Histrionische Persönlichkeitsstörung – wenn das Leben zur Bühne wird
- Céline
- 24. Sept.
- 5 Min. Lesezeit

Der Begriff Histrionisch stammt vom lateinischen Wort “histrio“ und bedeutet so viel, wie Schauspieler. Histrionische Verhaltensweisen lassen sich jedoch bis in die Zeit der griechischen Antike und des alten Roms zurückverfolgen. Schon damals wurden Verhaltensweisen wie übertriebene Theatralik beobachtet und dokumentiert. Personen wurden damals jedoch als hysterisch bezeichnet. Der Begriff leitet sich von dem Wort “Hystera“ ab, was aus dem Griechischen übersetzt Gebärmutter bedeutet. Der Begriff basierte damals auf der der Grundlage, dass man glaubte, dass diese Verhaltensweisen ausschließlich bei Frauen auftreten und durch diverse Störungen in der Gebärmutter verursacht wird. Auch zu Zeiten Sigmund Freuds wurde die Hysterie, welche mit psychischen(seelischen) und somatischen(körperlichen) Symptomen einhergeht – vor allem Frauen zugeordnet.
Das Wort histrionisch ersetzt heutzutage das Wort hysterisch und wurde in der Fachsprache neu gebildet, da der Begriff Hysterisch als stigmatisiert und veraltet wahrgenommen wird. Mit einer Häufigkeit in der Gesamtbevölkerung von etwa 2% ist die histrionische PS weniger verbreitet als andere Persönlichkeitsstörungen. Weibliche und männliche Personen sind dabei in gleichem Maße betroffen. Es gibt jedoch Belege dafür, dass männliche Personen trotz ähnlicher Symptomatik seltener mit der histrionischen PS diagnostiziert werden. Das bedeutet, dass männliche Personen möglicherweise unterdiagnostiziert sein könnten.
Eine Studie mit Fallbeispielen konnte belegen, dass das Geschlecht dabei ein entscheidender Faktor sein kann. Dort wurden den Diagnostikern Fallbeispiele zur Diagnose (anhand des DSM V) präsentiert. In den Fallbeispielen wurde ausschließlich das Geschlecht verändert. Dennoch erhielten weibliche Personen häufiger die Diagnose histrionische PS als männliche Personen. Wie die meisten Persönlichkeitsstörungen tritt die histrionische PS häufig im jungen Erwachsenenalter auf. Erste Hinweise können zwar schon in der Jugend erkennbar sein, doch die entsprechenden Verhaltensmuster bilden sich in der Regel erst im Erwachsenenalter dauerhaft aus.
Emotionale Merkmale
Personen mit histrionischer Persönlichkeitsstörung wirken sehr emotional und reagieren häufig spontan sowie wechselhaft. Sie neigen dazu, sich sowohl in positive als auch in negative Gefühle stark hineinzusteigern. Ihre Sprache kann dabei dramatisch und theatralisch wirken. Zwar äußern sie ihre Meinung meist sehr bestimmt, doch die Inhalte sind nicht immer faktenbasiert oder sachlich begründet. Trotz ihrer nach außen gerichteter Emotionalität empfinden viele Betroffene innerlich ein Gefühl von Einsamkeit oder Leere. Auch das Selbstwertgefühl kann instabil oder beeinträchtigt sein.
Auftreten
Im Mittelpunkt ihres Handelns steht häufig das Gegenüber. Die Kontaktaufnahme fällt Betroffenen meist leicht, da sie eine „mitreißende“ und oft verführerische oder provokative Art zeigen. Dabei wirken weibliche Betroffene häufig kindlich-verführerisch und eher unterwürfig, während männliche Betroffene selbstbewusst, stark und machohaft auftreten – was klassischen Geschlechterstereotypen entspricht. Diesen Anspruch an ihre Wirkung und Außenwirkung zeigen sie in allen sozialen Situationen (z. B. bei der Arbeit) – nicht nur in romantischen Beziehungen oder gegenüber potenziellen Partner:innen. Zu dieser Wirkung gehört ebenfalls ein passendes äußeres Erscheinungsbild, auf das beide Geschlechter großen Wert legen.
Um ihre Ziele – wie zum Beispiel Aufmerksamkeit oder Zuwendung von anderen – zu erreichen, zeigen Betroffene oft eine hohe Sensibilität für soziale Situationen. Sie analysieren ihr Gegenüber und passen ihr Verhalten entsprechend an oder versuchen, die Situation zu beeinflussen. Häufig zielen diese Verhaltensweisen darauf ab, eine sofortige Bedürfnisbefriedigung zu erreichen, da Situationen mit verzögerter Befriedigung schnell als unangenehm oder frustrierend empfunden werden.
Aufmerksamkeit und Anpassung
Für Menschen mit histrionischer Persönlichkeitsstörung spielt es eine zentrale Rolle, im Mittelpunkt zu stehen und die Aufmerksamkeit anderer zu erhalten. Bleibt diese Aufmerksamkeit aus, kann das als belastend oder sogar bedrohlich erlebt werden; Betroffene fühlen sich in solchen Situationen oftmals hilflos oder ausgegrenzt. Besonders in größeren Gruppen oder sozialen Situationen kann das zu sehr starken Reaktionen führen: um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken, wird manchmal zu drastischen oder schockierenden Verhaltensweisen gegriffen, die im Einzelfall auch gefährlich wirken können.
Dazu gehört auch das Übertreiben oder Erfinden von extremen Geschichten. Dies kann dazu führen, dass die betreffende Person von anderen als unglaubwürdig wahrgenommen wird. In Situationen fehlender Aufmerksamkeit können aber auch andere Symptome wie zum Beispiel Depressivität entstehen. Betroffene werden ebenfalls leicht durch andere Personen, Ereignisse oder auch aktuelle “Trends“ beeinflusst. Besonders Personen mit autoritärem Auftreten erscheinen ihnen häufig als vertrauenswürdig, da sie denken, dass diese in der Lage sind, ihre Probleme zu lösen. Auch Beziehungen erscheinen Betroffenen häufig inniger, als sie von der Umwelt wahrgenommen werden. Durch die Tatsache, dass sich Personen mit histrionischer PS häufig langweilen und an und ein Bedürfnis nach Neuem haben, sind auch der Wechsel/Austausch von Freund:innen und dem Arbeitsplatz keine Seltenheit.
Diagnostik, Therapie und Unterscheidungen
Personen mit histrionischer Persönlichkeitsstörung suchen in der Regel nicht vorrangig aufgrund ihrer Persönlichkeitsproblematik therapeutische Unterstützung oder diagnostische Abklärung. Die Betroffenen sehen ihre charakteristischen Verhaltensmuster häufig als Teil ihrer Persönlichkeit, sodass kein direkter Leidensdruck empfunden wird. Erst wenn diese Verhaltensstrategien ihre Wirkung verlieren, entstehen zusätzliche Belastungen. Typische Auslöser für eine therapeutische Kontaktaufnahme können depressive Verstimmungen oder Erschöpfung bei ausbleibender Anerkennung, das Nachlassen körperlicher Attraktivität im Alter, krisenhafte Beziehungssituationen sowie zunehmende soziale Konflikte sein.
Es gibt sowohl andere Persönlichkeitsstörungen als auch andere Erkrankungen, mit denen die histrionische PS häufig verwechselt wird. Dazu zählt zum einen die narzisstische PS, die die Gemeinsamkeit aufweist, dass beide Betroffene das Ziel haben, Aufmerksamkeit zu erhalten. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass es Personen mit histrionischer PS egal ist, welche Art von Aufmerksamkeit sie bekommen, während Personen mit narzisstischer PS nicht als schwach oder unbedeutend wahrgenommen werden wollen. Auch die Borderline Persönlichkeitsstörung gehört dazu. Die Unterscheidung liegt darin, dass Betroffene der Borderline PS sich als schlecht oder defizitär wahrnehmen, während Personen mit histrionischer PS dies nicht tun. Die abhängige PS ist ebenfalls von der histrionischen PS zu unterscheiden. Beide suchen den Kontakt und die Nähe anderer Personen, doch Betroffene der abhängigen PS sind in der Regel ängstlicher, gehemmt und unterwürfiger, da sie Angst vor Ablehnung haben.
Die Forschungslage zur histrionischen PS ist im Vergleich zu anderen Persönlichkeitsstörungen, wie der Borderline- oder narzisstischen PS, deutlich eingeschränkt. Mehrere Reviews und Fachquellen betonen, dass es nur wenige spezifische empirische Studien gibt. Gründe hierfür können die niedrige Häufigkeit in der Allgemeinbevölkerung (Prävalenz), das gleichzeitige Vorliegen anderer Persönlichkeitsstörungen oder Erkrankungen (Komorbidität) sowie das Fehlen spezifischer, validierter Diagnoseinstrumente, die ausschließlich histrionische PS erfassen, sein. Die Forschung basiert daher häufig auf klinischen Beobachtungen, allgemeinen Persönlichkeitsinventaren oder Fallstudien, während kontrollierte Langzeituntersuchungen weitgehend fehlen. Hinzu kommt, dass histrionische PS selten als primäre Diagnose gestellt wird, da Betroffene – wie bereits erwähnt – meist wegen Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen in Behandlung kommen, wodurch die Störung in epidemiologischen Datensätzen unterrepräsentiert bleibt.
Zusammenfassend lässt sich über die histrionische PS sagen, dass sie bis heute von Vorurteilen und Stigmatisierung, besonders gegenüber Frauen, geprägt ist, man aber versucht, dies durch neue Terminologie zu verringern. Betroffene der histrionischen PS sind beide Geschlechter gleichermaßen betroffen, wobei die Häufigkeit in der Gesamtbevölkerung geringer ist als bei anderen Persönlichkeitsstörungen. Eines der Hauptziele von Betroffenen der histrionischen PS ist es, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Dabei bedienen sich die Geschlechter häufig stereotypischer Verhaltensweisen. Betroffene passen sich ihrer Umwelt oft an, um Aufmerksamkeit zu erhalten, und lassen sich leicht von äußeren Einflüssen leiten. Wenn diese Mechanismen nicht mehr ausreichend wirken, können andere Symptome wie Depressivität entstehen. Aufgrund dieser Symptome suchen die Betroffenen häufig therapeutische Hilfe, da sie die histrionische PS als Teil ihrer Persönlichkeit betrachten und primär keinen unmittelbaren Leidensdruck empfinden. Die Forschung zur histrionischen PS ist aufgrund verschiedener Faktoren meist auf Fallstudien und klinische Beobachtungen beschränkt.





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