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Doomscrolling-gefangen in der Schleife


Foto von Kerde Severin: https://www.pexels.com/de-de/foto/selektive-fokusfotografie-einer-person-mit-iphone-x-1542252/

Die Aussicht auf eine bessere Zukunft spielt eine wichtige Rolle für die seelische Gesundung

eines Menschen. Doch die Corona-Pandemie, der Klimawandel und mehrere sich immer mehr aufheizende Kriege haben in den letzten Jahren die Hoffnung auf eine bessere Zukunft

stark gemindert. 2018 wurde erstmals der Begriff "Doomscrolling" eingeführt, dieser bezieht

sich auf ein Verhalten, in dem Personen persistent durch ihre Social-Media-Feeds scrollen mit einem zwanghaften Fokus auf negative und aktuelle Nachrichten. Mit diesem Nachrichtenkonsum geht ein emotionales Berührtsein, Trauer und Verzweiflung einher. Die betroffenen Individuen erfahren dabei psychologischen Stress und haben ein verringertes Wohlbefinden.


 

Wie kommt es zu Doomscrolling?

Doomscrolling entsteht aus dem Wunsch heraus, über die neuesten, insbesondere negativen Nachrichten, auf dem Laufenden zu bleiben, wird aber im Laufe der Zeit automatisch und unbeabsichtigt und entwickelt sich zu einem zwanghaften, exzessiven Scrollen durch Newsfeeds. Auf einer evolutionären Ebene ergibt der Impuls, auf dem neuesten Stand zu bleiben, Sinn: Organismen, die besser auf schlimme Dinge vorbereitet sind, können die Bedrohung mit höherer Wahrscheinlichkeit überleben und ihre Gene weitergeben. Hingegen der Erwartungen entsteht Doomscrolling oft als eine Form des Copings. Betroffene betreiben Doomscrolling, um unkontrollierbare Situationen besser zu verstehen und die Informationslücke zu schließen. Sie nutzen es als Coping-Mechanismus, um mit dem Gefühl der Hilflosigkeit umzugehen. Durch das Doomscrolling versuchen sie, die Situation auf irgendeine Weise zu kontrollieren. Dadurch kann jedoch ein Teufelskreis entstehen. Die Betroffenen suchen nach Informationen über ein schlimmes Ereignis, durch die neuen Informationen werden weitere Ängste und Sorgen ausgelöst und um mit diesen umzugehen, versuchen die Betroffenen durch mehr Informationen Kontrolle zu erlangen. Dieser Teufelskreis, zusammen mit dem Verlust der Selbstkontrolle, stellt eine emotionale Belastung für die Person dar und kann sich negativ auf ihr Wohlbefinden auswirken.


Wer ist dabei gefährdet?

Einige Personengruppen sind besonders anfällig für Doomscrolling. Darunter zählen Personen mit hohem Neurotizismus, Zynismus, Sensation Seeking und Negativitätsbias (Aufgrund des Negativitätsbias neigt das menschliche Gehirn dazu, negativen Informationen mehr Gewicht beizumessen als positiven Informationen). So haben unter anderem Personen mit Depressionen, aufgrund ihrer negativen Überzeugungen über die Zukunft und ihrem Negativitätsbias eine Tendenz zum Doomscrolling. Allgemein erhöhen psychische Belastung und Angst vor der Zukunft die Wahrscheinlichkeit für Doomscrolling. Auch jüngere Personen und Personen mit einem niedrigeren sozioökonomischen Hintergrund sind häufiger vom Doomscrolling betroffen.


Was für eine Rolle spielen Medienunternehmen?

Medienunternehmen und die Algorithmen der sozialen Medien fördern das Doomscrolling häufig. Eine Studie, die die Auswirkungen emotionaler Sprache auf den Nachrichtenkonsum untersuchte, ergab, dass Schlagzeilen mit negativen Formulierungen mit größerer Wahrscheinlichkeit angeklickt wurden, selbst nachdem der Inhalt der Nachricht angepasst worden war. Zudem werden Journalist*innen oft für die Meldung von Katastrophennachrichten wie Flutwellen oder Flugzeugabstürze höher bezahlt als für positive Ereignisse. Durch die Erwartung negativer Neuigkeiten wird die Aufmerksamkeit der Nutzer*innen stärker erregt, was sie möglicherweise in den Teufelskreis des "Doomscrollings" führt. Durch die Algorithmen von Social Media wird man dann tiefer in die Abwärtsspirale gezogen, da den Nutzern basierend auf ihren zuvor gesuchten Beiträgen weitere Posts vorgeschlagen werden. Das Doomscrolling vertieft sich daher, ohne dass der/die Nutzer*in aktiv nach Content sucht.


Was sind die Folgen?

Durch den Konsum negativer Nachrichten können die Betroffenen unter anderem traumatischen Stress erleben. In den sozialen Medien werden den Nutzern traumatische Situationen am anschaulichsten vor Augen geführt. Durch diese emotional geladenen Nachrichten können die Nutzer ein sekundäres Trauma erleiden (dies passiert, wenn man von den traumatischen Erlebnissen einer anderen Person erfährt), dabei weisen die Betroffenen die gleichen Symptome auf wie diejenigen, die ein Trauma direkt erleben. Studien zeigen, dass sekundärer traumatischer Stress eine Reihe von belastenden Gefühlen hervorruft und geringes psychisches Wohlbefinden vorhersagt.


Wie kann man also gegen Doomscrolling vorgehen?

In erster Linie wäre es natürlich super, wenn der Journalismus und die sozialen Medien angepasst würden. So könnten Medienunternehmen z.B. für jeden dritten negativen Beitrag einen positiven posten und Social-Media-Plattformen könnten in ihren Algorithmen Regulierungen aufsetzen, die das Doomscrolling unterbinden. Oft haben wir jedoch leider nicht die Macht, solche großen Medienunternehmen zu beeinflussen. Aber wir können auch mit unserem eigenen Verhalten gegen das Doomscrolling vorgehen. Wir können selbst aktiv nach positiven Nachrichten suchen. Damit wir bei der Suche nicht auf negative Nachrichten stoßen, gibt es einige Kanäle, die nur positive Nachrichten veröffentlichen. So bietet beispielsweise "Die Zeit" explizit die Seite "Gute Nachrichten" an. Da es sich beim Doomscrolling um eine Gewohnheitshandlung handelt, kann es sinnvoll sein, die eigenen Mediengewohnheiten aufzudecken und anzupassen, was die mentale Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden verbessern kann. Zum Beispiel kann man Benachrichtigungen ausschalten, die Verwendung des Smartphones auf wichtige Anwendungen reduzieren, auf das Verwenden des Smartphones als Wecker verzichten, das Smartphone generell aus dem Schlafzimmer fernhalten oder die Nutzung zwei Stunden vor dem Schlafengehen vermeiden sowie feste Zeiten für die Smartphone-Nutzung oder den Nachrichtenkonsum festlegen. Offline-Aktivitäten wie Sport oder Treffen mit Freunden können ebenfalls dazu beitragen, das Doomscrolling zu reduzieren. Durch das kontinuierliche Suchen nach negativen Neuigkeiten wird die Achtsamkeit und das Wohlbefinden reduziert. Achtsamkeitsübungen können Betroffene aus der Angst vor der Zukunft ins Hier und Jetzt bringen. Zuletzt ist die Aufklärung über das Phänomen wichtig. Weiß man nicht, dass man in einem Doomscrolling-Teufelskreis gefangen ist, kann man diesen auch nicht durchbrechen.



Quellen

Besser-Siegmund, C., Siegmund, H., Siegmund, L., & Hartmann-Wolff, E. (2023).
Zukunfts-Resilienz: stark werden in Krisenzeiten. Junfermann Verlag GmbH.

Güme, S. (2024). Doomscrolling: A Review. Psikiyatride Guncel Yaklasimlar – Current
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Meininger, J., Ashour, R., & Dohm, L. (2022). Empfehlungen zur Berichterstattung über die Klimakrise aus psychologischer Perspektive. Psychologists/Psychotherapists for Future e. V., Bingen. https://medienleitfaden-klima.de/wp-content/uploads/2023/01/Medienleitfaden-Klimakrise-Originalfassung. pdf (As
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Sharma, B., Lee, S. S., & Johnson, B. K. (2022). The dark at the end of the tunnel:
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