
Der allgemeine Pornographiekonsum hat sich über die letzten Jahrzehnte weltweit erhöht. Der Konsum stellt die am häufigsten verwendete Quelle zur Selbstbefriedigung und der sexuellen Erregung dar. Es ist bekannt, dass Männer wesentlich häufiger pornographische Inhalte konsumieren als Frauen und dass die Geschlechter sich hinsichtlich ihrer Präferenz der gezeigten Inhalte unterscheiden. Darüber hinaus achten sie auch auf andere Körperregionen und finden unterschiedliche Stimuli anziehend. Männer achten zum Beispiel mehr auf die dargestellten Akte und Körper im Rahmen von expliziten sexuellen Fantasien, wohingegen Frauen eine gewisse Präferenz für romantische cineastische Darstellungen haben. Del Brun Re, Hilpert, Spahni und Bodenmann(2021) weisen darauf hin, dass in fMRI-Untersuchungen (bildgebendes Verfahren) gezeigt werden konnte, dass Männer in sexuellen Kontexten eine stärkere Aktivierung der Amygdala sowie des Thalamus aufwiesen als Frauen. Somit scheinen Männer generell stärker sexuell motiviert und orientiert zu sein.
Alleiniger Pornographiekonsum
In der Regel werden pornographische Inhalte alleine konsumiert. Man könnte daher das individuelle pornographische Verhalten als hedonistisch und egozentrisch klassifizieren. Hedonismus ist das Prinzip der Lust und steht bei pornographischen Inhalten an erster Stelle. Jede Person kann individuell nach ihren Bedürfnissen und Vorlieben im Internet auf pornographische Inhalte zugreifen. Da auf den meisten Plattformen keine Altersüberprüfung stattfindet, ist es nicht verwunderlich, dass auch pubertierende Jugendliche schon im frühen Alter Zugriff auf solche Inhalte haben können, wenn sie wollen. Neben dem alleinigen Konsum berichten aber auch Paare im Kontext ihres partnerschaftlichen Sexuallebens über den gemeinsamen Konsum von pornographischen Inhalten. Mehr dazu im nächsten Abschnitt. Zunächst widmen wir uns dem alleinigen Konsum in der Partnerschaft.
Del Brun Re, Hilpert, Spahni und Bodenmann(2021) untersuchten in ihrer Studie den Pornographiekonsum in der Partnerschaft. Dazu rekrutierten sie insgesamt 1.091 in der Schweiz lebende Studienteilnehmende. Von diesen waren 41 % Frauen und 59 % Männer. Die Teilnehmenden wiesen im Mittel eine Beziehungsdauer von 10 Jahren auf.
Sie fanden heraus, dass insgesamt 79 % der Teilnehmenden in den letzten 12 Monaten mindestens einmal alleine Pornographie konsumiert hatten. Davon lag der Anteil der Frauen bei 57 % und der Männer bei 93 %. Männer konsumieren signifikant häufiger und regelmäßiger alleine als Frauen.
Im Kontext der Partnerschaft gaben beispielsweise signifikant mehr Männer als Frauen an, pornographische Inhalte anzuschauen: „als Ergänzung zu der gemeinsamen Sexualität, die mir zu selten stattfindet“ oder „um Dinge zu sehen, die ich mir wünschte, meine Partnerin bzw. Partner aber nicht will“. Geschlechtsunabhängig waren die zwei stärksten Gründe für den alleinigen Konsum: „zur Masturbation“ und „aus Lust“. Die zwei folgenden Einstellungen zum eigenen Pornographiekonsum erhielten von den Teilnehmenden geschlechtsunabhängig die höchste Zustimmung: „finde ich das ein gutes Mittel zur Masturbation“ und „finde ich das völlig in Ordnung“.
Signifikant mehr Männer (42 %) als Frauen (35 %) haben die Vermutung, dass ihre Partnerin beziehungsweise ihr Partner um den alleinigen Konsum Bescheid weiß. Signifikant mehr Frauen als Männer haben kein Problem damit, wenn ihre Partnerin oder ihr Partner von ihrem Pornographiekonsum Bescheid wüsste. Frauen äußern aber trotzdem häufiger als Männer, dass sie sich zum Beispiel durch den alleinigen Konsum ihres Partners betrogen fühlen, er oder sie weniger Lust auf sie haben könnte oder es sie eifersüchtig macht. Daher ist es nicht verwunderlich, dass einige Männer unter ihrem Konsum und unter einem schlechten Gewissen gegenüber ihrer Partnerin oder ihrem Partner leiden. Männer gaben eine positivere Einschätzung bezüglich des Pornographiekonsumes ihrer Partnerin oder ihres Partners an als umgekehrt.
Insgesamt scheint es auf die individuelle Partnerschaftskonstellation anzukommen, ob der alleinige Konsum von pornographischen Inhalten vom jeweiligen Partner beziehungsweise Partnerin akzeptiert wird. In einer Partnerschaft gibt es zwei Möglichkeiten des Konsums: alleine oder mit dem Partner. Die erste haben wir in diesem Abschnitt behandelt. Wie aber sieht es aus, wenn beide Partner zusammen pornographische Inhalte konsumieren?
Gemeinsamer Pornographiekonsum
Der gemeinsame Pornographiekonsum dient häufig dem Ziel der Erweiterung des Sexuallebens. Das bedeutet, dass die Masturbation nicht unbedingt im Vordergrund stehen muss. Vielmehr weisen Del Brun Re, Hilpert und Bodenmann(2021) darauf hin, dass Paare den gemeinsamen Konsum als eine Art des Vorspieles nutzen, aber auch um Ideen zu sammeln. Der gemeinsame Konsum bietet damit die Chance über individuelle Bedürfnisse zu reden.
Del Brun Re, Hilpert und Bodenmann(2021) untersuchten in ihrer Studie anhand von 1.091 in einer Partnerschaft lebenden Personen, den Zusammenhang des gemeinsamen Pornographiekonsumes.
Die Autoren konnten mit ihren Befunden zeigen, dass es signifikante Differenzen zwischen dem alleinigen und partnerschaftlichen Konsum gab. Die Paare, die zusammen konsumierten, zeigten geschlechtsunabhängig eine signifikant bessere sexuelle Kommunikation. Zusätzlich sind sie auch signifikant sexuell zufriedener. Die Autoren schlussfolgerten anhand dieser Ergebnisse, dass der gemeinsame Konsum die sexuellen Bedürfnisse zwischen den Partnern in der Kommunikation angleichen könnte. Eine gelungene Kommunikation, beispielsweise über sexuelle Bedürfnisse, geht in der Regel mit einer sexuellen Offenheit einher, die ihrerseits die Kommunikation fördert. Jedoch gab es keine Belege für eine höhere allgemeine Partnerschaftszufriedenheit zwischen Personen die alleine oder Paare die gemeinsam pornographische Inhalte konsumieren. Auch konnte kein Unterschied bezüglich des Einflusses der sexuellen Kommunikation auf die Partnerschaftszufriedenheit gefunden werden.
Bőthe et al. (2022) konnten dagegen in ihrer Erhebung nachweisen, dass lediglich ein höherer partnerschaftlicher Pornographiekonsum bei Frauen mit einer signifikant besseren sexuellen Funktion sowie geringer sexueller Belastung assoziiert war. Die Häufigkeit spielte bei Männern dagegen keine Rolle im Hinblick auf ihr sexuelles Wohlbefinden oder dem ihrer Partnerin oder ihres Partners.
Kohut et al. (2021) argumentieren, dass mögliche negative Effekte eines Pornographiekonsumes in der Partnerschaft eher auf ein ungleiches Konsumverhalten zurückzuführen ist, als auf die pornographischen Inhalte. Die Autoren konnten jedoch ebenfalls über mehrere Stichproben hinweg feststellen, dass ein gemeinsamer Pornographiekonsum geschlechtsunabhängig mit einer höheren Beziehungs- sowie Sexualzufriedenheit einherging.
Langfristiger Pornographiekonsum
Es gibt im Vergleich zu Querschnittserhebungen (nur ein Messzeitpunkt) nur wenige Autoren die auch längsschnittliche Untersuchungen (mehrere Messzeitpunkte) zu dieser Thematik durchführten.
Huntington et al. (2021) erfassten durch eine nationale Zufallsstichprobe insgesamt 1.234 Probanden, die sich zu Beginn der Studie in einer mindestens zwei Monate langen, unverheirateten Beziehung befanden. Es handelte sich ausschließlich um heterosexuelle Teilnehmende. Diese nahmen über einen Zeitraum von insgesamt 20 Monaten an fünf Befragungswellen teil.
Bei den Männern zeigten die Ergebnisse, dass je mehr pornographische Inhalte im Laufe der Zeit alleine konsumiert wurden, desto schlechter sich die emotionale Intimität, Engagement sowie Anpassung in der Beziehung entwickelte. Interessanterweise zeigten Frauen ein umgekehrtes Muster. Bei alleinigem Konsum berichteten sie über eine höhere Beziehungsqualität. Für beide Geschlechter zeigte sich jedoch, dass ein gesteigerter alleiniger Konsum eine Reduktion der sexuellen Intimität verursachte.
Ein Aspekt der in den zuvor dargestellten Studien nicht untersucht wurde, ist die psychologische Aggression, die durch den Konsum von pornographischen Inhalten entstehen kann. Es stellte sich heraus, dass geschlechtsunabhängig sowohl der alleinige als auch der gemeinsame Konsum mit einer höheren psychologischen Aggression zwischen den Partnern einherging. Huntington et al. (2021) nehmen in diesem Zusammenhang an, dass Personen die pornographische Inhalte konsumieren, Aspekte der Kommunikation und Verhaltensweise verinnerlichen und mit in die eigene Beziehung einbringen.
Wie sieht es nun mit Paaren aus die auch oder nur gemeinsam konsumieren? Die Längsschnittsstudie von Huntington et al. (2021) konnte zeigen, dass die Teilnehmenden insgesamt über mehr Intimität berichteten und dass eine Zunahme des Konsums im Laufe der Zeit mit einer Steigerung der sexuellen Intimität verbunden ist.
Fazit
Insgesamt wird deutlich, dass die Forschung zum alleinigen Konsum in einer Paarbeziehung mit mehr negativen Folgen besonders für Männer einhergeht. Diese Ergebnisse sind aber nicht immer einheitlich. Es lassen sich oft Geschlechtsunterschiede feststellen.
Dagegen zeigte sich aber überwiegend, dass der gemeinsame Konsum sowohl für Männer als auch für Frauen mit beziehungs- und sexuell förderlichen Aspekten assoziiert war. Zum Beispiel bietet sich der gemeinsame Konsum als eine Art des Vorspieles an. Er kann aber auch dazu dienen, die Partnerin oder den Partner in Kontakt mit eigenen individuellen Vorlieben zu bringen und somit zu einem ‚Türöffner‘ für intime Gespräche werden.
Folglich ist der Pornographiekonsum in einer Partnerschaft nicht per se negativ zu bewerten. Es kommt vielmehr darauf an, offen und kompromissbereit mit der Partnerin oder dem Partner in einen Diskurs zu treten, auch bezüglich des alleinigen Konsums.
Quellen
Bőthe, B., Vaillancourt-Morel, M.‑P. & Bergeron, S. (2022). Associations Between Pornography Use Frequency, Pornography Use Motivations, and Sexual Wellbeing in Couples. Journal of sex research, 59(4), 457–471. https://doi.org/10.1080/00224499.2021.1893261
Del Brun Re, U., Hilpert, P. & Bodenmann, G. (2021). Gemeinsamer Pornographiekonsum steht in positivem Zusammenhang mit sexueller Kommunikation. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 50(2), 68–77. https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000625
Del Brun Re, U., Hilpert, P., Spahni, S. & Bodenmann, G. (2021). Pornographiekonsum in der Partnerschaft. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 50(1), 10–20. https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000611
Huntington, C., Markman, H. & Rhoades, G. (2021). Watching Pornography Alone or Together: Longitudinal Associations With Romantic Relationship Quality. Journal of Sex & Marital Therapy, 47(2), 130–146. https://doi.org/10.1080/0092623X.2020.1835760
Kohut, T., Dobson, K. A., Balzarini, R. N., Rogge, R. D., Shaw, A. M., McNulty, J. K., Russell, V. M., Fisher, W. A. & Campbell, L. (2021). But What's Your Partner Up to? Associations Between Relationship Quality and Pornography Use Depend on Contextual Patterns of Use Within the Couple. Frontiers in Psychology, 12, 661347. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.661347