anhaltende Niedergeschlagenheit, Interessenverlust, Schlafprobleme oder ein Gefühl innerer Leere. Der Alltag wird mühsam, die eigene Lebensfreude schwindet.

 

Fehlende Krankheitseinsicht betrifft ein unzureichendes Wahrnehmen der eigenen gesundheitlichen Situation als behandlungsbedürftig. Für Angehörige kann dies ebenfalls belastend werden, da diese regelmäßig beobachten, wie eine betroffene Person leidet.


Warum fällt es so schwer, Hilfe anzunehmen?

Einige Personen mit Burnout glauben, sie müssten sich nur mehr anstrengen oder durchhalten. Sie bewerten ihren Zustand als logische Folge von Stress, nicht aber als eine ernstzunehmende psychische Belastung. Teilweise empfinden sie Burnout sogar als Auszeichnung, da es ein Beweis für ihre beachtliche Arbeitsethik sei. Auch bei einer Depression erkennen Betroffene oft, dass sie sich nicht wohlfühlen, schieben die Vorstellung, professionelle Hilfe zu brauchen, aber weg von sich. Häufig steht Scham im Weg. Wer psychisch belastet ist, fühlt sich nicht selten als unzulänglich. Besonders Menschen mit hohen Erwartungen an sich selbst oder mit perfektionistischen Tendenzen nehmen ihre eigenen Grenzen spät oder gar nicht wahr. Sie „funktionieren“ im Außen weiter, während sie innerlich zunehmend erschöpft sind.

 

Ein weiterer Grund ist das gesellschaftliche Stigma. Psychische Erkrankungen sind zwar weit verbreitet, dennoch besteht oft die Sorge, im beruflichen oder sozialen Umfeld als weniger leistungsfähig wahrgenommen zu werden. Viele Personen fürchten, als „schwach“ abgestempelt zu werden. Dies kann dazu führen kann, dass sie sich trotz stark ausgeprägter Symptome nicht trauen, offen darüber zu sprechen und Hilfe aufzusuchen.

 

Welche Folgen hat es, wenn Unterstützung ausbleibt?

Wenn Menschen über längere Zeit keine Hilfe annehmen, besteht die Gefahr, dass sich Symptome verstärken und der Leidensdruck größer wird. Der soziale Rückzug kann zunehmen und der Alltag könnte schwerer zu bewältigen sein. Auch körperliche Beschwerden wie Schlafstörungen oder chronische Erschöpfung treten verstärkt auf. Je länger keine Unterstützung erfolgt, desto schwieriger könnte der Weg zurück zu mehr gesundheitlicher Stabilität werden.


Was können Angehörige tun?

Für Angehörige kann es sehr belastend sein, zuzusehen, wie sich eine nahestehende Person durch anhaltende Erschöpfung oder Rückzug verändert und gleichzeitig keine Unterstützung annehmen möchte. Gerade bei Burnout ist es nicht ungewöhnlich, dass betroffene Personen ihren Zustand lange nicht als behandlungsbedürftig einordnen. Sie arbeiten oft weiter, obwohl sie überfordert und erschöpft sind. Die eigene Hilfsbereitschaft stößt dann auf Ablehnung, wird vielleicht sogar als Einmischung empfunden. Auch bei einer Depression kann es zu Rückzug und Abwehr kommen, vor allem wenn Scham oder Hoffnungslosigkeit überwiegen.

 

Für Angehörige ist das oft frustrierend und emotional anstrengend. Viele haben das Gefühl, nicht durchzudringen und machen sich vielleicht sogar Sorgen oder Vorwürfe, etwas falsch zu machen. Es ist mühselig und hilft selten, zu argumentieren oder zu überzeugen. Stattdessen kann es hilfreich sein, einfach da zu sein, zuzuhören und auf Augenhöhe zu bleiben. Sätze wie „Ich sehe, dass du erschöpft bist und ich bin da, wenn du reden möchtest“ schaffen Nähe, ohne Druck auszuüben. Auch kleine Gesten oder gemeinsames Schweigen können stärkend sein. Wichtig ist, die betroffene Person nicht zu drängen, sondern zu signalisieren: Du bist nicht allein und, wenn du soweit bist, bin ich da.

 

Ebenso wichtig ist es, die eigenen Grenzen zu wahren. Wer unterstützt, darf auch für sich selbst sorgen. Das kann bedeuten, sich Auszeiten zu nehmen, Gespräche mit Vertrauenspersonen zu führen oder professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen. Auch der Austausch mit anderen Angehörigen, die ähnliche Erfahrungen machen, kann entlastend und stärkend sein.


Gemeinsam in kleinen Schritten

Burnout und Depression müssten ernstgenommen werden, aber sie sind auch behandelbar. Der Weg dahin beginnt oft mit kleinen Schritten. Für viele Menschen ist es hilfreich, zu wissen, dass sie nicht allein sind. Angehörige können hier eine große Stütze sein. Dafür müssen sie nicht perfekte Lösungen liefern, sondern sie können Halt geben, zuhören und auf Augenhöhe bleiben. Und manchmal beginnt der Weg zur Veränderung mit einem einfachen Satz: „Ich bin da und du musst das nicht allein durchstehen.“


Quellen

 Amador, X. F. (2012). I Am Not Sick, I Don’t Need Help!. Vida Press.


Bianchi, R., Verkuilen, J., Brisson, R., Schonfeld, I. S. & Laurent, E. (2016). Burnout and depression: Label-related stigma, help-seeking, and syndrome overlap. Psychiatry Research, 245, 91–98. https://doi.org/10.1016/j.psychres.2016.08.025

Cruwys, T. & Gunaseelan, S. (2015). “Depression is who I am”: Mental illness identity, stigma and wellbeing. Journal Of Affective Disorders, 189, 36–42. https://doi.org/10.1016/j.jad.2015.09.012

Ferreira, A. I. (2022). Hiding behind a mask: A multilevel perspective of burnout shame. In Routledge eBooks (S. 121–138).
Oexle, N., Müller, M., Kawohl, W., Xu, Z., Viering, S., Wyss, C., Vetter, S. & Rüsch, N. (2017). Self-stigma as a barrier to recovery: a longitudinal study. European Archives Of Psychiatry And Clinical Neuroscience, 268(2), 209–212. https://doi.org/10.1007/s00406-017-0773-2
 
Rüsch, N. & Corrigan, P. (2002). Mental Illness Stigma as a Barrier to Recovery – In: World Psychiatry.

Bildquelle:  https://doi.org/10.4324/9781003250531-8
https://www.pexels.com/de-de/foto/ausbrennen-studio-konzept-stillleben-6837623/


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