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Türchen 4 – Die Psychologie des Schenkens: Warum wir Geschenke machen und empfangen



Schenken ist eine der ältesten und tiefsten sozialen Praktiken, die Menschen weltweit miteinander teilen. Es geht weit über den reinen Austausch von materiellen Gütern hinaus und hat tiefgreifende psychologische, soziale und emotionale Auswirkungen auf beide Parteien – sowohl den Schenkenden als auch den Empfänger. Doch was steckt hinter dieser universellen menschlichen Handlung? Warum schenken wir? Was erleben wir, wenn wir beschenkt werden? Und welche Art von Geschenken hinterlassen einen bleibenden Eindruck? In diesem Artikel tauchen wir in die Psychologie des Schenkens ein.


 

Die Bedeutung von Geschenken in der Psychologie

Geschenke spielen in unserer Gesellschaft eine entscheidende Rolle. Sie dienen nicht nur dazu, Freude zu bereiten, sondern auch als ein Mittel, soziale Bindungen zu festigen und Zugehörigkeit zu signalisieren. Laut psychologischen Studien wie der von Falk et al. (2008) wird das Geben von Geschenken häufig durch den Wunsch motiviert, dem Empfänger zu gefallen und eine positive soziale Beziehung zu pflegen. Menschen verschenken nicht nur, weil sie eine positive Reaktion erwarten, sondern auch, weil sie sich durch den Akt des Gebens selbst besser fühlen. Der Austausch von Geschenken ist ein soziales Ritual, das Verbindungen stärkt und uns das Gefühl gibt, Teil einer Gemeinschaft zu sein.


Schenken vs. Beschenkt werden: Der Wechselspiel der Gefühle

Das Geben und Empfangen von Geschenken ist ein komplexer Prozess, der sowohl soziale als auch emotionale Mechanismen aktiviert. Eine Studie von Camerer et al. (2003) zeigt, dass sowohl das Geben als auch das Empfangen von Geschenken das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert. Es wird nicht nur Freude beim Empfänger erzeugt, sondern auch der Schenkende erfährt eine Art „Belohnung“, die mit einem positiven Gefühl von sozialer Anerkennung verbunden ist.


  • Der Schenkende: Das Geben eines Geschenks kann das Selbstwertgefühl und die Zufriedenheit steigern. Es gibt dem Schenkenden ein Gefühl der Kontrolle und das Wissen, dass er etwas Positives für einen anderen Menschen tut. Zudem fördert der Akt des Gebens die Erwartung, dass auch man selbst Unterstützung und Zuneigung erhält, was die sozialen Bindungen weiter stärkt.


  • Der Empfänger: Auf der anderen Seite kann der Empfänger das Geschenk als Ausdruck von Zuneigung und Aufmerksamkeit wahrnehmen. Studien haben gezeigt, dass das Empfangen eines Geschenks mit einer erhöhten Ausschüttung von „Glückshormonen“ wie Dopamin und Oxytocin verbunden ist, was das Gefühl von Nähe und Verbundenheit verstärkt.


Erlebnisse vs. Materielle Geschenke: Was bleibt länger in Erinnerung?

Die Frage, ob materielle Geschenke oder Erlebnisse eine größere Bedeutung haben, wird in der Psychologie zunehmend erforscht. Während materielle Geschenke unmittelbar Freude bereiten, zeigen viele Studien, dass Erlebnisse und gemeinsame Aktivitäten oft eine tiefere, langfristigere Wirkung auf das Wohlbefinden haben.


  • Erlebnisse als Geschenke: Ein gemeinsames Erlebnis wie ein Konzert, ein Wochenendausflug oder ein besonderer Abend kann die emotionale Verbindung zwischen den Menschen stärken. Psychologen argumentieren, dass Erlebnisse nicht nur unsere Erinnerungen bereichern, sondern auch unsere sozialen Bindungen vertiefen. Laut einer Studie von Gilovich et al. (2014) bleibt das gemeinsame Erleben von Aktivitäten oft länger in Erinnerung als der Besitz eines materiellen Geschenks. Dies liegt daran, dass Erlebnisse mit positiven Emotionen und persönlichen Geschichten verbunden sind, die den sozialen Austausch fördern.


  • Materielle Geschenke: Trotz der zunehmenden Beliebtheit von Erlebnissen als Geschenke, sind materielle Geschenke nach wie vor eine der häufigsten Formen des Schenkens. Sie bieten eine unmittelbare Freude, die durch den Besitz eines Objekts entsteht. Laut Falk et al. (2008) können materielle Geschenke allerdings oft nur eine kurzfristige Freude bereiten, wenn sie nicht mit bedeutungsvollen Erinnerungen oder Erfahrungen verbunden sind.


Selbstgemachte Geschenke: Die besondere Bedeutung der Fürsorge

Selbstgemachte Geschenke, die persönliche Zeit und Mühe widerspiegeln, haben in der Psychologie eine besondere Bedeutung. Sie sind nicht nur einzigartig, sondern zeigen dem Empfänger, dass der Schenkende sich wirklich um ihn kümmert und bereit ist, Zeit und Energie in den Akt des Schenkens zu investieren. Eine Studie von Van Boven & Gilovich (2003) zeigt, dass Menschen, die selbstgemachte Geschenke erhalten, diese oft als wertvoller empfinden, weil sie die Intention hinter dem Geschenk schätzen – die Fürsorge und Aufmerksamkeit, die darin stecken. Es wird argumentiert, dass der Akt des Gebens von Handgemachtem zu einer stärkeren emotionalen Bindung führen kann, da das Geschenk ein Stück der Persönlichkeit und des Engagements des Schenkenden darstellt.


Psychologische Theorien des Schenkens

Mehrere psychologische Theorien helfen, die Komplexität des Schenkens zu erklären. Eine der bekanntesten ist die Theorie der sozialen Bindung von Bowlby (1969), die nahelegt, dass Geschenke als ein Werkzeug zur Schaffung und Aufrechterhaltung sozialer Bindungen fungieren. Diese Theorie stützt sich auf die Idee, dass soziale Nähe und Interdependenz durch Gesten wie das Schenken gestärkt werden, was das Überleben und das Wohlbefinden fördert.


Eine weitere Theorie ist die Gegenseitigkeitstheorie, die darauf hinweist, dass Geschenke auch eine Form des „Gegengeschenks“ darstellen – der Schenkende erwartet nicht immer etwas im direkten Austausch, aber das Geben kann langfristig zu einer Balance in sozialen Beziehungen führen. Dies führt zu einer kontinuierlichen Schaffung von sozialen und emotionalen Bindungen, die für das Wohlbefinden der Individuen von Bedeutung sind.


Fazit: Was macht ein gutes Geschenk aus?

Was macht nun ein wirklich gutes Geschenk aus? Es ist nicht nur der Wert oder die Größe des Geschenks, sondern die Bedeutung, die es für den Empfänger hat. Ein gutes Geschenk ist eines, das sowohl den Schenkenden als auch den Empfänger glücklich macht, das sozial bindet und positive Emotionen fördert. Erlebnisse, die gemeinsame Erinnerungen schaffen, oder selbstgemachte Geschenke, die echte Fürsorge zeigen, hinterlassen oft eine tiefere Wirkung als materielle Güter. Es geht letztlich darum, den anderen wertzuschätzen, sei es durch die Aufmerksamkeit beim Schenken oder durch das Geschenk selbst.


Schlussgedanken

Schenken ist ein vielschichtiger Akt, der tiefe psychologische Prozesse in Gang setzt. Es geht nicht nur um das physische Objekt, das überreicht wird, sondern um die damit verbundenen Emotionen, sozialen Bindungen und die Möglichkeit, Zugehörigkeit und Zuneigung auszudrücken. Ob durch materielle Geschenke, selbstgemachte Präsente oder Erlebnisse – jedes Geschenk trägt dazu bei, die sozialen Netzwerke und das emotionale Wohlbefinden zu stärken.


Quellen

Falk, E. B., et al. (2008). "Neuroimaging the Psychology of Giving." Science, 321(5894), 537-539.

Gilovich, T., et al. (2014). "Experiential Purchases and the Happiness of Consumption." Psychological Science, 25(8), 1473–1481.

Van Boven, L., & Gilovich, T. (2003). "To Do or To Have? That Is the Question." Journal of Personality and Social Psychology, 85(6), 1193-1202.

Camerer, C. F., et al. (2003). "Neuroeconomics: Why Economics Needs Brains." Science, 300(5626), 1697-1702.

Bowlby, J. (1969). Attachment and Loss: Volume I. Attachment. New York: Basic Books.

Bildquelle: Foto von cottonbro studio https://www.pexels.com/de-de/foto/mann-urlaub-liebe-love-6139367/

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