Heutzutage gewinnt psychische Gesundheit in unserer Gesellschaft richtigerweise einen immer höheren Stellenwert. Mehr Menschen gehen in Therapie und arbeiten so an ihren psychischen Problemen. Leider gibt es dabei aber Grundkriterien, die erfüllt sein müssen, damit eine Therapie erfolgreich sein kann.
Zum einen müssen Patient*innen bereit dazu sein sich auf eine sehr direkte Weise zu öffnen, um über ihre Probleme zu reden und zum anderen müssen sie ein gewisses Verständnis von der eigenen Gefühlswelt oder zumindest der verbalen Beschreibung dieser mitbringen.
Da das nicht immer leicht ist, bietet Kunsttherapie zumindest eine gute Ergänzung, um die Therapie ertragreicher zu machen.
Was ist Kunsttherapie?
Kunsttherapie wurde von Marian Liebmann in ihrem Buch über das selbige Thema als Prozess beschrieben, der verschiedene Kunstmedien beinhaltet, durch die der/die Patient*in sich ausdrücken und die eigenen Probleme und Sorgen bearbeiten kann. Die Therapeut- und Patient*innen versuchen gemeinsam den Prozess und das Produkt der kreativen Arbeit zu interpretieren.
Zum Beispiel werden in Gruppen- oder Einzelsitzungen Patienten dazu angeleitet ihre Gefühlswelt oder ihren jetzigen Standpunkt im Leben bildnerisch darzustellen. Diese Bilder werden dann im Normalfall genauer betrachtet und interpretiert.
Was bringt Kunsttherapie für Vorteile mit sich?
Der Gebrauch kunsttherapeutischer Ansätze im klinischen sowie im privaten Kontext bringt einige Vorteile mit sich.
Durch die Verwendung eines Mediums, mit dem die meisten Menschen schon vom Kindesalter an vertraut sind, wird der Zugang zum Malen als Ausdruck leichter gemacht. Wie oben beschrieben, bietet die Kunsttherapie den Vorteil, dass sie völlig ohne Worte auskommt. Somit haben sowohl Menschen, die nicht gut und Menschen, die zu gut im Reden sind, die Möglichkeit, die Essenz eines Gefühls oder eines Sachverhaltes anhand darstellerischer Mittel einzufangen.
Worte bringen oft Limitationen mit sich, die zu Verwirrung oder Fehlkommunikation führen können. Dementsprechend ist es von Vorteil, dass der Selbstausdruck durch Kunst, Erfahrungen verbildlichen kann, die schwer in Worte zu fassen sind. Besonders bei Erkrankungen wie Demenz finden Betroffene oft nicht die richtigen Worte.
Auch kann die Möglichkeit gegeben werden, sozial weniger angesehene Gefühle wie Wut auszudrücken und zu verarbeiten. Dadurch, dass Kunst einen sicheren Raum zum Ausdruck bietet ohne das Gefühl andere eventuell zu belasten, kann sie manchmal ein subjektiv akzeptableres Ventil als der Dialog mit einem Nächsten bieten.
Im klinischen Kontext kann die Verbildlichung des eigenen Innenlebens dem/der Therapeut*in einen Ankerpunkt geben, um in den Austausch mit Patient*innen über ein gewisses Thema zu gehen. Der alleinige Fokus einer Therapiesitzung auf den/die Patient*in kann darüber hinaus auch oft zu Druck führen. Kunsttherapie bietet die Möglichkeit gemeinsam mit dem/der Therapeut*in auf das erschaffene Bild zu schauen und dies gemeinsam zu diskutieren. Somit fällt der „Erklärungsdruck“ von den Patient*innen, da man gemeinsam ein drittes Thema betrachtet.
Generell lässt sich auch sagen, dass unabhängig von dem direkten Ziel der Therapie, die Tätigkeit des Malens Spaß macht und somit auch zu einer positiveren Grundstimmung führen kann.
Die Bereiche, in denen Kunsttherapie effektiv verwendet wird:
Kunsttherapie wird in verschiedenen Bereichen erfolgreich eingesetzt, um Menschen bei der Bewältigung emotionaler, körperlicher und psychischer Herausforderungen zu unterstützen. Hier einen Ausschnitt der Verwendungsbereiche:
1. Psychische Gesundheit und Traumabewältigung:
Kunsttherapie kann Menschen helfen, Traumata zu verarbeiten und psychische Gesundheitsprobleme wie Depressionen, Angstzustände und posttraumatische Belastungsstörungen zu bewältigen. Durch den symbolischen Charakter der Aktivität kann man traumatische Erlebnisse darstellen, ohne sie verbal ansprechen zu müssen. Dies kann eine starke Entlastung mit sich bringen.
2. Gerontologie und Alzheimer-Betreuung:
Bei älteren Menschen, insbesondere bei Personen mit Demenz oder Alzheimer, kann Kunsttherapie dazu beitragen, die kognitive Funktion zu verbessern, die Lebensqualität zu steigern und emotionale Belastungen zu reduzieren. Das Engagement in kreativen Aktivitäten kann außerdem die Gehirnfunktion stimulieren und kognitive Fähigkeiten erhalten. Auch kann Kunsttherapie Freude und Sinnhaftigkeit in das Leben älterer Erwachsener bringen und das Gefühl von Isolation verringern, da man einen alternativen Ausdruck für das eigene Innenleben findet.
3. Krebsbehandlung und Palliativpflege:
Kunsttherapie wird in der Onkologie eingesetzt, um Krebspatienten bei der Bewältigung von Angstzuständen, Schmerzen und anderen psychosozialen Herausforderungen während der Behandlung und in der Palliativpflege zu unterstützen.
Bei diesen Befunden ist es wichtig zu erwähnen, dass Kunsttherapie allein nicht genug erforscht wurde, um in manchen Fällen von einer Verhaltenstherapie abzuraten und eine Kunsttherapie zu empfehlen. Bis jetzt wurde sie größtenteils nur unterstützend für eine Psychotherapie erforscht.
Daher ist es wichtig zu beachten zuerst eine wissenschaftlich stärker erwiesene Methode in Betracht zu ziehen, bevor man ausschließlich eine Kunsttherapie machen möchte. Trotz dessen kann sie im privaten und therapieunterstützenden Kontext mit ihren Ansätzen sehr hilfreich sein.
Wie kannst Du nun kunsttherapeutische Ansätze in Dein Leben bringen?
Aus den oben genannten Gründen bieten kunsttherapeutische Ansätze eine gute Möglichkeit, den eigenen Werkzeugkasten für emotional fordernde Situationen zu erweitern.
Ein leichter Weg, um mit diesen Ansätzen zu Hause anzufangen, ist zum Beispiel die „responsive art“ oder reagierende Kunst. Diese befasst sich mit dem Malen als Reaktion auf einen Impuls wie zum Beispiel einen Songtext, ein Gedicht, eine Melodie oder ein Zitat.
Im Folgenden wird der Ablauf einer kunsttherapeutischen Übung erklärt werden, die Du einfach und schnell zu Hause ausprobieren kannst:
Wahrscheinlich hast Du Werke, die einen emotionalen Stellenwert für Dich haben. Entscheide Dich nun für eines von ihnen, um die folgende Übung machen zu können. Als Devise für die Übung gilt, sich Zeit zu nehmen, um das Werk resonieren zu lassen und einen Zugang zu finden.
Materialien:
- Leinwand oder Papier
- Farben (Buntstifte, Filzstifte, Wasserfarben oder Ton)
- Pinsel oder andere Malwerkzeuge
Anleitung:
1. Schaffe Dir einen ruhigen Arbeitsbereich und sammeln Sie Ihre Materialien.
2. Starte die Tonsequenz, lese das Gedicht oder den Textausschnitt.
3. Halte erst einmal inne, um das Kunstwerk resonieren zu lassen.
4. Lasse Dich nun von diesem Werk inspirieren und reagiere darauf, indem Du Pinsel oder den Stift dorthin schwingst, wo Dich das Werk hinführt. Keine Emotion ist fehl am Platz, alles hat seine Daseinsberechtigung und darf auf Papier gebracht werden.
5. Betrachten nach Abschluss Deines Kunstwerks Deine Arbeit und nimm Dir Zeit, um Deine Emotionen und Gedanken darüber zu reflektieren.
Stelle Dir daraufhin folgende Fragen:
- Warum habe ich den bestimmten Anstoß gewählt?
- Was rufen die Worte/die Töne in mir hervor?
- Wie habe ich mich gefühlt, während ich gemalt habe?
- Was versuche ich einzufangen?
Die Antwort auf diese Fragen kannst Du als eine Art Journaleintrag notieren und resonieren lassen.
Dadurch, dass die Übung den Fokus auf etwas Externales hat, ist dies eine leichtere Auseinandersetzung mit der eigenen Gefühlswelt. Falls diese Übung gut klappt, kannst Du die gleiche Herangehensweise zum Beispiel in Bezug auf die eigene momentane Lebenssituation oder den jetzigen Gefühlszustand verwenden.
Fazit:
Abschließend lässt sich sagen, dass die Kunsttherapie trotz ihrer wissenschaftlichen bisherigen Limitationen ein unglaubliches Potenzial birgt. Sie geht über die verbale Ebene hinaus, um so eventuell sogar noch treffender das eigene Innenleben einzufangen. Die Verwendung im klinischen Kontext als Unterstützung für eine bestehende Therapie oder im privaten Kontext kann unter anderem zu einem besseren Verständnis der eigenen Gefühlswelt und einer Verbesserung der psychischen Gesundheit führen.
Für weiterführende Informationen zum Thema Kunsttherapie, besuche gerne die folgende Webseite:
Für weitere Lebensbereiche, in denen Du Deine mentale Gesundheit stärken kannst, hier ein hilfreicher Blogeintrag:
Quellen
Abbing, A., Baars, E. W., de Sonneville, L., Ponstein, A. S., & Swaab, H. (2019). The Effectiveness of Art Therapy for Anxiety in Adult Women: A Randomized Controlled Trial. Frontiers in Psychology, 10, 1203. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2019.01203
Khurana, R., & Wadhawan, V. (2023). ART THERAPY: EXPLORING THE RELATIONSHIP BETWEEN ART THERAPY AND SPIRITUAL HEALING. ShodhKosh: Journal of Visual and Performing Arts, 4(1), Article 1. https://doi.org/10.29121/shodhkosh.v4.i1.2023.335
Liebmann, M. (2004). Art Therapy for Groups: A Handbook of Themes and Exercises. Psychology Press.
Magniant, R. C. P. (2004). Art Therapy with Older Adults: A Sourcebook. Charles C Thomas Publisher.
Malchiodi, C. A. (Hrsg.). (2012). Handbook of art therapy, 2nd ed (S. xv, 496). The Guilford Press.
Nast, C. (2020, Juni 18). 5 Ways to Use Art as Self-Care, According to Art Therapists. SELF. https://www.self.com/story/art-therapy-exercises
The Effectiveness of Art Therapy: Does it Work?: Art Therapy: Vol 17, No 3. (o. J.). Abgerufen 20. Februar 2024, von https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/07421656.2000.10129706
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