top of page

Bewältigungsstrategien verstehen: Coping-Strategien und ihre Eigenschaften



Coping-Strategien müssen kein Puzzle sein. Verstehe die Grundlagen und Du kannst deine Stressverarbeitung einfach ordnen.

Wir alle erleben im Laufe des Lebens Situationen, die emotional belastend, stressig oder sogar überwältigend sein können. Der Verlust eines geliebten Menschen, eine berufliche Krise oder der Umgang mit einer psychischen Erkrankung im nahen Umfeld – all das erfordert Strategien, damit umzugehen. In der Psychologie spricht man in diesem Zusammenhang von Coping-Strategien, also Bewältigungsmechanismen, die wir nutzen, um mit Stress, negativen Gefühlen oder schwierigen Situationen zurechtzukommen. Allerdings ist nicht jede Strategie in jeder Situation hilfreich. Manche Coping-Mechanismen helfen uns, langfristig besser mit Herausforderungen umzugehen, während andere zwar kurzfristig Erleichterung bringen, auf lange Sicht aber problematisch sein können. Besonders für Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen ist es essenziell, sich mit Coping-Strategien auseinanderzusetzen – sowohl um selbst gesund zu bleiben als auch um andere besser unterstützen zu können.


In diesem Artikel erfährst du, was Coping-Strategien genau sind, welche Arten es gibt und warum es wichtiger ist, flexibel mit Stress umzugehen, anstatt nur auf eine bestimmte Strategie zu setzen.


 

Was sind Coping-Strategien?

Der Begriff Coping stammt aus der Stressforschung und wurde seit Mitte der Achtziger insbesondere durch die Arbeiten von Richard S. Lazarus und Susan Folkman geprägt. Sie definieren Coping als die kognitiven und verhaltensbezogenen Bemühungen eines Menschen, um mit herausfordernden oder stressigen Situationen umzugehen. Stress entsteht immer dann, wenn wir das Gefühl haben, dass die Anforderungen einer Situation unsere persönlichen Ressourcen übersteigen – sei es objektiv oder subjektiv. Coping ist dabei ein dynamischer Prozess, der sich je nach Person und Situation unterscheiden kann. Welche Strategie jemand wählt, hängt unter anderem von der eigenen Persönlichkeit, bisherigen Erfahrungen und den äußeren Umständen ab. Einige Strategien wirken nur kurzfristig, während andere eine langfristige Anpassung an Belastungen ermöglichen. Außerdem ist es wichtig, sich auch präventiv auf zukünftige Stressfaktoren vorzubereiten. Hier setzt das Konzept des proaktiven Copings an.


Wie lassen sich Coping-Strategien systematisch unterscheiden?

Problemfokussiertes vs. emotionsfokussiertes Coping

• Problemfokussiertes Coping bedeutet, dass man aktiv nach Lösungen sucht, um eine stressauslösende Situation zu verändern oder zu bewältigen – zum Beispiel durch Planung, Informationssuche oder direktes Handeln. Besonders sinnvoll ist dieser Ansatz, wenn eine Situation tatsächlich verändert werden kann.


• Emotionsfokussiertes Coping konzentriert sich hingegen darauf, die eigenen Gefühle in einer Situation zu regulieren, die sich nicht verändern lässt. Dazu gehören Methoden wie Akzeptanz, Achtsamkeit oder das Gespräch mit anderen, um Emotionen zu verarbeiten.


Funktionales vs. dysfunktionales Coping

• Funktionales Coping umfasst Bewältigungsstrategien, die nachhaltig zur psychischen Gesundheit beitragen und uns helfen, resilienter zu werden. Dazu gehören soziale Unterstützung, konstruktive Problemlösungen oder bewusste Reflexion.


• Dysfunktionales Coping hingegen beschreibt Strategien, die zwar kurzfristig entlastend wirken, langfristig aber schaden können – zum Beispiel übermäßiger Alkoholkonsum, Vermeidungsverhalten oder ständiges Grübeln. Studien zeigen, dass dysfunktionales Coping das Risiko für psychische Erkrankungen erhöhen kann.


Aktives vs. passives Coping

• Aktives Coping bedeutet, dass eine Person gezielt handelt, um mit einer stressigen Situation umzugehen. Dazu gehören beispielsweise klärende Gespräche, das Entwickeln eines Lösungsplans oder bewusste Entspannungstechniken. Forschungsergebnisse zeigen, dass aktives Coping mit höherer Resilienz und einer besseren Anpassungsfähigkeit an belastende Situationen verbunden ist.

• Passives Coping zeichnet sich durch eine eher resignierte Haltung aus. Menschen, die passiv mit Stress umgehen, neigen dazu, die Kontrolle abzugeben und auf äußere Veränderungen zu hoffen.

 

Kognitives vs. verhaltensorientiertes Coping

• Kognitives Coping betrifft die Art und Weise, wie wir über stressige Situationen nachdenken – zum Beispiel durch Neubewertung eines Problems, bewusste Akzeptanz oder Perspektivwechsel.

• Verhaltensorientiertes Coping umfasst dagegen konkrete Handlungen, die helfen, mit Stress umzugehen – etwa Sport, kreative Tätigkeiten oder soziale Interaktion. Eine Kombination aus beiden Strategien ist oft besonders wirksam.

 

Öffnendes vs. distanzierendes Coping

• Öffnendes Coping bedeutet, sich bewusst mit belastenden Gefühlen auseinanderzusetzen und sie aktiv zu verarbeiten – zum Beispiel durch Tagebuchschreiben, tiefgehende Gespräche oder therapeutische Methoden.

• Distanzierendes Coping hingegen beinhaltet Mechanismen, um sich vorübergehend von emotional belastenden Gedanken abzulenken. Das kann in akuten Stressmomenten hilfreich sein, sollte aber nicht zur dauerhaften Verdrängung führen. Idealerweise wenden wir sowohl öffnende als auch distanzierende Strategien an, um Stress gesund zu verarbeiten.

 

Proaktives Coping: Vorsorge gegen Stress

Während viele Coping-Modelle davon ausgehen, dass Menschen erst dann auf Stress reagieren, wenn er bereits eingetreten ist, beschreibt proaktives Coping Strategien, mit denen zukünftige Herausforderungen frühzeitig erkannt und bewältigt werden können. Dazu gehört zum Beispiel, sich rechtzeitig auf schwierige Situationen vorzubereiten oder soziale Unterstützung aufzubauen, bevor eine Krise eintritt.

 

Flexibles Coping: Die Fähigkeit zur Anpassung

Die Forschung zeigt, dass es weniger darauf ankommt, die „perfekte“ Coping-Strategie zu haben, sondern flexibel zwischen verschiedenen Strategien wechseln zu können. In manchen Situationen kann es sinnvoll sein, sich aktiv mit einem Problem auseinanderzusetzen, in anderen ist es besser, eine Weile Abstand zu nehmen. Menschen mit hoher Coping-Flexibilität sind oft psychisch widerstandsfähiger und können sich besser auf wechselnde Herausforderungen einstellen.


Warum ist eine bewusste Auseinandersetzung mit Coping-Strategien wichtig?

Sich bewusst mit den eigenen Coping-Strategien auseinanderzusetzen, hilft dabei, unbewusste Verhaltensmuster zu erkennen und gezielt zu verändern. Viele Menschen greifen automatisch auf Bewältigungsmechanismen zurück, die sie sich über die Jahre hinweg angeeignet haben – ohne zu hinterfragen, ob diese tatsächlich noch hilfreich sind. Wer regelmäßig reflektiert, kann frühzeitig erkennen, welche Strategien eher hinderlich sind, und gezielt alternative Wege entwickeln, um mit Belastungen umzugehen. Gerade in stressigen oder herausfordernden Situationen ist es von Vorteil, zu wissen, welche Coping-Strategien individuell am besten wirken. Nicht jede Methode passt gleichermaßen zu jeder Person oder jeder Situation. Ein bewusster Umgang mit Stress ermöglicht es jedoch, flexibel zu bleiben und gezielt die Strategie zu wählen, die in einem bestimmten Moment am hilfreichsten ist. Besonders für Angehörige psychisch erkrankter Menschen kann es eine große Entlastung sein, die eigenen Bewältigungsmuster zu hinterfragen und gezielt Strategien zu nutzen, die langfristig zur eigenen psychischen Gesundheit beitragen.


Sich mit Coping-Strategien auseinanderzusetzen, bedeutet jedoch nicht, dass man jede Herausforderung perfekt bewältigen muss. Vielmehr geht es darum, einen gesunden und nachhaltigen Umgang mit Stress zu finden, persönliche Ressourcen zu stärken und sich selbst die Möglichkeit zu geben, Belastungen auf eine Weise zu begegnen, die das eigene Wohlbefinden langfristig fördert.


Fazit und Ausblick

Coping ist ein individueller Prozess – es gibt keine universell „richtige“ oder „falsche“ Strategie. Entscheidend ist, herauszufinden, welche Bewältigungsmechanismen langfristig hilfreich sind und welche eher zusätzliche Belastungen verursachen. Wer sich aktiv mit seinen Coping-Strategien auseinandersetzt, kann stressige Situationen besser meistern und seine psychische Gesundheit stärken. Besonders wichtig ist dabei die Fähigkeit zur Flexibilität, da nicht jede Strategie in jeder Situation gleichermaßen gut funktioniert.


Sich selbst besser verstehen, bewusst handeln und langfristig resilienter werden ist der Schlüssel zu einem gesunden Umgang mit Herausforderungen.


Quellen

Bonanno, G. A., & Burton, C. L. (2013). Regulatory flexibility: An individual differences perspective on coping and emotion regulation. Perspectives on Psychological Science, 8(6), 591-612.
 
Cestaro, S. (2022). Zusammenhänge zwischen individuellem Stresserleben durch die Covid-19-Pandemie, Coping-Strategien und gesundheitsbezogener Lebensqualität. Fachhochschule Nordwestschweiz.
 
Greenglass, E. R., Schwarzer, R., Jakubiec, D., Fiksenbaum, L., & Taubert, S. (1999). The Proactive Coping Inventory (PCI): A multidimensional research instrument.
 
Lazarus, R. S., & Folkman, S. (1984). Stress, appraisal, and coping. Springer.
 
Penley, J. A., Tomaka, J., & Wiebe, J. S. (2002). The association of coping to physical and psychological health outcomes: A meta-analytic review. Journal of Behavioral Medicine, 25(6), 551-603. https://doi.org/10.1023/A:1020641400589
 
Rusch, S. (2019). Stressmanagement: Ein Arbeitsbuch für die Aus-, Fort- und Weiterbildung. Springer.

Bildquelle: https://pixabay.com/photos/problem-question-solution-response-860227/

Comments


bottom of page