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Narzisstische Persönlichkeitsstörung

  • Céline
  • 3. Sept.
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 4. Sept.

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Die narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS) ist ein komplexes psychisches Störungsbild, welches, wie der Name bereits verrät den Persönlichkeitsstörungen zuzuschreiben ist (einen allgemeinen Artikel zur Übersicht findet ihr ebenfalls auf unserem Blog/ Link befindet sich am Ende des Artikels). Wenn man an Narzissten oder an Personen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung denkt, hat man oft ein Bild von einer Person im Kopf, welche Selbstbewusst oder selbstverliebt ist und häufig arrogant erscheint. Aber ist das wirklich so und fühlen diese Personen auch so, wie sie sich verhalten? 



DSM V 

Im ICD 10, welches in Deutschland zur Diagnostik verwendet wird hat die NPS keine eigene Diagnoseziffer, sondern ist unter spezifische Persönlichkeitsstörungen zu finden. Im DSM V, welches häufig in der Forschung und den USA verwendet wird ist sie als eigene Diagnose gelistet. In der aktuellen Ausgabe sind zwei Konzeptionen für die Diagnose vorhanden einmal die klassische Diagnose so, wie sie aus dem DSM IV übernommen wurde und eine überarbeitete Version, die auch vulnerable Charakteristia mit einbezieht, welche in den letzten Jahren verstärk in der Fachwelt diskutiert wurden. Die Grundlage der überarbeiteten Version ist die Personality Functioning Scale (LPFS). Auf Basis dieser überarbeiteten Version wird die NPS hier dargestellt. 


Die NPS wird auch häufig als Störung zwischenmenschlicher Beziehungen beschrieben. Die Personen haben auf den ersten Blick häufig keine Probleme mit sich selbst, sondern mit den Folgen ihres Verhaltens. Betroffene suchen sich häufig erst dann Unterstützung, wenn ihre Kompensationsstrategien für Sie nicht mehr funktionieren. Häufig stellen sie sich auch mit einer anderen Störungsvermutung vor. Das kann unter anderem auch daran liegen, dass bei der NPS häufig noch mindestens eine andere psychische Störung vorhanden ist.


Laut Studien weisen Betroffene jedoch einen niedrigeren Selbstwert auf als gesunde Personen, was aufgrund der typischen Verhaltensweisen erst einmal widersprüchlich erscheint. Auch in Bezug auf Scham zeigen Betroffene sowohl eine höhere explizite als auch implizite Scham. Das DSM V beschreibt mehrere Bereiche, in denen Sich Personen mit NPS von nicht Betroffenen unterschieden diese sind: 


Identität: Personen mit NPS gründen ihr Selbstkonzept und die Selbstwertschätzung auf der Rückmeldung von anderen Personen. Dies kann zu einer starken Schwankung in der Beschreibung und Bewertung der eigenen Personen führen. Wenn für die Person negative Ereignisse auftreten kann eine sogenannte Scham – Wut – Spirale entstehen. Das bedeutet die Personen zeigen beziehungsweise erleben in selbstwertbedrohenden Situationen eine erhöhte Scham. Nach außen hin zur Abwehr dieser Scham reagieren sie jedoch mit stark negativen gerichteten Emotionen. 


Selbststeuerung ist dabei von der Suche nach Anerkennung bzw. Bestätigung von anderen Personen geprägt. Die Zielsetzung ist meist unrealistisch hoch. Das Ziel ist meist eine grandiose Selbstdarstellung. 


Empathie: Die Bedürfnisse und Gefühle anderer werden wahrgenommen. Es kann sich aber nicht damit identifiziert werden (näheres dazu im neurologischen Teil). Nähe im Umgang mit anderen Menschen: Betroffene sind häufig nicht in der Lagedauerhafte und tiefgründige Beziehungen einzugehen. Die Beziehung dient vorwiegend der Selbstwertregulation. Häufig besteht kein wirkliches Interesse am gegenüber, sondern sie dient zum Erreichen der eigenen Ziele. Auch Reaktionen anderer Personen werden zum Beispiel nur  wahrgenommen, wenn sie für die eigene Person relevant sind. Genauso bewerten die Personen ihre Wirkung auf andere häufig über-, oder unter. 


Ein weiteres Kriterium für eine Diagnose sind pathologische Persönlichkeitseigenschaften. Das ist zum einen die Grandiosität. Das sind entweder verdeckte oder offene (je nach Typus) hohe Ansprüche an andere Personen und gleichzeitig die Überzeugung, besser als andere zu sein. Die zweite Eigenschaft ist die Aufmerksamkeitssuche. Dabei wird das Verlangen beschrieben, im Mittelpunkt zu stehen und von anderen Personen Bewunderung zu erfahren. 


Subtypen 

Seit DSM V werden nicht nur die grandiosen Charakteristika, welche stereotypisch für die NPS sind berücksichtigt, sondern auch die vulnerablen. Man kann die Störung in Typen unterteilen. Diese Unterscheidung findet nicht auf Basis empirischer Studien oder des DSM V statt, sondern auf Aussagen von Psychotherapeut: innen und Psychiater: innen statt.


Grandioser Typ: zeigt ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung und Bewunderung. Das Auftreten wirkt oft dominant, selbstbewusst und überheblich. Emotionale Kälte und ein ausgeprägter Mangel an Empathie gehören ebenfalls zu den Kernmerkmalen. Kritik wird selten angenommen, sondern vielmehr abgewertet oder als Angriff interpretiert.

 

Vulnerabler Typ: ist häufig geprägt von Depressionen, Angst, Scham, Empfindsamkeit obwohl gleichzeitig eine Beschäftigung mit narzisstischen Fantasien und Überprüfung der Umwelt auf möglicherweise aufkommende Kritik. Dadurch dass die Sensitivität für Misserfolge stark ausgeprägt ist, versuchen sie soziale Kontakte zu vermeiden und sich bescheiden zu Verhalten. 


Die Unterscheidung kann sich auch in der Sprache und ihrem Muster finden. Personen mit grandioser NPS nutzen meist eine aggressivere Kommunikation, betreiben häufig Selbstverherrlichung und drücken mit ihrer Sprache eine gewisse Dominanz aus. Der vulnerable Typus jedoch hat eine eher dysregulierte Kommunikation. Die Sprache ist häufig emotional reaktiv. Das bedeutet auf bestimmte Punkte impulsiv.  


Häufig sind weibliche Personen vom vulnerablen Typus betroffen und männliche Personen vom grandiosen Typus, daher ist es sehr wichtig alle Charakteristika zu berücksichtigen, um eine breit aufgestellte Diagnose-, und Behandlungsstrategie zu entwickeln. Weibliche Personen mit vulnerablen Charakteristika der NPS werden häufig nicht mit einer NPS diagnostiziert oder erhalten häufig auch eine andere Diagnose, wie die Borderline-, abhängige oder die vermeidende PS, da die Diagnostik häufig auf den grandiosen Typ fokussiert ist. Männliche Personen mit denselben Symptomen erhalten häufiger eine NPS Diagnose, was mit geschlechtsspezifischen Bias in der Diagnostik zu tun haben könnte, aber auch auf Testinstrumente, welche auf maskuline und grandiose Eigenschaften ausgelegt sind. In der Gesamtbevölkerung beträgt die Betroffenheit 1,2% bei männlichen und 0,7% bei weiblichen Personen.


Häufig kommt aber auch die Theorie der doppelten Selbstwertregulation zum Tragen. Diese beschreibt, dass Personen nicht in einem Typ verbleiben, sondern je nach Situation den Modus wechseln, wie zum Beispiel in Krisensituationen den vulnerablen “Modus“ zu wechseln, wenn sie sich vorher im grandiosen “Modus“ befunden haben. 


Abgrenzung zu anderen Störungen 

Borderline Persönlichkeitsstörung: Die Gemeinsamkeit ist der defizitäre Umgang mit der Emotionsverarbeitung und die Gefühle von Ärger und Wut, wenn jemand den Selbstwert bedroht. Jedoch nutzen Personen mit NPS keine Selbstverletzung als Emotionsregulation und zeigen eine stärkere Konstanz und Kongruenz identitätsdeterminierender Merkmale (Eigenschaften, Interessen, Ziele & Wünsche). 


Histrionische Persönlichkeitsstörungen und NPS haben gemeinsam, dass der Fokus auf der eigenen Person liegt. Der Unterschied ist jedoch, dass bei der histrionischen NPS auch das für zerbrechlich und dependent gehalten werden in Kauf genommen wird, wenn dies die Aufmerksamkeit anderer anzieht, was bei der NPS nicht der Fall ist. 


Die Antisoziale Persönlichkeitsstörung und die NPS haben gemein, dass ein Mangel an Empathie besteht. Die NPS schließt aber die Charakteristika Impulsivität, Aggressivität und Betrügen aus. Bei der Antisozialen PS sind Personen im Gegensatz zur NPS auch nicht auf die Reaktionen der Umwelt angewiesen, um den Selbstwert zu regulieren. 


Die Autismsspektrumstörung benötigt ebenfalls eine Abgrenzung zur NPS. Bei Personen mit Autismus ist es so, dass diese im Gegensatz zu Personen mit NPS Schwierigkeiten haben, die Emotionen anderer zu erkennen, aber wenn sie sie erkannt haben können Sie Empathie zeigen. Genauso haben betroffene von Autismus häufig Spezialinteressen oder Routinen, die sie 

verfolgen.


Neurowissenschaftliche Erkenntnisse 

Neuere Studien zeigen, dass Menschen mit NPS keine Einschränkungen im Erkennen und Analysieren von Gedanken, Emotionen und Absichten anderer aufweisen (kognitive Empathie). Sehr wohl zeigen sie jedoch niedrigere Werte in der emotionalen Empathie, also der Fähigkeit des Mitempfindens wie Mitgefühl oder auch Trauer zu empfinden. Bildgebende Verfahren zeigen eine geringere Menge der zellreichen grauen Substanz in der Inselregion des Gehirns. Diese Region ist relevant für das Empfinden von Mitgefühl. Diese Erkenntnis liefert einen ersten Hinweis auf biologische Ursachen des Empathiemangels bei NPS. 



Fazit 

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist ein vielschichtiges und häufig missverstandenes Krankheitsbild, welches nicht nur grandiose Facetten umfasst, sondernauch vulnerable. Sie erfordert eine differenzierte Diagnostik, die individuelle Unterschiede, geschlechtsspezifische Besonderheiten sowie neurobiologische Erkenntnisse berücksichtigt. Die Einbindung aktueller Forschungsergebnisse in die klinische Praxis ist entscheidend, um Betroffenen eine angemessene Unterstützung zu bieten und das mit der NPS einhergehende Stigma zu verringern. Insgesamt zeigt sich, dass Personen mit NPS häufig nicht so fühlen, wie sie sich tatsächlich Verhalten.


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Bildquelle: Pixaby: Glitter, V. (2021) Frau Schönheit Spiegel. Abgerufen von 
https://pixabay.com/de/photos/frau-schönheit-spiegel-pose-modell-6693395/ 

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