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Dein Weg zur Achtsamkeit



Was ist Achtsamkeit?


Die Praxis der Achtsamkeit, ursprünglich in der alten buddhistischen Tradition verwurzelt, hat in der modernen Welt einen immer bedeutenderen Platz eingenommen. Nach der Definition von Bishop (2004) ist Achtsamkeit das Bewusstsein für den aktuellen Moment. Es bedeutet, aufkommende Gedanken nicht aufzugreifen, auszuführen oder zu bewerten. Stattdessen werden alle Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen, die in das Zentrum der Aufmerksamkeit gelangen, anerkannt und akzeptiert – genau so, wie sie sind.


Die Definition von Kabat-Zinn hebt darüber hinaus hervor, dass Achtsamkeit eine Bewusstheit für das aktuelle Erleben erfordert. Dies beinhaltet die kontinuierliche Beobachtung von Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen von Moment zu Moment durch die Regulierung des Fokus der Aufmerksamkeit. Die Daueraufmerksamkeit spielt dabei eine zentrale Rolle.


Achtsamkeit bedeutet auch eine nicht-elaborative Wahrnehmung von Gedanken, Gefühlen und Empfindungen, also einer nicht weitergehenden Verarbeitung dieser. Diese Praxis sollte mit Verbesserungen in der kognitiven Inhibition einhergehen – der Fähigkeit, auf Relevantes zu reagieren und Irrelevantes zu ignorieren.


Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist der sogenannte "Anfängergeist". Anstatt Erfahrungen durch den Filter von Glaubenssätzen, Annahmen, Erwartungen und Wünschen zu machen, geht es bei der Achtsamkeit um die direkte Wahrnehmung, so als wäre es das erste Mal.


Die Aufmerksamkeit hat eine begrenzte Kapazität. Achtsamkeit eröffnet die Möglichkeit, mehr Kapazität für die Wahrnehmung aktueller Erfahrungen freizusetzen. Dies ermöglicht einen Zugang zu Informationen, die normalerweise untergehen würden, und erweitert somit die Perspektive der eigenen Erfahrungen.


Achtsamkeit bedeutet auch, neugierig zu sein. Man beobachtet, wohin die Gedanken wandern, wenn die Aufmerksamkeit von gegenwärtigen Sinneseindrücken abweicht. Alle Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen sind relevant. Hierbei geht es nicht darum, einen bestimmten Zustand zu erzeugen oder zu verändern, sondern eine akzeptierende Haltung einzunehmen und offen zu sein für die Realität des Moments.


In einer Welt, die von technischer Beschleunigung, sozialem Wandel und einem raschen Lebensrhythmus geprägt ist, rückt Achtsamkeit immer mehr in den Mittelpunkt. Es bezeichnet einen Zustand der Geistesgegenwart, in dem ein Mensch hellwach die gegenwärtige Verfasstheit seiner direkten Umwelt, seines Körpers und seines Gemüts erfährt.



Was bewirkt Achtsamkeit?


Achtsamkeit zeigt nachweisbare positive Wirkungen auf eine beeindruckende Bandbreite an Aspekten des Lebens:

  1. Verringerte Schmerzwahrnehmung und erhöhte Schmerztoleranz: Menschen, die Achtsamkeit praktizieren, berichten von einer spürbaren Verringerung ihrer Schmerzwahrnehmung. Gleichzeitig entwickeln sie eine gesteigerte Fähigkeit, Schmerzen und Beeinträchtigungen gelassener zu tolerieren.

  2. Reduktion von Stress, Angst oder Depression: Achtsamkeit zeigt eine klare Reduktion von Stress, Angst und Depression. Diese emotionale Balance führt zu einer insgesamt verbesserten Lebensqualität.

  3. Weniger Medikamentennutzung und reduzierte Nebenwirkungen: Die vorigen Punkte führen zu einer verringerten Nutzung von schmerzlindernden, angstlösenden oder antidepressiven Medikamenten bei Achtsamkeitspraktizierenden. Dies geht oft mit reduzierten Nebenwirkungen einher.

  4. Verbesserte Entscheidungsfindung bei medizinischen Behandlungen: Achtsamkeit fördert eine verbesserte Reflexion und Entscheidungsfindung im medizinischen Kontext. Personen sind eher in der Lage, fundierte Entscheidungen zu treffen, einschließlich der Überlegung, eine zweite Meinung einzuholen.

  5. Bessere Mitarbeit bei der medizinischen Behandlung: Die Praxis der Achtsamkeit trägt dazu bei, die Mitarbeit bei medizinischen Behandlungen zu verbessern. Patient:innen sind motivierter, Empfehlungen ihrer Ärzt:innen konsequent zu befolgen.

  6. Erhöhte Motivation zur Veränderung des Lebensstils: Achtsamkeit motiviert zu positiven Veränderungen im Lebensstil, sei es in Bezug auf Ernährung, Bewegung oder Verzicht auf schädliche Gewohnheiten wie Rauchen.

  7. Reichere zwischenmenschliche Beziehungen und soziale Verbundenheit: Individuen, die Achtsamkeit praktizieren, erleben eine Vertiefung ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen und stärken ihr Gefühl der sozialen Verbundenheit.

  8. Veränderungen biologischer Systeme: Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Achtsamkeit biologische Veränderungen bewirken kann, beispielsweise im autonomen Nervensystem, bei neuroendokrinen Funktionen und im Immunsystem. Diese Veränderungen tragen zur allgemeinen Gesundheit bei.



Weg zur Achtsamkeit:


Bevor wir uns den konkreten Praktiken zuwenden, ist es wichtig zu betonen, dass die Wirksamkeit der Achtsamkeit stark von individuellen Unterschieden, der genutzten Übung und dem Umfeld abhängt, in dem sie praktiziert wird.

Ein zentraler Unterschied liegt in der Wahl zwischen formeller Meditation und formloser Praxis. Formelle Meditation, wie sie in Programmen wie der MBSR (Mindfulness-based stress reduction) gelehrt wird, folgt einer strukturierten Methodik. Durch regelmäßige Treffen und Hausaufgaben erleben Teilnehmer:innen eine intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Achtsamkeitspraktiken. Formlose Praxis hingegen integriert Achtsamkeit in den Alltag, ohne feste Strukturen zu nutzen.


Achtsamkeit hat sich ebenso als wirksames Instrument in der Psychotherapie erwiesen, insbesondere bei der Behandlung von Depressionen, Ängsten und Zwängen. Therapeut:innen integrieren Achtsamkeitstechniken, um ihren Patient:innen zu helfen, sich auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren und negative Gedankenmuster zu durchbrechen.


Die klassische Meditationspraxis ist ein zentraler Bestandteil des Wegs zur Achtsamkeit. Meditation bietet einen Raum, um die Gedanken zur Ruhe zu bringen, den Atem zu beobachten und eine tiefe Verbindung zum gegenwärtigen Moment herzustellen. Yoga ist nicht nur körperliche Bewegung, sondern auch eine spirituelle Praxis. Die Kombination von Körperhaltungen, Atemkontrolle und Meditation fördert nicht nur die körperliche Flexibilität, sondern auch die Achtsamkeit. Tai-Chi und Qigong sind sanfte Bewegungspraktiken, die den Fluss von Energie im Körper fördern sollen. Durch die bewusste Ausführung der Bewegungen und die Konzentration auf den Atem werden Achtsamkeit und innere Ruhe gefördert.

Durch kleine Übungen lässt sich Achtsamkeit auch einfach in den Alltag integrieren. Ein jederzeit durchführbares Beispiel wäre etwa die achtsame Atmung über 3 einfache Schritte. Diese kannst du jederzeit in deinen normalen Alltag einbauen, zum Beispiel bei der Arbeit, in Pausen, beim Gehen oder sogar beim Warten auf etwas.

  1. Bewusstwerden des Atems: Nimm dir einen Moment Zeit, um dich auf deinen Atem zu konzentrieren. Achte darauf, wie du atmest, ohne die Atmung zu verändern. Spüre den natürlichen Fluss des Atems.

  2. Fokussierte Atmung: Wenn dein Geist wandert, bringe sanft deine Aufmerksamkeit zurück auf deine Atmung. Konzentriere dich darauf, wie sich der Atem in deinem Körper bewegt, wie deine Brust sich hebt und senkt oder wie die Luft durch deine Nasenlöcher strömt.

  3. Ruhe in der Unmittelbarkeit des Moments: Während du dich auf deinen Atem konzentrierst, erlaube dir, im gegenwärtigen Moment zu verweilen. Lass Gedanken vorbeiziehen, ohne dich von ihnen mitreißen zu lassen. Fokussiere dich immer wieder auf den Atem, um Ruhe und Klarheit zu finden.


Diese Technik kann dazu beitragen, Stress zu reduzieren, den Geist zu beruhigen und eine Verbindung zum gegenwärtigen Moment herzustellen. Da sie flexibel in den Alltag integriert werden kann, ist sie für Anfänger:innen und erfahrene Praktizierende gleichermaßen zugänglich.



Kritik


Kritik an Achtsamkeit zielt in der Regel nicht auf die Praxis selbst ab, sondern auf ihren Einsatz und die damit verbundenen Aspekte. In der heutigen schnelllebigen Welt suchen Menschen nach Wegen, um nicht nur körperlich fitter, sondern auch produktiver und leistungsfähiger zu sein. In diesem Kontext werden Achtsamkeitstrainings nicht selten von Arbeitgebern angeboten, um Stress zu reduzieren.


Obwohl ein nachweislicher stressreduzierender Effekt bei der Anwendung von Achtsamkeit beobachtet werden kann, wird betont, dass Stressabbau nicht das primäre Ziel dieser Praxis ist. Eine subtile Verschiebung des Fokus hin zur kommerziellen Nutzung wird ebenfalls kritisiert, wobei Achtsamkeit oft als Mittel dient, um Produkte oder Dienstleistungen zu vermarkten – ein Phänomen, das sich in Slogans wie "Kaufe Produkt XY für ein achtsames Leben" widerspiegelt.


Die Kritiker:innen weisen darauf hin, dass Achtsamkeit nicht bloß als Instrument zur Steigerung der Effizienz in einer wettbewerbsintensiven Umgebung betrachtet werden sollte. Vielmehr sollte sie als Weg verstanden werden, um inneren Frieden, emotionales Wohlbefinden und Selbstverständnis zu fördern. Die Gefahr besteht darin, dass Achtsamkeit in einem kommerziellen Kontext ihre ursprüngliche Authentizität verliert und zu einem bloßen Marketingtrend wird.



Quellen

Barnow, S., & Prüßner, L. (2020). Flexible Emotionsregulation als psychologische Grundlage von Achtsamkeit und Selbstmitgefühl. In Achtsamkeit und Selbstmitgefühl (pp. 17–24). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-60318-5_3


Bishop, S. R., Lau, M., Shapiro, S., Carlson, L., Anderson, N. D., Cormody, J., …, & Devins, G. (2004). Mindfulness: A proposed operational definition. Clinical Psychology: Science and Practice, 11(3), 230–241.


Jansen, P., Seidl, F., & Richter, S. (2019). Achtsamkeit im Sport. Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-57854-4


Heschel, L. (2018). Fazit. In Deep Breath: Die neue Achtsamkeit einer beschleunigten Gesellschaft (pp. 131–134). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20980-3_8


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