top of page

Die Auswirkungen sozialer Isolation: Einsamkeit verstehen und überwinden


Eine junge Frau liegt seitlich in der Fötus Haltung auf ihrem Bett.  Sie ist zum Betrachter gedreht und schaut mit einem nachdenklichen, traurigen Blick seitlich an die Wand ihres Bettes.
Foto von Darina Belonogova: https://www.pexels.com/de-de/foto/person-frau-madchen-bett-7208912/

Wir Menschen sind von Natur aus soziale Wesen, die das Bedürfnis nach Verbindung und Zugehörigkeit teilen. Unabhängig von individuellen Unterschieden wie das Alter, das Geschlecht oder die Herkunft. Diese Verbindung vermittelt ein Gefühl von Gemeinschaft und Unterstützung, während soziale Isolation das Gegenteil bewirkt und oft ein belastendes Gefühl hervorruft. Doch obwohl wir eigentlich solch soziale Wesen sind, leiden immer mehr Menschen unter sozialer Isolation.


 

Soziale Isolation

Soziale Isolation ist ein Zustand, in welchem wir nicht über viele soziale Kontakte verfügen. Die Art und Weise, wie wir die Isolation bewerten, beeinflusst unsere Wahrnehmung dieses Zustands. Soziale Isolation kann als “Alleinsein” oder als “Einsamkeit” bewertet werden. Ob der Zustand der sozialen Isolation nun gut oder schlecht ist, hängt also davon ab, wie man ihn persönlich wahrnimmt und bewertet. Per se ist soziale Isolation also nichts schlechtes, da sie sowohl angenehme als auch unangenehme Gefühle auslösen kann.

Als Gefühl entsteht Einsamkeit durch eine subjektiv wahrgenommene soziale Isolation die nicht mit der objektiven sozialen Isolation (messbar) übereinstimmen muss. In solch einem Moment verspürt die Person im besten Fall, den Wunsch sich wieder zu integrieren und passt infolgedessen ihr Verhalten an das Bedürfnis an. Während dieses Prozesses steigt die Sensibilität für Signale von anderen und potenzielle soziale Risiken werden stärker beachtet. Die daraufhin erfolgte Anpassung des eigenen Verhaltens führt zur sozialen Integration, wodurch die empfundene soziale Isolation beendet ist. Die unangenehme Empfindung der Einsamkeit hat ihren sinnvollen Zweck erfüllt. Nämlich einen Menschen dazu zu bringen, bedeutsame soziale Verbindungen aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.

Dies kann aber auch misslingen: Indem die Person, der gesteigerten Aufmerksamkeit für soziale Signale und Gefahren, eine Situation negativ interpretiert. Dadurch fühlt sie sich in ihrer wahrgenommenen sozialen Isolation bestätigt, bricht den Versuch der Integration ab, zieht sich stattdessen zurück und erlebt infolgedessen vermehrt negative Emotionen. Diese veränderte Sichtweise beeinflusst das Verhalten und die soziale Interaktion und verstärkt das Gefühl der Traurigkeit und der Isolation. Einsamkeit kann folglich zu verschiedenen Verhaltensweisen führen, die wiederum Einsamkeit fördern können. Diese sich selbst verstärkende Spirale erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Einsamkeit einer Person chronisch wird. Und das kann zu einem Risikofaktor für die geistige und körperliche Gesundheit werden und wiederum Auswirkungen auf das Umfeld des chronisch Einsamen haben. Verfügt ein Mensch über wenige bis gar keine Kontakte in seinem familiären oder sozialen Umfeld, ist von einem einsamen Leben in Isolation die Rede.


Menschen sind gesellige Wesen, ein Grundbedürfnis des Menschen ist Kontakt.


Wie entsteht soziale Isolation?

Soziale Isolation kann durch eine Vielzahl von Faktoren entstehen. Sie kann sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene auftreten und durch physische, emotionale (innere Faktoren) oder soziale Faktoren (äußerliche) beeinflusst werden. Abhängig von Alter und Lebensumständen sowie dem individuellen Bedürfnis nach sozialen Interaktionen variiert die "normale" Anzahl sozialer Kontakte, die Menschen in ihrem Leben pflegen. Soziale Isolation kann durchaus selbst gewählt sein. Meist geschieht dies jedoch als Folge einer psychischen Erkrankung wie Burnout oder Depression: Jede Beziehung zu anderen Menschen wird als anstrengend empfunden und soll möglichst vermieden werden. Eine psychische Erkrankung ist oftmals die Folge oder der Grund für die Einsamkeit. Folgend sind die häufigsten Gründe, die zu sozialer Isolation führen können aufgelistet:

Alter

Mit steigendem Alter steigt auch die Zahl der Einschränkungen. Aufgrund von körperlichen Beschwerden sinkt z.B. die Mobilität von Personen und die Anzahl sozialer Kontakte. Sei es aufgrund des Sterbens von Bekannten und Freunden, aufgrund der Unfähigkeit zu arbeiten, sich sozial zu engagieren oder Hobbys nachzugehen. Diese objektive soziale Isolation geht oft mit Gefühlen der Einsamkeit einher.

Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Lage

Gesundheitliche Probleme und chronische Krankheiten

Häusliche Gewalt und gewaltvolle Beziehungen

Psychische Belastungen


Allein sein (Isolation) versus Einsamkeit

Im Allgemeinen ist Einsamkeit zuallererst ein subjektives Gefühl. Alleinsein und Einsamkeit sind nicht dasselbe. Einsamkeit bezieht sich auf die empfundene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen. Während Einsamkeit also subjektiv wahrgenommen wird, meint das Allein sein (soziale Isolation) die objektive, messbare Abwesenheit sozialer Kontakte.

Menschen, die weniger als einmal wöchentlich persönlichen Kontakt zu jemandem haben, werden häufig als sozial isoliert betrachtet. Insbesondere Emotionale und intime Beziehungen spielen eine wichtige Rolle als Schutzfaktoren gegen soziale Isolation. Unterscheiden kann man den Begriff Einsamkeit in drei Kategorien:


  1. Emotionale Einsamkeit: ein Mangel an intimen engen Beziehungen

  2. Soziale Einsamkeit: wenn Freundschaften und weitere persönliche Bindungen fehlen

  3. Kollektive Einsamkeit: ist der Mangel an Zugehörigkeitsgefühl zu einer übergeordneten Gemeinschaft oder zur Gesellschaft


Der grundlegende Unterschied zwischen Einsamkeit und sozialer Isolation (Allein sein) besteht darin, dass das Gefühl der Einsamkeit unabhängig davon auftreten kann, ob eine Person sozial isoliert ist oder nicht. Ebenso ist es möglich, sozial isoliert zu sein, ohne sich einsam zu fühlen. Menschen können sich also sowohl einsam fühlen, obwohl sie nicht sozial isoliert sind, als auch sozial isoliert sein, ohne sich einsam zu fühlen. Wichtig hierbei ist, dass soziale Isolation kein Synonym für Einsamkeit ist. Ersteres bezeichnet lediglich den Umstand des Alleinseins, der erst zur Einsamkeit wird, wenn ein gewisses Leid dadurch empfunden wird. Ist z. B. ein junger Mensch körperlich und seelisch gesund, spricht nichts gegen Isolation. Auch ist eine soziale Isolation über einen geringen Zeitraum zunächst nicht bedenklich.


Beispiel:

Eine Person, die zweimal wöchentlich mit Verwandten telefoniert, könnte als nicht sozial isoliert betrachtet werden bzw. sich nicht so fühlen. Hingegen könnte eine Person, die fünfmal wöchentlich Besuch vom Pflegedienst erhält, eher als sozial isoliert angesehen werden bzw. dieses Gefühl empfinden.

Ein Mann sitze auf einem Sofa, seine Ellenbogen stützt er auf seine Knien ab. Seine Hände berühren sich. Er ist leicht nach vorne gebeugt und schaut nachdenklich auf den Boden. Nur die Hände sind klar erkennbar, der Rest des Bildes ist weichgezeichnet..
Foto von MART PRODUCTION: https://www.pexels.com/de-de/foto/licht-fashion-mann-person-7277896/

Einsamkeit ist oftmals keine Entscheidung. Insbesondere ältere Menschen leiden darunter, wenn z.B. ihr Partner verstirbt, oder keine Freunde und Kinder mehr in unmittelbarer Nähe leben. Sobald jemand unter dem Alleinsein leidet, ist von Einsamkeit die Rede.


Es ist essentiell für uns Menschen, bedeutsame soziale Verbindungen herzustellen. Dabei benötigen wir nicht nur die physische Anwesenheit anderer,

sondern auch deren Anerkennung und Vertrauen. Dies verdeutlicht das man sich, wenn man z.B. Zeit alleine verbringt sich gleichzeitig mit anderen verbunden fühlen kann und andersherum sich umgeben von anderen Menschen trotzdem einsam fühlen kann. Das letztere ist vorrangig bei arbeitslosen, behinderten oder kranken Menschen sowie Straftätern oder Migranten zu beobachten. Einsamkeit spiegelt also eher die geringe Qualität der Beziehungen wider als die Anzahl der Kontakte.


Du möchtest wissen wie Einsam du dich subjektiv empfunden, fühlst? Um das Maß an Einsamkeit zu messen, haben Forscher:innen der Universität UCLA eine Einsamkeitsskala entwickelt, an der du ablesen kannst, wie belastet du durch die subjektiv empfundene soziale Isolation bist. Hier kannst du sie dir ansehen uns ausprobieren.


Soziale Isolation: Auswirkungen

Es beginnt mit der Absage eines Treffens, geht weiter damit, dass du keine Lust mehr auf jegliche Art von Unternehmung hast – und bald willst du dein Zuhause nicht mehr verlassen. Das kann der Anfang von einem Leben in sozialer Isolation sein. Doch verbringst du zu viel Zeit einsam und allein, schadet das deiner psychischen Gesundheit. Und das funktioniert wie bereits erwähnt auch andersherum: Leidest du bereits unter einer psychischen Störung, kann das auch zu starker sozialer Einsamkeit führen.


Doch was passiert während einer Isolation?

Während einer Isolation sind verschiedene Effekte beobachtbar. Zu aller erst löst sie Stress aus, was nicht umsonst auch im Strafvollzug zur Anwendung kommt, beispielsweise in Form von Isolationshaft. Wir Menschen sind auf soziale Eingebundenheit angewiesen. Dieser Stress kann sich auf psychischer, physischer und psychosomatischer Ebene manifestieren. Über einen längeren Zeitraum kann eine soziale Isolation dazu führen, dass man seine Fähigkeiten und Potenziale nicht voll ausschöpfen kann. Dauerhafte Isolation kann zu Unruhe

und verminderter Konzentration führen, während das innere physiologische Erregungsniveau steigt, was zu Reizbarkeit führen kann (dies ist ein schleichender Prozess). Zudem können Niedergeschlagenheit, Angst oder Depressionen hinzu kommen. Auch fühlen sich isolierte Menschen oft träge oder entwickeln eine soziale Phobie, da sie ihr Haus seltener verlassen und sich in der Anwesenheit anderer unwohl fühlen.


Außerdem kann die Isolation zu Anpassungsstörungen und im schlimmsten Fall zu psychischen Beeinträchtigungen wie Ängsten, Panikattacken oder Depressionen führen. Doch bevor eine psychische Störung überhaupt entstehen kann ist jedoch entweder eine genetische Veranlagung oder ein stark belastendes vergangenes Ereignis erforderlich. Wenn beispielsweise eine entsprechende Veranlagung vorhanden ist und dann ein hoher Grad an Stress auf die betroffene Person einwirkt, kann sich dies negativ auswirken. Auch Personen, die möglicherweise keine Veranlagung für eine psychische Erkrankung haben, können aufgrund der Schwere eines Traumas dennoch an einer solchen Störung leiden. Beispielsweise verursacht durch Gewalt oder sexuelle Übergriffe.


Es ist völlig normal, dass man gelegentlich Zeit "nur für sich selbst" benötigt oder es bevorzugt, sich zurückzuziehen und ruhiger zu verhalten. Wenn jedoch eine vollständige Isolation eintritt und der Weg zurück in das soziale Leben verschlossen zu sein scheint, oder wenn man sich trotz des Wunsches nach Zugehörigkeit und Gemeinschaft nicht mehr verbunden fühlt, kann dies eine erhebliche Belastung für das emotionale Wohlbefinden sein.

Raus aus der sozialen Isolation

Wenn man derartige Verhaltensweisen bei anderen bemerkt und sich Sorgen macht, kann man sie konkret darauf ansprechen. Es ist aber wichtig, dies ohne Vorwürfe, sondern mit aufrichtigem Interesse an den Gründen dafür zu tun und zu versuchen, die Situation zu verstehen. Es ist vor allem wichtig, dies nicht als unwichtig abzutun, da sich die betroffene Person sonst nicht öffnen wird. Auch das zusätzliche Angebot, gemeinsam irgendwo hinzugehen, sich als Begleitung zu Verfügung zu stellen und Unterstützung anzubieten, können hilfreich sein. Begleitung und Ermutigung spielen eine bedeutende Rolle, in Zeiten der Isolation. Fehlt positive Verstärkung durch andere Menschen sinkt das Selbstvertrauen der betroffenen Person allmählich.


Doch eines braucht es ganz besonders um Einsamkeit zu verhindern, und zwar Eigenengagement. Hilfreich ist es, sich regelmäßige Termine in einem sozialen Netzwerk zu schaffen. Folgend sind vier Optionen aufgelistet um das Gefühl der Isolation zu überwinden:


Ehrenamt

Sich ehrenamtlich zu engagieren ist eine großartige Möglichkeit, Bedürftigen zu helfen, das Gefühl der Selbstwirksamkeit zu stärken und natürlich anderen Menschen zu begegnen. Die gemeinsame Zusammenarbeit an einem Projekt kann oft eine starke Bindung schaffen.


(Sport-) Vereine

Hilfsangebote für Senioren

Soziale Kontakte


Um die inneren Gefühle der sozialen Isolation bzw. Einsamkeit zu bekämpfen, helfen (zusätzlich) andere Methoden:


Meditation- und Achtsamkeitsübungen

Um der sozialen Isolation entgegenzuwirken, kann es hilfreich sein, sich auf sich selbst zu konzentrieren und innere Ruhe zu finden. Alleinsein bedeutet nicht Einsam zu sein. Alleinsein kann sich wundervoll anfühlen, wenn man Zeit mit sich selbst liebt und genießt. Praktiken wie Meditation und Achtsamkeitsübungen öffnen den Blick für die Welt und fördern die Wahrnehmung. Zum Beispiel kann die Durchführung von Achtsamkeitsspaziergängen die Konzentration stärken und die Verbindung zur Umgebung intensivieren, ohne Bewertung oder Hinterfragung. Übungen die sich gut zur Prävention eignen sind z. B. Progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder positives Denken.


Sportliche Aktivität

Sich mitteilen

Soziale Isolation mit ihren tiefgreifenden Auswirkungen auf die mentale und emotionale Gesundheit, verdeutlicht die essentielle Bedeutung von starken, qualitativen zwischenmenschlichen Beziehungen für das Wohlbefinden. Indem wir die Ursachen und Symptome der sozialen Isolation erkennen, können wir gezielte Maßnahmen ergreifen, um Einsamkeit zu bekämpfen, Betroffenen zu helfen und unterstützende Netzwerke aufzubauen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir als Gesellschaft zusammenarbeiten und die Möglichkeiten nutzen, um solidarische Unterstützung anzubieten und die Bedeutung von zwischenmenschlichen Verbindungen zu fördern, um sozialer Isolation entgegenzuwirken. Am Ende ist die Isolation ein Teufelskreis aus dem es sich lohnt auszubrechen.

Quellen

Cacioppo, S., Grippo, A. London, S., & Goossens, L. (2015). Loneliness: clinical import and interventions. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25866548/

Huxhold, O., & Engstler, H. (2019). Soziale Isolation und Einsamkeit bei Frauen und Männern im Verlauf der zweiten Lebenshälfte. https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/62953/ssoar-2019-huxhold_et_al-Soziale_Isolation_und_Einsamkeit_bei.pdf

Landtag NRW. (2022). Einsamkeit Bekämpfung sozialer Isolation in Nordrhein-Westfalen und der daraus resultierenden physischen und psychischen Folgen auf die Gesundheit. https://www.landtag.nrw.de/files/live/sites/landtag-r20/files/Internet/I.A.1/EK/17._WP/EK%20IV/Landtag%20Bericht%20EK%20IV%20Einsamkeit%20BF.pdf

Perlmann, D., & Perlau, L. (1982). Theoretical approaches to loneliness. S.123. https://www.researchgate.net/publication/284634633_Theoretical_approaches_to_loneliness/link/5748c43308ae5c51e29e6b45/download

Qualter, P., Vanhalst, J, Harris, R., Van Roekel, E., Lodder, G., Bangee, M., Maes, M., & Verhagen, M. (2015). Loneliness Across the Life Span. https://www.researchgate.net/publication/273695220_Loneliness_Across_the_Life_Span

Stijovic, A., Forbes, P. A. G., Tomova L., Skoluda, N., Feneberg, A. C., Piperno, G., Pronizius, E., Nater, U. M., Lamm, C., & Silani, G. (2023). Homeostatic Regulation of Energetic Arousal During Acute Social Isolation: Evidence From the Lab and the Field. Psychological Science, 34 (5) https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/09567976231156413










bottom of page