Eine Einführung in die Atementspannung

In diesem ersten Artikel erfährst du alles rund um die Grundlagen der Atementspannung. Behandelt werden mögliche Risiken, Rahmenbedingungen sowie anatomische Grundlagen. Im Anschluss lernst du vier unterschiedliche Übungen kennen, die du überall durchführen kannst!
Das Wichtigste
Wer?
Atemübungen können prinzipiell von jedem durchgeführt werden. Bei Erkrankungen der Atemwege sollte jedoch vorher ein Arzt konsultiert werden.
Wie?
Erfährst du bei den jeweiligen Übungen weiter unten. Generell lässt sich die Atmung passiv beobachten oder aktiv gestalten.
Wo?
Du kannst praktisch überall und unauffällig Atemübungen durchführen, sei es in der Schule, auf dem Weg zur Arbeit oder im Flugzeug.
Wozu?
Atemübungen zählen in der psychologischen Psychotherapie zu den Entspannungstechniken. Es gibt sogar eine spezielle Atemtherapie. Die Übungen können dazu angewandt werden, dich zu entspannen, beim Einschlafen und Abschalten zu unterstützen sowie deine Konzentration zu fördern. Atemübungen können aber auch bei akuten psychischen Problemen, wie zum Beispiel Panikattacken dabei helfen, mit diesen umzugehen.
Hinweise auf mögliche Risiken
! Bei Unsicherheiten eine Fachperson konsultieren ! Achtung vor Hyperventilation vs. extrem verlangsamte/oberflächliche Atmung ! Abbruch der Übung bei Schmerzen, Schwindel und/oder Unwohlsein
Hilfreiche Rahmenbedingungen
bequeme Kleidung
aufrechte Körperhaltung
ausreichend frische Luft
wenig Ablenkungen (z. B. Handy abschalten)
wer mag: geführte Meditationen/ entspannende Musik hören
! Keine zwingenden Voraussetzungen für die Durchführung von Atemübungen!
Anatomie der Atementspannung
Wenn der menschliche Körper sich im Stressmodus befindet, ist die Muskulatur angespannt, die Atmung beschleunigt und das Herz schlägt schneller. Dieser unangenehme Zustand kann zum einem zu einer sehr flachen sowie zum anderen zu einer zu schnellen Atmung (Hyperventilation) führen. Die gezielte Entspannung des Atems soll dem Gehirn signalisieren, dass es den Stressmodus ausschalten und in einen entspannten Zustand wechseln kann. Zudem wird das schneller schlagende Herz beruhigt. Um die gewünschten Effekte zu erzielen müssen bestimmte Prinzipien berücksichtigt werden.
Good to know:
Einatmen: Aktivierung des Sympathikus (aktivierender Part des autonomen Nervensystems).
Ausatmen: Aktivierung des Parasympathikus (auch ‚Ruhenerv‘ genannt). Durch das i.d.R. fast doppelt so lange Ausatmen wird somit eine entspannende Wirkung erzielt.
Bei der Atmung – Formänderung des Thoraxraumes – sind die Rippen sowie das Zwerchfell beteiligt.
Die Übungen
Zwerchfellatmung (Bauchatmung)
Durchführung:
Bei der Bauchatmung atmet man – wie der Name bereits verrät – in den Bauch. Dabei hebt sich beim Einatmen der Bauch, die Zwerchfellmuskulatur kontrahiert und der untere Lungenbereich füllt sich mit Luft. Beim Ausatmen entspannt sich die Zwerchfellmuskulatur und der Bauch senkt sich wieder.
Tipp: Lege beide Hände auf den Bauch, sodass die beiden Mittelfinger sich auf der Höhe des Bauchnabels befinden.
Good to know:
Die Bauchatmung wird auch als abdominaler Atmungstyp bezeichnet.
Die Lungenatmung, das Gegenstück zur Bauchatmung, wird auch als kostaler Atmungstyp bezeichnet.
Atmung fühlen
Die ‚Atmung fühlen‘-Übung stellt eine Erweiterung zur reinen Zwerchfellatmung dar. Wie bereits als Tipp bei dieser aufgeführt, kann zusätzlich die Atmung durch die Hände gefühlt werden. Die Übung kann spezifiziert werden, wenn man sich auf die Sinnesorgane des Hörens oder Tastens konzentriert.
Hinweis: Es empfiehlt sich auch hier die Zwerchfellatmung. Es spricht aber auch nichts gegen die Lungenatmung.
Atmung ertasten.
Zwerchfellatmung: Lege dabei beide Hände auf den Bauch, sodass die beiden Mittelfinger sich auf der Höhe des Bauchnabels befinden. Konzentriere dich darauf wie sich deine Bauchdecke langsam hebt und wieder senkt.
Lungenatmung: Lege dabei beide Hände mittig auf deinen Brustkorb. Konzentriere dich darauf wie sich dein Brustkorb langsam hebt und wieder senkt
Atmung hören. Konzentriere dich bei der Lungenatmung oder bei der Zwerchfellatmung auf das Geräusch der ein- und austretenden Luft. Du wirst vielleicht merken, dass sich die Atmung je nach Intensität des Atmens anders anhören wird.
Good to know:
Durch die gezielte Konzentration auf den Atmungsvorgang kann ein meditativer sowie entspannender Zustand erreicht werden.
Durch die Fokussierung auf die zwei beschriebenen Sinnesorgane trainiert man unter anderem auch die bewusste Wahrnehmung des eigenen Körpers.
Atem zählen
Katsuki Sekida beschreibt in seinem Buch: Zen-Training – Praxis, Methoden, Hintergründe drei Vorgehensweisen, um seinen Atem zu zählen. Diese können natürlich losgelöst vom Zen praktiziert werden.
Zählen beim Ein- UND Ausatmen. Hierbei zählt man innerlich von 1–10. Gestartet wird beim Einatmen mit der 1 gefolgt von der 2 beim Ausatmen und so weiter. Ist man bei der Zahl 10 angelangt, beginnt man von Neuem. Innerliches Zählen bedeutet, dass man nicht laut zählt. Am Anfang kann es jedoch hilfreich sein noch leise zu zählen.
Zählen NUR beim Einatmen. Hierbei wird wieder bis 10 gezählt. Der Unterschied zur oben dargestellten Methode liegt darin, dass nur beim Einatmen der Atem gezählt wird.
Zählen NUR beim Ausatmen. Hierbei wird wieder bis 10 gezählt. Der Unterschied zur oben dargestellten Methode liegt darin, dass nur beim Ausatmen der Atem gezählt wird.
Tipp:
Am Anfang ist das Zählen sowohl beim Ein- als auch beim Ausatmen mitunter einfacher, da die anderen beiden Methoden eine höhere Konzentration erfordern.
Wenn du merkst, dass du das Zählen einmal vergisst oder dich verzählt hast – das kann durchaus bei einer längeren Anwendung der Übung vorkommen – beginne beim nächsten Einatmen einfach von Neuem.
4-7-11-Methode
Bei der Übung wird die übliche Atemgeschwindigkeit halbiert. Man spricht auch von einer ‚entschleunigten Atmung‘. Die Zahlenfolge 4-7-11 ist leicht zu merken und verrät gleichzeitig den Ablauf der Übung:
4 = Vier Sekunden einatmen 7 = Sieben Sekunden ausatmen 11 = möglichst elf Minuten lang
Anwendungsfelder:
Stopptechnik für Panikattacken und andere psychische Symptomatiken
Meditation zur Unterstützung der Achtsamkeit und Bewusstheit für den Moment
Vorteile auf einen Blick
+ Atemsystem ist mit dem vegetativen Nervensystem verknüpft, welches bei den Übungen aktiviert wird + Atemübungen sind leicht zu erlernen + Alternative zu anderen Entspannungstechniken wie z. B. Imaginationstechniken + Bei Angststörungen sind Atemübungen eine hilfreiche Strategie um die Wahrnehmung zu fokussieren + Überall und unauffällig
Quellen
Bensberg, G. & Messer, J. (2013). Wege zur Entspannung. In G. Bensberg & J. Messer (Hrsg.), Survivalguide Bachelor: Dein Erfolgscoach fürs ganze Studium - Nie mehr Leistungsdruck, Stress & Prüfungsangst - Bestnoten mit Lerntechniken, Prüfungstipps! (2. Aufl., S. 63–71). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-642-39027-2_8
Derra, C. (2021). Körperorientierte Entspannungstechniken (1. Aufl.). Psychotherapie kompakt. Verlag W. Kohlhammer.
Ilka aus der Mark. (2022, 6. April). Atemtraining: Atme dich gesund! | W wie Wissen. Erstes Deutsches Fernsehen (ARD). https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/atemtraining-100.html
Sekida, K. (2015). Zen-Training: Praxis, Methoden, Hintergründe (10. Aufl.). Herder-Spektrum: Bd. 6770. Herder.
Thews, G. (1997). Lungenatmung. In R. F. Schmidt & G. Thews (Hrsg.), Springer eBook Collection. Physiologie des Menschen (S. 565–591). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-00485-2_25