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Psychosomatische Beschwerden bei Angehörigen


Foto von Andrea Piacquadio: https://www.pexels.com/de-de/foto/junger-mann-in-nachtwasche-die-am-morgen-unter-kopfschmerzen-leidet-3771115/

Angehörige von psychisch oder physisch erkrankten Familienmitgliedern oder engen Bekannten stehen oft in einem nicht zu geringen Maß unter Stress. Das ist ganz normal, schließlich geht es hierbei um eine geliebte Person, die versorgt werden muss. Ob der Stress dabei negative psychosomatische Beschwerden hervorruft hängt davon ab, wie das Individuum den Stress bewertet und welche Bewältigungsmittel ihm zur Verfügung stehen.


Stress entsteht als Folge einer komplexen Interaktion verschiedener Faktoren. Man unterscheidet bei diesen zwischen objektiven und subjektiven Kennwerten eines Stressors. Die objektiven Kennwerte beschreiben beispielsweise die Häufigkeit oder die Intensität des Stressors, wohingegen die subjektiven Kennwerte sich auf die individuellen Einschätzungen des Individuums beziehen. Das bedeutet konkret: Wie bewerte ich den Stress? Die subjektive Seite des Stresses unterstreicht die Rolle der individuellen Bewertungen im Zusammenhang mit der Bewertung des Stressors als positiv (‚positiver Stress‘) oder negativ (‚negativer Stress‘).



Biologie des Stresses

 

Von der biologischen Seite her betrachtet basiert das Stresssystem auf der sogenannten Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, kurz HHNA. Bei der HHNA kommt es unter anderem zur Freisetzung von bestimmten Substanzen wie Kortisol (auch Stresshormon genannt) oder (Nor-)Adrenalin. Diese Substanzen führen zu einer Reihe von physiologischen Veränderungen im Körper, um diesen optimal auf die stressreiche Situation vorzubereiten. Der Körper wird sozusagen in ‚Alarmbereitschaft‘ versetzt. Zeitgleich findet eine Aktivierung der Immunfunktion statt. Diese wird zwar bei kurzzeitigen Stresssituationen erhöht, verringert sich aber bei chronischem Stress. McEwen (1998) prägte in diesem Zusammenhang den Begriff des ‚Allostatic Load‘ (allostatische Belastung). Darunter ist zu verstehen, dass Stress eine potenzielle Bedrohung für das Gleichgewicht der Homöostase ist. Mit Homöostase ist das Gleichgewicht innerhalb der verschiedenen Körpersysteme gemeint. Allostase ist im Sinne von McEwen (1998) die Strategie des Köpers, sich an die sich verändernde Umwelt anzupassen. Misslingt ihm diese Anpassung langfristig in Bezug auf einen Stressor, so kommt es zu der genannten allostatischen Belastung. Eine misslungene Anpassung kann beispielsweise aufgrund mangelnder Bewältigungsfähigkeiten oder negativen Bewertungen des Stressors zu Stande kommen.


Merke: „Die Dosis macht das Gift“. Oder anders ausgedrückt: es kommt auf die Dosis und die Wirkungsdauer von Stress an, ob biologische und psychische Konsequenzen drohen. Milde oder moderate Stresseinwirkungen können sogar eine durchaus positive Wirkung auf unsere Leistungsfähigkeit haben.

Dass Stress eine nachteilige Auswirkung auf das Immunsystem haben kann zeigten auch zwei Studien, die die Wundheilung bei chronischem Stress untersuchten.

Kiecolt-Glaser et al. (1995) untersuchten an insgesamt 13 Frauen, die für an Demenz erkrankte Angehörige sorgten, die Wundheilung anhand einer 3,5 mm Gewebeentnahme am Arm. Die Ergebnisse zeigten, dass im Vergleich zu einer Kontrollgruppe die Wunden der pflegenden Frauen signifikant länger dauerten. Die Autoren weisen darauf hin, dass Stress eine nachteilige Wirkung auch auf die Erholung von chirurgischen Eingriffen haben könnte. Auch die Untersuchung von Glaser et al. (1999) konnte nachweisen, dass die Wundheilung durch höhere Stresswerte beeinflusst war.

 

Welche somatischen Beschwerden von Angehörigen von psychisch oder physisch Erkrankten lassen sich sonst noch identifizieren?


Der Begriff ‚somatisch‘ geht auf das griechische Wort ‚soma‘ zurück, dass so viel heißt wie ‚Körper‘ oder ‚Leib‘. Somatisch bedeutet also ‚den Körper betreffend‘. Somatische Beschwerden sind also nichts anderes als körperliche Beschwerden. Oftmals fällt in diesem Kontext auch der Begriff ‚psychosomatisch‘. Darunter versteht man Beschwerden, die im Zusammenhang mit psychischen Problemen stehen und nicht vollständig körperlich erklärt werden können.

Eines der häufigsten Störungsbilder in diesem Zusammenhang sind Beschwerden des Magen-Darm-Traktes. Sie äußern sich beispielsweise durch Magenkrämpfe, Übelkeit oder Durchfälle. Hoyer und Knappe (2020) weisen darauf hin, dass der Magen-Darm-Trakt mit den emotionalen Zentren im Gehirn verbunden ist. Chronischer Stress in Form eines negativen psychologischen Faktors kann sich beispielsweise im Reizdarmsyndrom äußern. Das Reizdarmsyndrom kennzeichnet wiederkehrende Unterleibsschmerzen sowie eine veränderte Stuhlfrequenz. Das Syndrom kann sowohl durch psychische als auch durch physische (entzündliche) Ereignisse ausgelöst werden. Zu den erfolgversprechenden Therapiemethoden im Zusammenhang mit psychischen Ursachen des Reizdarmsyndrom zählt die Verordnung von Antidepressiva (insbesondere selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer) und kognitiv-behaviorale Therapieansätze.

Ein weiteres Störungsbild, dass sowohl Körper als auch Psyche betrifft, ist die chronische Erschöpfung. Sie kennzeichnet sich durch anhaltende, starke Müdigkeit, die den Alltag der Betroffenen beeinträchtigt. Betroffene berichten aber auch über andere körperliche Symptome wie Schmerzen. Ein Erschöpfungszustand ist als chronisch zu klassifizieren, wenn die Symptome sich nicht durch Ruhe oder Inaktivität reduzieren lassen und selbst normale psychische und/oder physische Tätigkeiten zu einer Verschlechterung beitragen. Ein klassifiziertes chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS) stellt einen medizinisch unbegründeten Erschöpfungszustand dar, der mindestens sechs Monate anhält und nicht die Folge einer fortwährenden Anstrengung ist. Betroffene, die unter CFS leiden, berichten häufig über subjektiv empfundene belastende Lebensereignisse. Im Gegensatz zum Reizdarmsyndrom sieht man bei der Behandlung aber von medikamentösen Therapien ab und setzt auf die in der Praxis bewährte kognitiv-behaviorale Therapie.



Tipps für Angehörige?

 

Neben den zwei vorgestellten Syndromen können aber auch weniger schwerwiegende psychosomatische Symptome auftreten. Solche Symptome sind beispielsweise Übelkeit, Schwitzen, Bauch-/ Unterleibsschmerzen, erhöhte Herzfrequenz oder Kopfschmerzen bis hin zur Migräne. Im Folgenden werden Ansätze aufgezeigt, die zu einer möglichen Linderung der Symptome führen können:


Beim Stressmanagementtraining handelt es sich um eine Kombination verschiedener kognitiv-behavioraler Strategien zur Stressreduktion.

Autogenes Training

Beim Autogenen Training spricht der Übende bestimmte Formeln wie beispielsweise „Der rechte Arm ist schwer“ oder „Der rechte Arm ist warm“. Diese Formeln beziehen sich auf den direkt erwarteten physiologischen Effekt. In der Regel beginnt man bei den Extremitäten wie den Händen oder Füßen und arbeitet sich am restlichen Körper entlang. Man sollte aber nicht versuchen, die gewünschten Effekte zu erzwingen oder enttäuscht sein, wenn es nicht von Anfang an klappt. Autogenes Training erfordert etwas Übung. Es folgt dem Prinzip: je häufiger und kürzer, desto besser.

Warum sollte ich das autogene Training anwenden?

Autogenes Training wirkt beruhigend bei Angstzuständen und Überforderung. Auf physiologischer Ebene sollen zudem Verspannungen gelöst werden. Autogenes Training ist sehr gut unter Anleitung (z. B. via Youtube) durchzuführen. Zudem eignet es sich für die Anwendung in kleineren Gruppen. Eine Möglichkeit wäre zusammen mit dem Betroffenen einmal eine Übung durchzuführen, sofern dieser dazu Lust hat.

Atementspannung

Progressive Muskelentspannung



Quellen


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