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In Balance mit dem inneren Rhythmus: Die Wichtigkeit von Licht


Im aktuellen Diskurs gewinnt die Thematik der Auswirkungen von künstlichem Licht zunehmend an Bedeutung. Das ist auch gerechtfertigt, denn künstliches Licht ist menschheitsgeschichtlich gesehen sehr neu, und die genauen Auswirkungen auf unsere Gesundheit sind noch nicht vollkommen verstanden, vor allem natürlich, weil künstliches Licht nicht die einzige Veränderung der Moderne in unserer Lebensumwelt ist. Das macht es schwieriger, die Effekte von künstlichem Licht von z.B. der Urbanisierung zu trennen.

Was unterscheidet Arten von Licht?

Um die Auswirkungen und die potenziellen therapeutischen Möglichkeiten von unterschiedlichem Licht zu verstehen, ist es zunächst wichtig zu verstehen, was künstliches Licht von natürlichem Tageslicht unterscheidet. Helligkeit von Licht wird meistens in der Maßeinheit Lux gemessen. Tageslicht ist hierbei erheblich heller als künstliches Licht in geschlossenen Räumen. Tageslicht kann an Hellen Tagen durchaus Werte von bis zu 100.000 Lux erreichen, während Lampen in geschlossenen Räumen die Lichtintensität nur auf bis zu 500 Lux bringen. Auch die Lichtspektren unterscheiden sich: Obwohl künstliches und natürliches Licht ähnlich wirken, ist das Lichtspektrum von Tageslicht deutlich breiter als das von künstlichem Licht, wie etwa LED-Licht.

Die Rolle von Licht für deinen inneren Rhythmus

Licht ist ein sogenannter „Zeitgeber“ für unsere biologischen 24h-Rhytmen, wie z.B. der Schlaf-Wach Rhythmus. In der Fachsprache werden diese Rhythmen auch „zirkadiane“ Rhythmen genannt. Diese Rhythmen benötigen regelmäßige Zeitgeber, um Phasensynchronisiert zu werden. Licht ist hierbei der stärkste Zeitgeber, andere Zeitgeber sind z.B. Essen oder Bewegung. Über die Retina im Auge werden Lichtreize an die zirkadianen Schrittmacher, die suprachiasmatischen Nuclei im Hypothalamus weitergeleitet, die den 24h-Rhythmus Phasenkorrigieren, sie werden auch zirkadiane Schrittmacher genannt. Über diesen Weg beeinflusst Licht unter anderem, wie gut wir uns beim Schlaf erholen oder wie wach wir während des Tages sind. Dabei hat Licht 2 Effekte: es unterdrückt Melatonin (=Hormon, das Schlafprozesse in den Gang bringt) und es kann die zirkadiane Phase verschieben. Und hier wird es interessant: Diese beiden Mechanismen müssen für ein normales Funktionieren aufeinander justiert sein. Falls nicht, kann es zu einer zirkadianen Schlaf-Wach-Störung kommen und Disruptionen im zirkadianen Rhythmus sind ebenfalls mit der Saisonal-Affektiven-Störung assoziiert. Die Rhythmen können z.B. durch künstliches Licht am Abend entrückt werden. Zu dieser Zeit regiert die Innere Uhr nämlich sensibler auf Licht. Mögliche Folgen von Aussetzung von künstlichem Licht vor dem Schlafengehen sind längere Einschlafdauer, weniger Schläfrigkeit abends, geringere Melatonin-Ausschüttung, verzögerte biologische Uhr, geringere Langwellenaktivität im Schlaf früh in der Nacht (im späteren Schlafverlauf ist erhöhte Langwellenaktivität zu beobachten, vermutlich als Kompensationsmechanismus) und geringere Aufmerksamkeit am nächsten Morgen. Die Hauptquelle von künstlichem Licht am Abend für die meisten von uns ist vermutlich das Smartphone, weshalb Bildschirm-Nachtmodi immer populärer werden, die Blautöne aus dem Lichtspektrum des Bildschirms herausfiltern. Dadurch wird tatsächlich auch die Aktivierung von Melanopsin reduziert, welches die Ausschüttung von Melatonin unterdrückt und damit die Rhythmen desynchroniert. Allerdings wird die Melapsonin-Ausschüttung noch viel stärker reduziert, wenn man einfach nur die Bildschirmhelligkeit auf das niedrigste herunterreduziert. Bei Smartphones und anderen Digitalen Geräten sind vermutlich auch die konsumierten aktivierenden Inhalte mit-Grund für die darauffolgenden Einschlafschwierigkeiten. Zusätzlich ist anzumerken, dass in den Studien, die zu den eben genannten Ergebnissen kommen, die Teilnehmer meistens mehrere Stunden dem künstlichen Licht ausgesetzt werden. Aus diesen Gründen ist es Sinnvoll, ebenfalls einen Blick darauf zu werfen, was positive Auswirkungen auf den biologischen Rhythmus hat. So kommen wir nämlich zurück zum Tageslicht. Je mehr Zeit man bei Tageslicht draußen verbringt, desto früher wird man müde und schläft demzufolge auch länger. Ebenfalls verbessert sich die Schlafqualität durch Tageslichtaussetzung, man schläft schneller ein und es akkumuliert sich mehr Langwellenaktivierung im Schlaf. Helles Licht hat zusätzlich direkte Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Neurotransmittern wie Serotonin, und wird für die Produktion von Vitamin D benötigt, was wiederum für die Produktion von Serotonin wichtig ist. Nahrungsergänzung von Vitamin D im Winter erhöht z.B. positiven Affekt. Wie du bestimmt weißt, hängt Tageslichtverfügbarkeit von der Jahreszeit ab als auch dem Breitengrad, auf dem man lebt. Im Winter ist es an vielen Orten deshalb nur schwer möglich, ausreichend Tageslicht abzubekommen. Hier kommt künstliches Licht wieder ins Spiel: Lichttherapie wird unter anderem als Behandlung gegen die Saisonale Affektive Störung, auch als Winterdepression bekannt, als auch gegen reguläre Depressionen eingesetzt. Die Anweisung ist üblicherweise, morgens 30-60 min eine Tageslichtlampe nah vor sich zu stellen. Andere Varianten sind mit anderem Licht oder Lampen, welche einen Sonnenaufgang simulieren sollen, die neben dem Bett platziert werden. Helleres Licht erhöht ebenfalls die Vitalität bei Arbeitern in Büros, und verbessert ebenfalls die kognitive Leistungsfähigkeit. Bei Sportinterventionen gegen Depressionen konnte nachgewiesen werden, dass diese effektiver sind, wenn man diese durch Lichttherapie ergänzt. Künstliches Licht kann also korrekt eingesetzt durchaus hilfreich sein. Allerdings ist es kein vollkommener Ersatz für echtes Tageslicht. Übliche Tageslichtlampen-Modelle erreichen maximal Helligkeiten von gerade ein mal 10.000 Lux, was immer noch deutlich weniger ist als reguläres Tageslicht. Wenn du also die Möglichkeit hast, dich Tageslicht auszusetzen, sollte es immer die erste Wahl sein. Es ist auch nachgewiesen, dass Tageslicht die Stimmung mehr verbessert als helles künstliches Licht.

Den Weitblick bewahren

Was ebenfalls nicht zu vergessen ist, ist dass etwas so Simples, wie nur ein bisschen nach draußen zu gehen, nicht nur Aussetzung von Tageslicht ist, sondern eine Kombination von mehreren Protektiven Faktoren für deine psychische Gesundheit sein kann: du bewegst dich, begibst dich vielleicht in eine etwas natürlichere Umgebung, kannst deine Gedanken vielleicht etwas besser loslassen und vielleicht triffst du ja auch jemanden? Wenn man sich stark auf ein konkretes Thema fokussiert, kann es passieren, den Weitblick zu verlieren, wodurch man manchmal vergisst wie viel gute Dinge man sich gleichzeitig mit so einer scheinbar kleinen Sache, wie einem kurzen Spaziergang jeden Tag tun kann (:


Quellen

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https://www.pexels.com/de-de/foto/uhr-um-8-00-uhr-2227122/


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