Was ist eine dissoziative Identitätsstörung?
Bei der dissoziativen Identitätsstörung, auch bekannt als „Multiple Persönlichkeitsstörung“, handelt es sich um eine Störung der Identität, welche durch zwei oder mehr unterscheidbaren Persönlichkeitszuständen gekennzeichnet ist. Diese Persönlichkeitszustände übernehmen abwechselnd die Kontrolle über das Verhalten der Person und können sich hinsichtlich Alter, Geschlecht, Sprache, speziellen Fähigkeiten, Wissen oder im vorherrschenden Affekt, also den vorherrschenden Gefühlen, unterscheiden. Es konnte ebenfalls dokumentiert werden, dass sich die verschiedenen Persönlichkeitszustände hinsichtlich des Tragens einer Brille, der Händigkeit und der Handschrift unterscheiden können.
Übernehmen die alternativen Persönlichkeitszustände die Kontrolle, können sich die Betroffenen häufig an das Geschehene in dieser Zeitspanne nicht erinnern.
Das Leiden der Betroffenen
Eine dissoziative Identitätsstörung bei anderen zu erkennen ist gar nicht so einfach, da die Betroffenen oft versuchen nach Außen so „normal“ wie möglich zu wirken. Sie haben selbst Angst vor ihren inneren Vorgängen und leiden vor der Diagnosestellung häufig an Suizidgedanken, selbstverletzendem Verhalten, Angst- und Panikstörungen sowie depressiven Episoden.
Wie kommt es zu einer dissoziativen Identitätsstörung?
Die Ursache liegt meist in einer komplexen posttraumatischen Störung, ausgelöst beispielsweise durch schwere Formen körperlichen oder sexuellen Missbrauchs in der Kindheit. Es wird vermutet, dass das Trauma von der Person nicht verarbeitet werden konnte und deshalb vom Bewusstsein abgespaltet wurde. Diese Erklärung ist ein wenig abstrakt, stelle dir daher beispielsweise ein Kind vor, welches eine schwere Form eines Traumas erlebt. Aufgrund der besonderen Schwere ist es dem Kind nicht möglich, das Trauma zu verarbeiten. Hier kommt nun die Fantasie des Kindes ins Spiel (z.B.: „Das war ein anderes Kind“). Sie schützt das Kind unter anderem vor traumatischen Erinnerungen.
Behandlung
Bei der Behandlung einer dissoziativen Identitätsstörung kommt üblicherweise eine Traumatherapie zum Einsatz. Diese besteht aus drei bis vier Phasen: Stabilisierung, Ressourcenorganisation, Exposition und Neuorientierung, wobei die Stabilisierung und die Ressourcenorientierung manchmal zusammengefasst werden. In der Stabilisierungsphase geht es um den Aufbau einer guten Beziehung zwischen Therapeut:in und Patient:in sowie darum autodestruktive Verhaltensweisen, also selbstverletzendes Verhalten, Essstörungen, Substanzmissbrauch, Suizidversuche und Ähnliches, einzudämmen. In der zweiten Phase, der Ressourcenorientierung, sollen Patient:innen lernen, ihre (oft sehr negativen) Gedanken kontrollieren zu können. Bei der Exposition wird sich aktiv mit dem Trauma der Patient:innen beschäftigen und in der letzten Phase geht es schließlich um die Neuorientierung der Patient:innen. Diese bezieht sich sowohl auf die innere Welt, bei der beispielsweise eine Neuorientierung bezüglich des Verhältnisses zu den eigenen Persönlichkeitsanteilen angestrebt wird, als auch auf die äußere Welt, bei der sich unter anderem auf eine Neuorientierung bezüglich Beziehungen oder beruflichen Tätigkeiten konzentriert werden kann.
Quellen
Gast, U., Rodewald, F., Hofmann, A., Mattheß, H., Nijenhuis, E., Reddemann, L., & Emrich, H. M. (2006). Die dissoziative Identitätsstörung–häufig fehldiagnostiziert. Dtsch Arztebl.
Gleaves, D. H. (1996). The sociocognitive model of dissociative identity disorder: a reexamination of the evidence. Psychological bulletin.
Kluft, R. P. (1985). Childhood antecedents of multiple personality. American Psychiatric Pub.
Plassmann, R., & Schickedanz, H. (2017). Dissoziative Identitätsstörungen. PiD-Psychotherapie im Dialog.
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