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Wie man sich entscheidet
Du und ich, wir alle treffen über 20.000 Entscheidungen täglich. An viele Entscheidungen, die ich gestern getroffen habe, kann ich mich jetzt schon nicht mehr erinnern. Dich kann ich danach auch nicht fragen, weil ich täglich meine ganz eigenen Entscheidungen treffe, mir eigene Gedanken mache und meinen eigenen Gefühlen ausgesetzt bin. Genau wie du.
Wie und welche Entscheidungen wir treffen ist manchmal rein intuitiv, wie viele sagen “aus einem Bauchgefühl heraus”. Bauchgefühl-Entscheidungen haben einen guten Ruf: “Wenn du nicht weiter weißt, dann hör einfach auf dein Bauchgefühl”. Häufig ist das auch der richtige Weg, wie eine Studie zeigt: 85 erfahrenen Handballspielern wurden Szenen aus professionellen Spielen präsentiert. Einmal sollten sie spontan – aus einem Bauchgefühl heraus – entscheiden, welchen Spielzug sie machen. Und einmal hatten sie Gelegenheit für eine genaue Analyse und 45 Sekunden Überlegungszeit. Es zeigte sich: Erstere, Bauchgefühl-Entscheidungen waren weitaus besser [1]. Also, immer aus dem Bauchgefühl heraus entscheiden, oder? Lieber nicht.
Die Crux mit der Sicherheit
Entscheidend ist bei der Studie: Die intuitive Entscheidung basierte auf jahrelanger Erfahrung, auf der Kompetenz der Entscheider. Manchmal werden Bauchgefühl-Entscheidungen aber auch – ob bewusst oder unbewusst – aus Angst getroffen. Angst vor einer bestimmten Vorstellung oder nur Angst vor einem Gefühl. Ohne jahrelange Erfahrung oder tatsächliche Kompetenz. Hier ein Beispiel: Eine logische Schlussfolgerung aus der Angst, Opfer eines Fahrradunfalls zu werden, ist das Tragen eines Schutzhelmes.
Unser Bauchgefühl sagt uns erstmal deutlich, “jetzt fahren wir viel sicherer”. Wir fühlen uns besser. Aber wie ist die Faktenlage: Fährt man auch sicherer? Um es geradeheraus zu sagen: Nicht unbedingt. Denn Schutzausrüstungen führen zu einer erhöhten Risikobereitschaft [2]. Warum das denn jetzt bitte?
Gefährlicher Bauch?
Durch das schützende Gefühl auf unserem Kopf fahren wir eher leichtsinniger, probieren Moves und Fahrmanöver aus, an die wir vorher noch nie gedacht haben [3]. Der gegenteilige Effekt also, ausgelöst aus einer Entscheidung, die intuitiv war. Die Angst führt zu einer potenziell gefährlichen, unbewussten Konsequenz. Im Falle des Fahrradhelms ist diese Konsequenz nur geringfügig gefährlich und es lässt sich klar sagen: Prinzipiell ist sie richtig – tragt also einen Fahrradhelm, es ist am Ende trotzdem sicherer (mehr Infos siehe Fußnote [4])!
Gehen wir aber mal einen Schritt weiter. Intuitive und sogenannte Bauchgefühl-Entscheidungen werden bei uns auch bei weitaus angstauslösenderen Ereignissen getroffen. So können auch Anschläge und Terror irrationale psychologische Folgen nach sich ziehen, die in die falsche Richtung schlagen können.
9/11 und der Straßenverkehr
Nach den Anschlägen vom 11. September hatten viele Amerikaner Angst vor dem Fliegen. Stattdessen nutzten sie den Autoverkehr und wollten alles vermeiden, was mit den Anschlägen in Verbindung stand. Ein Flugticket zu buchen kam also für viele erstmal nicht in Frage. Dadurch, dass nun viel mehr Amerikaner ihr Auto nutzten, kam es zu einem anderen Problem. Es gab viel mehr Opfer im Straßenverkehr als in den Jahren davor. Wissenschaftler haben berechnet, dass etwa 1500 Amerikaner zusätzlich zu den normalen Verkehrstoten starben [5]. Am 11. September starben 3000 Personen. Mit den Verkehrstoten danach führte der Terroranschlag also zu insgesamt 4500 Toten – aufgrund einer Bauchgefühl-Entscheidung.
Wie uns die Angst zu falschen Entscheidungen drängt
Die Angst der Menschen ist natürlich völlig verständlich – aber gleichzeitig übersteigert. Warum? Eine zentrale Rolle spielen hierbei die Medien. Sie führen zu einer verzerrten, falschen Wahrnehmung der Realität: Jeden Tag die gleichen Bilder von abstürzenden Flugzeugen zu zeigen, erweckt in uns den Eindruck (ob bewusst oder unbewusst): Anscheinend stürzt jedes Flugzeug ab (siehe Fußnote zu “Verfügbarkeitsheuristik”[6]).
Vor diesem Hintergrund lässt sich feststellen: Hier hatte die Angst zweifellos eine (unbewusste) gefährliche – um nicht zu sagen tödliche – Konsequenz. Es wurde eine falsche – bzw. irrationale – Bauchgefühl-Entscheidung getroffen. Denn tatsächlich ist Fliegen deutlich sicherer als Autofahren (mehr dazu siehe Fußnote [7]).
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Jetzt kommt es aber noch besser/schlimmer. Nach den Anschlägen nahm nicht nur der Straßenverkehr zu, sondern auch die Hassverbrechen gegen Muslime. Von 2000 bis 2001 stiegen sie von 33 auf 546 Verbrechen pro Jahr [8]. Gerechtfertigt?
Alles auf Risiko?
Die klare Antwort lautet: Nein! Sich von seinen Gefühlen leiten zu lassen, war wieder die falsche Entscheidung. Laut den Fakten, also den Statistiken in der Tabelle, sind das größte Problem der USA nicht die Terroristen – es sind ihre Rasenmäher und ihre Betten. Krass formuliert, hier noch deutlicher: Das größte Problem sind Sie selbst! Viel eher als durch Terrorismus stirbt man, weil man durch andere Amerikaner erschossen wird.
Was wir als Risiko wahrnehmen, muss also nicht immer ein Risiko sein! Terrorlagen gibt es heute noch, zunächst ist da auch kein Ende in Sicht. Trump hat entschieden, keine Menschen mehr aus islamisch geprägten Ländern einreisen zu lassen. Er nutzt damit die – verhältnismäßig völlig unberechtigte – Angst der Bevölkerung vor Terror aus. Eine Angst, die eher den Rasenmähern und Betten gelten sollte. Quasi.
Was nützt dir das?
Ein psychologisches Bewusstsein hilft uns Entscheidungen aus einer weiteren Perspektive betrachten zu können und uns – vielleicht – auch mal bremsen zu können. Ihr wisst nun, wann man vorsichtig bei Bauchgefühl-Entscheidungen sein sollte. Dadurch habt ihr jetzt der stärksten Waffe von Terroristen – dem Erzeugen von Angst – etwas entgegen zu setzen!
Man darf nicht vergessen: Wir versuchen gerade die Macht der Gefühle (nämlich Angst) mit den Werkzeugen der Logik zu bekämpfen. Dass das schwierig ist, steht außer Frage. Aber wir haben euch hoffentlich gerade verständlich zeigen können, dass es im weitesten Sinne Leben retten kann.
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