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Im Jahr 1923 veröffentlichten der französische Psychiater Capgras und Reboul-Lachaux die Beschreibung der Symptomatik der Madame M. Madame M. beschrieb demnach, dass sie ihre nahen Angehörigen, wie ihre Familie, als ausgetauschte Doppelgänger wahrnimmt. Diese Symptomatik sollte bereits seit 10 Jahren vorliegen. Ihre Kinder seien ihrer Wahrnehmung nach innerhalb von 5 Jahren circa 2000-mal durch Doppelgänger:innen ausgetauscht. Bei ihrem Ehemann ging sie von einem Mord aus, woraufhin auch er 80-mal ersetzt worden sein soll. Auch außerhalb des familiären Kreises nahm Doppelgänger wahr. Beispielsweise gab sie an, dass die Polizist:innen des Pariser Polizeihauptquartiers 10-mal ersetzt wurde. In Anlehnung an den Amphithryron Mythos benannten Capgras und Reboul-Lachaux das Syndrom 'l'illusion des sosies'. In den folgenden Jahren setzte sich jedoch die Bezeichnung Capgras-Syndrom durch. Bei der beschriebenen Symptomatik handelt es sich um eines der Missidentifikationssyndrome. Je nach Quelle zählen zu diesen 3,4 oder 5 verschiedene Syndrome, welche wir im Folgenden genauer beleuchten.
Capgras Syndrom
Das Capgras Syndrom ist eine sehr seltene wahnhafte Erkrankung. Erkrankte sind dabei fest davon überzeugt, dass verwandte oder bekannte Personen durch identisch aussehende Doppelgänger ausgetauscht wurden. Diese Wahrnehmung entsteht nur bei einem visuellen Kontakt. Wenn die bekannte Person jedoch anruft, kann der oder die Betroffene sie erkennen und nimmt nicht an, dass sie ausgetauscht wurde. Anatomisch vermutet man, dass eine gestörte Verbindung zwischen Cortex und Amygdala für das Syndrom verantwortlich ist, da diese für die emotionale Tönung der Wahrnehmung dient. Da bei den Betroffenen die Emotionen, die normalerweise beim Anblick von Angehörigen empfunden werden, fehlen, versuchen die Betroffenen eine rationale Begründung für ihre fehlenden Emotionen zu finden. Da das Capgras Syndrom häufig im Rahmen anderer Störungen, z. B. Demenz oder Schizophrenie, auftritt, wird es von einigen Fachpersonen als Symptom und nicht als eigenständiges Syndrom klassifiziert. Bei der Diagnostik ist zudem zu beachten, dass keine intellektuelle Beeinträchtigung und kein Verfolgungswahn vorliegt. Die Behandlung zielt in den meisten Fällen auf die Grunderkrankung ab. Beispielsweise kann eine Besserung des Capgras Syndroms bei einer Besserung der Demenz bewirkt werden. Eine spezifische Therapie, die die gestörte Verbindung wiederherstellen soll, gibt es bisher nicht.
Fregoli Syndrom
Ein recht ähnliches Bild zeigt sich bei dem Fregoli-Syndrom. Dabei sieht die betroffene Person eine emotional wichtige Person im Körper einer weiteren dritten Person. Dabei ist zwischen den Personen keine Ähnlichkeit erkennbar. In einigen Fällen wird auch beschrieben, dass die Betroffenen angeben, andere Personen hätten ihr Aussehen signifikant verändert. Auch dieses Syndrom tritt häufig im Rahmen anderer psychischer Erkrankungen, zumeist Schizophrenie, auf. Des Weiteren treten häufig Capgras- und Fregoli-Syndrom oder Fregoli-Syndrom und Intermetamorphose gemeinsam auf. Einige Mediziner:innen beschrieben zudem das Syndrom in Zusammenhang mit organischen Erkrankungen, wie beispielsweise nach einem Hirninfarkt oder bei Typhus. Benannt wurde das Syndrom nach Leopold Fregoli, einem berühmten italienischen Verwandlungskünstler, der sowohl seine Kleidung als auch Stimme und Verhalten in kurzer Zeit veränderte.
Intermetamorphose
Courbon und Tusques beschrieben das Phänomen erstmals 1932 mithilfe des Fallberichts der 49-jährigen Frau G. Den Berichten nach war Frau G. klar und freundlich, beschrieb jedoch, dass sich Personen und Gegenstände in andere verwandelten. Besonders auffällig war, dass sie sagte, ihr Ehemann hätte sich in einen ihr bekannten Nachbarn verwandelt. Auch bei ihrem Sohn sei eine Verwandlung in Kinder aus der Nachbarschaft passiert. Definitorisch gehen Betroffene davon aus, dass sich eine Person oder auch ein Tier psychisch und physisch verwandelt hat. Im Vergleich zu den anderen Missidentifikationssyndromen findet die empfundene Verwandlung also auf zwei Ebenen statt. Auch bei der Intermetamorphose spricht man von einem seltenen Krankheitsbild, was häufig in Kombination mit den anderen, bereits genannten, Erkrankungen oder Syndromen auftritt.
Syndrom des subjektiven Doppelgängers
Das Syndrom des subjektiven Doppelgängers stellt eine besondere Form dar, da es sich auf die Person selbst bezieht. Die betroffene Person ist also überzeugt, dass sie selbst einen identisch aussehenden Doppelgänger hat, der ein eigenes Leben führt. Zudem können mehrere Doppelgänger vorkommen. Diese Doppelgänger können sowohl im Bekanntenkreis als auch in Fremden vermutet werden. Bisher wurden einige Fälle der Störung, auch hier in Zusammenhang mit anderen Erkrankungen, dokumentiert. Eine weitere Erforschung ist jedoch notwendig, um Schlüsse über die Herkunft und Behandlung ziehen zu können.
Quellen
Capgras-Syndrom. (o. D.). Lexikon der Neurowissenschaft. https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/capgras-syndrom/1861
Christodoulou, G. N. (1977). The Syndrome of Capgras. British Journal Of Psychiatry, 130(6), 556–564. https://doi.org/10.1192/bjp.130.6.556
Christodoulou, G. N., Margariti, M., Kontaxakis, V. P. & Christodoulou, N. G. (2009). The delusional misidentification syndromes: Strange, fascinating, and instructive. Current Psycchiatry Reports/Current Psychiatry Reports, 11(3), 185–189. https://doi.org/10.1007/s11920-009-0029-6
DocCheck, M. B. (o. D.). Capgras-Syndrom - DocCheck Flexikon. DocCheck Flexikon. https://flexikon.doccheck.com/de/Capgras-Syndrom
Marneros, A. (2010). Außergewöhnliche Syndrome kurzgefasst. die Psychiatrie, 07(04), 276. https://doi.org/10.1055/s-0038-1673455
Seltene Wahnstörungen. (2010). In Steinkopff eBooks. https://doi.org/10.1007/978-3-7985-1877-3
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