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Wenn Kontrolle zur Belastung wird: Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung

  • Sina
  • 6. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit
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„Ich will doch nur, dass alles richtig ist.“


Dieser Gedanke kann Folgen haben. Vor allem dann, wenn er das Leben bestimmt. Wenn Planung wichtiger wird als Spontanität, wenn Perfektion alles andere verdrängt. Vielleicht kommt Dir das bekannt vor, bei Dir selbst oder bei jemandem in Deiner Nähe. Dann lohnt sich ein genauerer Blick auf ein oft übersehenes Thema: die zwanghafte Persönlichkeitsstörung, auch bekannt als OCPD (Obsessive-Compulsive Personality Disorder).



Was ist eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung?

Menschen mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung haben ein starkes Bedürfnis nach Ordnung, Perfektion und Kontrolle. Sie sind oft sehr gewissenhaft, zuverlässig und gleichzeitig unfassbar streng mit sich selbst (und manchmal auch mit anderen). Klingt erstmal gar nicht so schlecht? Stimmt – bis diese Eigenschaften so dominant werden, dass sie Beziehungen belasten, beruflich blockieren oder das Leben eng machen.


Typische Merkmale sind:

  • Der Drang, alles zu organisieren und zu planen (oft bis ins kleinste Detail).

  • Ein Perfektionismus, der eher lähmt als beflügelt.

  • Schwierigkeiten, Dinge zu delegieren, weil andere es „nicht richtig“ machen.

  • Übermäßiges Pflichtgefühl: Freizeit, Freunde, Entspannung? Fehlanzeige.

  • Starrheit in moralischen oder persönlichen Überzeugungen.

  • Schwierigkeiten Dinge loszulassen.

  • Schwierigkeiten mit Planänderungen.

  • Angst vor Kontrollverlust.


Was die zwanghafte Persönlichkeitsstörung besonders tricky macht: Betroffene empfinden ihr Verhalten oft gar nicht als störend. Es fühlt sich für sie „richtig“ an, auch wenn das Umfeld leidet.


Wichtig: Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung ist nicht das gleiche wie eine Zwangsstörung (OCD). Bei einer Zwangsstörung erkennen die Betroffenen ihre Zwänge als belastend und sinnlos, bei der zwanghaften Persönlichkeitsstörung wirken sie eher wie Prinzipien oder Überzeugungen.


Es handelt sich um eine der häufigsten Persönlichkeitsstörungen mit einer Prävalenz zwischen 1,9 % und 7,8%.


Ursachen

Wie bei vielen psychischen Störungen gibt es nicht die eine Ursache, sondern ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren:


  • Genetik: Studien zeigen, dass OCPD teils vererbbar ist, auch wenn noch viele Fragen offen sind.

  • Kindheit & Erziehung: Strenge, kontrollierende Erziehungsstile oder ein Mangel an emotionaler Wärme können die Entwicklung einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung fördern.

  • Persönlichkeitsmerkmale: Menschen mit einer Tendenz zu hoher Selbstdisziplin und Angstvermeidung sind möglicherweise anfälliger.


Es ist also keine „Charakterschwäche“, sondern eine tief verwurzelte Struktur, die oft schon früh im Leben entsteht.


Wie fühlt sich das für Betroffene und Angehörige an?

Für Betroffene kann das Leben mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung anstrengend und einsam sein, ohne dass sie den Grund dafür erkennen. Alles muss „richtig“ sein, Fehler sind unerträglich, Entscheidungen eine Qual. Gleichzeitig fühlen sie sich oft unverstanden, weil andere ihre hohen Ansprüche nicht teilen oder einhalten.


Für Angehörige ist das ebenso herausfordernd: Diskussionen über Kleinigkeiten, emotionale Distanz, ständiger Druck, alles „richtig“ machen zu müssen. Oft bleiben Nähe, Humor oder Leichtigkeit auf der Strecke.


Was kannst Du als Betroffener oder Angehöriger tun?

Wenn Du Dich in der Beschreibung wiedererkennst, ist das kein Urteil, sondern eine Einladung zur Veränderung. Perfektionismus ist nicht falsch, aber er darf nicht Dein ganzes Leben bestimmen. (Exkurs: Hier findest Du noch mehr zum Thema Perfektionismus: https://www.psytastic.de/post/perfektionismus-wenn-der-innere-antreiber-krank-macht )


Für Betroffene:

  • Übe Dich in Selbstmitgefühl: Du musst nicht perfekt sein, um wertvoll zu sein.

  • Erlaube Dir Fehler und sieh sie als Lernchance.

  • Probiere bewusst neue Verhaltensmuster aus: mal einen Plan nicht einhalten, Hilfe annehmen, dich nicht um jedes Detail kümmern.

  • Hole dir therapeutische Hilfe. Diese Persönlichkeitsstörung ist eine der am häufigsten auftretenden, Du bist also nicht alleine.


Für Angehörige:

  • Hab Geduld, auch wenn’s manchmal schwerfällt.

  • Gib ehrliches, respektvolles Feedback, ohne Vorwürfe.

  • Setze auch eigene Grenzen. Du bist nicht verantwortlich für alle


Fazit

Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung ist mehr als nur ein „Hang zum Perfektionismus“. Sie kann das Leben einschränken, Beziehungen erschweren und das innere Erleben belasten. Aber: Veränderung ist möglich. Mit Verständnis, Selbstreflexion und therapeutischer Begleitung lassen sich alte Muster durchbrechen, hin zu mehr Freiheit, Leichtigkeit und Verbindung.


Quellen

Pinto, A., Teller, J., & Wheaton, M. G. (2022). Obsessive-Compulsive Personality Disorder: A Review of Symptomatology, Impact on Functioning, and Treatment. Focus (American Psychiatric Publishing), 20(4), 389–396.

Sachse, R., Kiszkenow-Bäker, S. (2016). Zwanghafte Persönlichkeitsstörung. In: Schnell, T. (eds) Praxisbuch: Moderne Psychotherapie. Springer, Berlin, Heidelberg.

Bildquelle: https://pixabay.com/de/illustrations/karikatur-malen-fantasie-phantasie-5123452/


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