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Neid ist nicht gleich Neid! Vom Beneiden und Missgönnen - oder vom Wetteifern und Beneiden?

  • Monique
  • 25. Juni
  • 4 Min. Lesezeit

Wir alle kennen es: das äußerst unangenehme Gefühl, auf jemanden neidisch zu sein. Der Mitschüler, der beim Hundertmeterlauf eine Millisekunde schneller war. Die Kommilitonin, die das Stipendium erhalten hat, für das man sich selbst beworben hatte. Der Kollege, der befördert wurde, ohne eine bessere Qualifikation vorweisen zu können oder besser gearbeitet zu haben. Die Nachbarin, die nun schon zum dritten Mal dieses Jahr in den Urlaub fliegt. Die Liste ist schier unendlich. Und niemals fühlen wir uns gut dabei, wenn wir jemanden beneiden. Warum tun wir es also trotzdem? Und warum reagieren wir unterschiedlich auf diese Situationen?



Woher kommt das Gefühl von Neid?

Ganz einfach gesagt: weil wir Menschen uns immer miteinander vergleichen. Nun könnte man noch einfacher argumentieren, dies dann eben zu unterlassen. Aber so einfach ist es leider nicht. Der Soziale Vergleich hat seine Gründe. Über den Vergleich mit unseren Mitmenschen versuchen wir Informationen über uns selbst zu generieren. Wo stehe ich? Was kann ich gut/ schlecht? Wie sind meine Ansichten zu bewerten? Zu diesen und vielen anderen Fragen erhalten wir nur verwertbare Antworten, wenn wir uns vergleichen können. Wie könnte ich wissen, was ich gut kann, wenn ich nicht weiß, was überhaupt gut ist? Außerdem können wir uns nur so selbst verbessern. Wenn der eigene Staus Quo unter dem einer anderen Person liegt, weiß ich, dass ich noch Luft nach oben habe. Und nicht zuletzt tendieren wir dazu, ein positives Bild von uns zu zeichnen. Vor uns selbst ebenso, wie vor Anderen. Dazu benötigen wir einen positiven Selbstwert. Dieser wiederum kann nur im Vergleich mit Anderen existieren. Wie kann ich zum Beispiel wissen, dass ich ein guter Vater bin, wenn ich mich nicht mit anderen Vätern vergleiche?

Wir kommen also nicht umhin, uns mit anderen Menschen zu vergleichen. Und daher werden wir auch immer wieder an Punkte gelangen, wo wir uns selbst in Situationen unterhalb des Standards der Vergleichspersonen finden, neidisch werden und mit dieser negativ behafteten Emotion umgehen müssen. Aber wie machen wir das nun?


Neid ist eben nicht gleich Neid!

Kommen wir zurück auf die anfangs genannten Beispiele. Man könnte sich vorstellen, dass der neidische Mitschüler nun jede freie Minute trainiert, um beim nächsten Hundertmeterlauf den Rivalen zu schlagen. Ebenso könnte man sich vorstellen, dass er vor dem nächsten Wettlauf einfach den Turnbeutel des Rivalen in der Mädchentoilette versteckt. Oder man stelle sich die Kollegin vor, die vielleicht Weiterbildungen wahrnimmt, um bei der nächsten Beförderung die bessere Qualifikation vorweisen zu können. Ebenso könnte sie allerdings auch im Pausenraum anfangen schlecht über den Kollegen zu sprechen und seine neue Position klein zu reden. Eine Möglichkeit der neidischen Reaktion scheint also ein aufwärts gerichteter, anspornender, gutartiger Neid zu sein, der die eigene Situation zu verbessern versucht. Eine Andere scheint ein abwertender, nach unten gerichteter, bösartiger Neid zu sein, der das Gegenüber zu diskreditieren versucht.

Warum reagieren Menschen nun aber so unterschiedlich, wenn sie sich in neidvollen Situationen wiederfinden? Eine erste logische Frage wäre vielleicht: handelt es sich hier überhaupt um ein und dasselbe Phänomen? Kan man beide Arten der Reaktion unter dem Oberbegriff „Neid“ zusammenfassen, oder sind das unterschiedliche Dinge? J. Lange und J. Crusius haben diese Frage untersucht und kommen zu dem Schluss, dass beide Formen von neidvollem Verhalten derselben Situation entspringen. Neid basiert immer auf einem sozialen Aufwärtsvergleich, worin man sich selbst niedriger angesiedelt wiederfindet. Er kann jedoch zwei qualitativ unterschiedliche Formen annehmen.


Woher kommen gutartiger und bösartiger Neid?

J. Lange und J. Crusius kommen nach ihrer Forschung zu dem Ergebnis, dass die unterschiedlichen Reaktionen ein Resultat unterschiedlicher motivatonaler Tendenzen seien. Wer eher in den Wetteifer (gutartiger Neid) geht, hat laut der Studie eher „Hoffnung auf Erfolg“, hat also ein optimistisches Leistungsmotiv zugrundeliegen. Diese Personen empfinden mehr Kontrolle und Selbstwirksamkeit bezüglich des Ausgangs der Situation, die sie erreichen wollen. Sie sind überzeugt davon, dass sie etwas verändern können und legen dementsprechend viel Aufwand an den Tag, um ihr Ziel auch zu erreichen. Wer im Neid stecken bleibt und feindselig reagiert (bösartiger Neid) hat überwiegend „Angst vor Misserfolg“, also ein pessimistisches Leistungsmotiv zugrundeliegen. Diese Menschen empfinden eher, dass der Ausgang der Situation sowieso nicht in deren Hand läge, egal was sie täten. Also vermeiden sie es von vorn herein, weiter an der Erreichung ihrer Ziele zu arbeiten und würdigen diese Ziele auch herab.


Hat es einen Einfluss auf andere Lebensbereiche, wie wir mit Neid-Situationen umgehen?

Laut der Studie von J. Lange und J. Crusius kann diese Frage mit „ja“ beantwortet werden. Bösartiger Neid kann ein Indikator dafür sein, wie Menschen generell versuchen, auf eine Bedrohung ihres Selbstwertes zu reagieren. Nämlich indem die Uminterpretation der Vergleichsbereiche als Selbstschutzstrategie verwendet wird und damit eben leider auch Mitmenschen herabgewürdigt werden. Außerdem zeigte sich bisher, dass Menschen die generell zu neidischem Verhalten neigen auch in anderen Persönlichkeitsmerkmalen häufig übereinstimmen. So wurde Neid im allgemeinen bisher mit allen drei Elementen der dunklen Triade in Verbindung gebracht (Machiavellismus (manipulatives Ausnutzen), Narzissmus (das grandiose Selbst) und Psychopathie (Empathielosigkeit)). Die Autoren der Studie regen weitere Forschung an und postulieren, dass gutartiger Neid jedoch nicht mit Psychopathie in Verbindung stehen sollte.


Wie sollten wir also mit Neid umgehen?

Wie wir gesehen haben ist es nicht möglich, sich einfach nicht mehr mit Anderen zu vergleichen. Aber vielleicht sollten wir versuchen, es weniger oft zu tun. Und ganz sicher sollten wir versuchen, uns bewusst darüber zu werden, mit wem und welchen Standards wir uns vergleichen und ob wir diesen Status Quo tatsächlich für uns brauchen um glücklich zu sein. Influencer auf Social Media sind in den seltensten Fällen die richtige Vergleichsgruppe. Und vielleicht muss ich nicht drei Mal im Jahr in den Urlaub fliegen? Vielleicht kann ich auch quasi vor der Haustür eine wundervolle Zeit haben? Vielleicht würde die neue Position im Unternehmen nur mit mehr Stress daherkommen? Vielleicht bin ich aber tatsächlich auf den zusätzlichen Verdienst angewiesen. Vielleicht ist es völlig egal, ob ich der/die schnellste Sprinter:in der Schule bin? Vielleicht würde ich damit nur mein Ego beflügeln? Vielleicht geht es aber auch um ein Stipendium an einer Sportschule? Oder ich habe einfach nur Spaß am Training? Vielleicht sollten wir einfach genauer hinterfragen, warum wir etwas wollen und was wir bereit sind dafür zu geben und speziell, ob wir bereit sind, Anderen mit unserer Entscheidung zu schaden?!


Quelle

Lange, J., & Crusius, J. (2015). Dispositional envy revisited: Unraveling the motivational dynamics of benign and malicious envy. Personality and Social Psychology Bulletin, 41, 284–294.  https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/0146167214564959
 
Ozimek, P.; Bierhoff, H.; Rohmann, E.; Hanke, S. (2022). Angewandte Sozialpsychologie Ein Lehrbuch. Kohlhammer. https://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=Q5OJEAAAQBAJ&oi=fnd&pg=PA27&dq=gutartiger+und+bösartiger+neid&ots=938ZR1s2eN&sig=rU5Gh-tCK9CllK2ZxOIj8Gv-tLI
 
Bildquelle: https://pixabay.com/de/vectors/trophäe-gewinner-sieg-wettbewerb-5674028/ 

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