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Was du über Cannabis wissen solltest


Ab dem Frühjahr 2024 soll der Besitz und Konsum von Cannabis in Deutschland nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Dies markiert eine bedeutende Veränderung in der Haltung gegenüber  der weltweit am drittmeistgenutzten Droge nach Alkohol und Nikotin.

Cannabis werden zahlreiche verschiedene Wirkweisen nachgesagt. Der entscheidende Unterschied dieser liegt in den Cannabinoiden, den aktiven Inhaltsstoffen der Pflanze: THC (Tetrahydrocannabinol) wirkt psychoaktiv und ist für die berauschende Wirkung verantwortlich, während CBD (Cannabidiol) nicht berauschend wirkt. Dem CBD werden viele positive Effekte zugeschrieben, von denen jedoch aktuell nur wenige wissenschaftlich nachgewiesen sind. Es ist belegt, dass CBD die Anfallshäufigkeit bei Epilepsie-Patient:innen reduzieren kann und bei Mäusen schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkungen zeigt.


Forscher:innen arbeiten intensiv daran, weitere potenzielle Wirkungen von CBD zu erforschen, darunter antipsychotische, angstlösende, antidepressive und neuroprotektive Effekte. Dennoch sollte man vorsichtig sein: Viele auf sozialen Netzwerken beworbene CBD-Öle enthalten häufig mehr THC als erlaubt. Dies kann dazu führen, dass die gewünschten Effekte ins Gegenteil umschlagen. Nach aktuellem Forschungsstand sollten CBD-Produkte deswegen eher vermieden werden. 



Ab wann wird Konsum eine Abhängigkeit?


Bei der Abhängigkeit oder Sucht spielt vor allem der andere Wirkstoff, das THC, mit seinem psychoaktiven Effekt eine Rolle. Doch ab wann wird der Konsum als schädlich betrachtet? Laut dem Diagnosemanual DSM-5 müssen für die Feststellung einer sogenannten Substanzgebrauchsstörung mindestens zwei der folgenden Merkmale innerhalb eines 12-Monats-Zeitraums erfüllt sein:


  • Wiederholter Substanzgebrauch, der zum Versagen bei wichtigen Verpflichtungen in der Schule, bei der Arbeit oder zu Hause führt

  • Wiederholter Substanzgebrauch in Situationen, in denen es aufgrund des Konsums zu einer körperlichen Gefährdung kommen kann

  • Fortgesetzter Substanzgebrauch trotz ständiger oder wiederholter sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme

  • Toleranzentwicklung charakterisiert durch ausgeprägte Dosissteigerung oder verminderte Wirkung unter derselben Dosis

  • Entzugssymptome oder deren Linderung bzw. Vermeidung durch Substanzkonsum

  • Einnahme der Substanz in größeren Mengen oder länger als geplant

  • Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche, den Substanzgebrauch zu verringern oder zu kontrollieren

  • Hoher Zeitaufwand für Beschaffung und Konsum der Substanz oder um sich von ihren Wirkungen zu erholen

  • Aufgabe oder Einschränkung wichtiger Aktivitäten aufgrund des Substanzkonsums

  • Fortgesetzter Konsum trotz körperlicher oder psychischer Probleme

  • Craving, das starke Verlangen nach der Substanz


Ab 2 erfüllten Kriterien wird dabei von einer moderaten Störung gesprochen, ab 4 von einer schweren. Cannabisgebrauch geht oft mit einer körperlichen Abhängigkeit einher, begleitet von einer eingeschränkten Kontrolle über den Konsum und einer wachsenden Priorisierung des Cannabiskonsums. Auch eine Toleranzbildung ist meist zu beobachten. Toleranz bedeutet, dass der Körper auf wiederholten Gebrauch einer Substanz weniger reagiert oder nur, wenn die Dosis erhöht wird. Es hängt von der Menge, Häufigkeit und Dauer der Verwendung ab, wie schnell sich diese Toleranz entwickelt.


Körperliche Abhängigkeit tritt auf, wenn der Körper Symptome zeigt, wenn eine bestimmte Substanz plötzlich abgesetzt wird oder ein spezielles Gegengift gegeben wird, es kommt zu Entzugssymptomen. Das Diagnosemanual DSM-5 gibt Kriterien für das Cannabis-Entzugssyndrom an, das auf dem Vorhandensein von körperlichen Symptomen (wie Magenschmerzen, Zittern und Schüttelfrost) sowie Veränderungen der Stimmung oder des Funktionierens (wie Reizbarkeit, verminderter Appetit, depressive Stimmung und Schlaflosigkeit) nach Beendigung des Cannabiskonsums beruht.



Welche Begleiterscheinungen können auftreten?


Der Cannabiskonsum in der Allgemeinbevölkerung birgt Risiken für andere Substanzgebrauchsstörungen, wie Alkohol oder auch “harte” Drogen. Besonders hoher und regelmäßiger Konsum sowie eine sehr hohe THC-Konzentration können zu Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen und Psychosen führen, insbesondere bei Personen mit einem erhöhten Risiko. 


Forschungen zeigen auch, dass der Marihuana-Konsum bei jungen Menschen mit geringerem Einkommen, einem größeren Bedarf an sozioökonomischer Unterstützung, Arbeitslosigkeit, kriminellem Verhalten und einer niedrigeren Lebenszufriedenheit einhergeht. Dies hat bedeutende soziale und wirtschaftliche Auswirkungen. Darüber hinaus besteht eine Verbindung zwischen Cannabiskonsum und Verkehrsunfällen, einschließlich schwerer und tödlicher Unfälle.


Die physischen Auswirkungen von Cannabiskonsum können vielfältig sein. Rauchen von Cannabis kann ähnliche Atemwegsprobleme und -erkrankungen wie herkömmliche Zigaretten verursachen. Es wurden auch Zusammenhänge zwischen Cannabiskonsum und Gefäßerkrankungen, Schlafstörungen und Komplikationen während der Schwangerschaft festgestellt.


Zu den Risikofaktoren für Cannabiskonsum gehören genetische, familiäre (wie Drogenkonsum der Eltern, Trennung der Eltern und schlechte Eltern-Kind-Beziehungen) und andere Lebensstilfaktoren (wie Drogenkonsum unter Gleichaltrigen bei Jugendlichen und soziale Benachteiligung). Neben der Verfügbarkeit, dem Preis und dem Angebot von Drogen zählen auch kulturelle Faktoren, die Drogenpolitik und die Gesetzgebung eine Rolle als Risikofaktor der Cannabisgebrauchsstörung.



Wie soll ich mit einer Cannabis-Gebrauchsstörung umgehen?


Die Forschung zu pharmakologischen Mitteln ist in vollem Gange. Besonders vielversprechend sind Cannabis-Rezeptor-Agonisten, die an den entsprechenden Rezeptoren andocken und die Motivation zum Cannabiskonsum sowie Entzugssymptome verringern können. Trotz vielversprechender Ergebnisse sind bisher jedoch noch keine Medikamente offiziell zugelassen.


Ähnlich wie bei anderen Substanzgebrauchsstörungen spielt bei Cannabis-Abhängigkeit auch die Psychotherapie eine wichtige Rolle. Insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie hat sich als effektiv erwiesen. Zudem hat sich der Einbezug der Familie als erfolgversprechender Ansatz zur Bewältigung der Störung gezeigt. Achtsamkeitsbasierte Trainings könnten ebenfalls unterstützend wirken, allerdings bedarf es hierbei weiterer Forschung, um ihren genauen Effekt zu bestätigen.


Für Angehörige ist es entscheidend, Hilfe anzubieten, ohne zu verurteilen. Den Weg aus einer Abhängigkeit zu finden, ist nicht einfach. Dieser Weg wird erschwert, wenn sich eine Person wegen Stigmatisierung und Ablehnung isoliert fühlt. Oft werden dann aus Angst vor Ablehnung Ressourcen nicht genutzt und professionelle Hilfe abgelehnt. Es ist wichtig, eine unterstützende und nicht verurteilende Atmosphäre zu schaffen, um Betroffene zu ermutigen, Unterstützung anzunehmen.



Falls du oder eine nahestehende Person Hilfe brauchen sollte, haben wir hier eine kleine Übersicht an Anlaufstellen für dich:


Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen: Bietet zahlreiche Informationen zu Suchtfragen, sowie eine Postleitzahl-Suche mit Angeboten in der eigenen Nähe


Bietet ebenfalls Informationen zu Suchtfragen, sowie eine Online-Beratung


01806 - 31 30 31 Telefonseelsorge: 0800 - 111 0 111 oder 0800 - 111 0 222


Abschließend bleibt es spannend zu beobachten, wie die Gesetzesänderungen das Verhalten der deutschen Bevölkerung im Umgang mit Cannabis beeinflussen werden. Diese Neuerungen werden zweifellos Auswirkungen haben und gleichzeitig dazu beitragen, dass die medizinischen Potenziale von Cannabis genauer untersucht werden.



Quellen

Blanco, C., Hasin, D. S., Wall, M. M., Flórez-Salamanca, L., Hoertel, N., Wang, S., Kerridge, B. T., & Olfson, M. (2016). Cannabis Use and Risk of Psychiatric Disorders. In JAMA Psychiatry (Vol. 73, Issue 4, p. 388). American Medical Association (AMA). https://doi.org/10.1001/jamapsychiatry.2015.3229 


Cannabis use and cannabis use disorder. (2021). In Nature Reviews Disease Primers (Vol. 7, Issue 1). Springer Science and Business Media LLC. https://doi.org/10.1038/s41572-021-00256-3 


Finn, K. (Ed.). (2020). Cannabis in Medicine. Springer International Publishing. https://doi.org/10.1007/978-3-030-45968-0 


Montoya, I. D., & Weiss, S. R. B. (Eds.). (2019). Cannabis Use Disorders. Springer International Publishing. https://doi.org/10.1007/978-3-319-90365-1 


Keup, W. (1985). Biologie der Sucht. In Suchtproblematik. Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-82542-2


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