
Jeder kennt das Problem im neuen Jahr: Man hat sich über Silvester einiges vorgenommen, was man gerne verändern möchte, aber wenige Wochen später sind die guten Vorsätze meist schon wieder vergessen. Ob es um Sport geht, Ernährung oder Diäten, das Lernen für die Schule [3] oder die Universität oder etwas völlig anderes – wir setzen uns ständig Ziele. Ohne die würden wir ja auch nichts neu anfangen oder beibehalten. Und meist geht es auch um Dinge, die gut für uns sein sollen und die wir tatsächlich unbedingt umsetzen wollen.
Aber auch bei psychischen Erkrankungen kann das Einhalten von Zielen eine große Rolle spielen, zum Beispiel wenn neue Verhaltensweisen in den Alltag eingebracht werden sollen und auch dauerhaft beibehalten werden sollen [1]. Auch für Angehörige von erkrankten Personen kann eine gute Zielerreichung wichtig sein: vielleicht hat man durch die Erkrankung der nahestehenden Person eigene Bedürfnisse, Wünsche und Ziele vernachlässigt und möchte die wieder regelmäßiger berücksichtigen oder sich einen Ausgleich dadurch schaffen. Egal in welcher Situation man ist – Ziele und die Einhaltung von ihnen betrifft uns alle.
Wieso aber schaffen wir es dann so oft nicht, solche neuen Vorhaben dauerhaft umzusetzen? Oft ist ein großes Problem, dass der Alltag recht schnell zuschlägt und doch mehr Unerwartetes birgt, als man vorher bedacht hat. Zwischen plötzlich auftauchenden Terminen, Klausuren, Überstunden und einfach dem Alltag generell, aber auch eventuellen Rückfällen in der Erkrankung nahestehender Menschen geht dann schnell die Zeit verloren, die man eigentlich seinem neuen Ziel widmen wollte.
In diesem Blogbeitrag würde ich euch gerne zeigen, wie man seine Ziele gestalten kann, damit es leichter fällt die auch tatsächlich durchzusetzen.
SMART-System
Dabei beziehe ich mich zunächst vor allem auf das SMART-System, das von Doran entwickelt wurde [2]. Jeder Buchstabe steht dabei für ein wichtiges Merkmal, das Ziele haben sollten. Dieses System hat sich in den verschiedensten Kontexten bewährt und wird dort auch angewandt – in Kliniken [1], im Sport, im Management und Berufsalltag, beim Lernen und überall sonst, wo es wichtig ist an einem Zielen dranzubleiben. Daher möchte ich euch jetzt erklären, wofür die einzelnen Buchstaben stehen:
S: Spezifisch [3,4]
Um ein Ziel gut erreichen zu können, sollte das möglichst spezifisch und konkret formuliert sein. Es ist wichtig, dass es nicht allzu abstrakt bleibt. Wenn man sich zum Beispiel nur vornimmt „Ich möchte aktiver werden“, lässt das sehr viel Spielraum. Außerdem fällt es dann nicht ganz so leicht, direkt zu sagen, was man dafür tun müsste. Besser wäre es also zum Beispiel zu sagen „Ich möchte besser laufen können“, oder „Ich möchte mehr Gewicht packen“. So kommt uns direkt ein Bild vor Auge, wenn wir an unser Ziel denken und wir wissen eher, wie wir unser Vorhaben angehen können.
M: Messbar [3,4]
Zusätzlich ist es wichtig genau zu wissen, wie viel man eigentlich machen will. Allein die Aussage „Ich möchte besser laufen können“ lässt immer noch sehr viel Spielraum und damit auch viele Möglichkeiten zu versagen und negative Gefühle zu erfahren. Besser ist es, wenn man sich vorher ganz konkret überlegt, was genau man eigentlich erreichen will. Am Beispiel des Laufens könnte man sagen: „Ich möchte 10 Minuten am Stück joggen können“ oder „Ich möchte 3 Kilometer laufen können“. So sieht man auch direkt, wann man Erfolg hat und kann den Verlauf und die Steigerung besser beobachten. In dem Zusammenhang ist es auch sinnvoll, sich ein Minimal- und Maximalziel festzulegen. Wenn man sich vornimmt, 7 Tage die Woche 5 Stunden zu lernen, reicht es schon an einem Tag nur eine Stunde weniger zu lernen und man hätte das Ziel nicht erreicht. Dadurch entstehen schneller negative und Versagensgefühle. Um das zu vermeiden, sollte man lieber sagen, dass man zum Beispiel mindestens an 3 Tagen und höchstens an 7 Tagen die Woche lernen möchte.
A: Attraktiv [3,4]
Letztendlich machen Menschen immer am ehesten die Dinge, die schön für einen sind und Spaß machen. Es fällt also leichter an einem Vorhaben dranzubleiben, wenn es einen schönen Aspekt hat. Sollte es nicht möglich sein, an dem gesetzten Ziel etwas Schönes zu finden, kann es helfen, wenn man zumindest drumherum Anreize setzt. Das könnte sein, dass man den Sport in einer besonders schönen Umgebung macht, oder dass man die Aktivität davor oder danach mit etwas Angenehmen verbindet. Der Gedanke an diese attraktive Sache macht es leichter, sich selbst vielleicht doch nochmal zu etwas motivieren, worauf man eigentlich keine Lust hat.
Es ist also wichtig, sich selbst Belohnungen zu versprechen oder an die positiven Konsequenzen des Verhaltens zu denken. Bei den Belohnungen ist es auch wichtig, dass es sich um Dinge handelt, die man sich sonst nicht regelmäßig sowieso gönnt. Alleine durch Druck oder Willenskraft, wird man unangenehme Vorhaben sonst nicht auf Dauer beibehalten können.
R: Realisierbar [3,4]
Ein sehr wichtiger Aspekt ist, dass ein gesetztes Vorhaben im Rahmen der eigenen Möglichkeiten ist. Es bringt nichts sich vorzunehmen, jeden Tag eine Stunde laufen zu gehen, wenn man mehrere Jobs und eine Familie hat und eigentlich gar nicht so viel Zeit am Tag aufbringen kann. Genauso sollte man sich nicht vornehmen, nur noch mit ganz besonders teuren und gesunden Lebensmitteln zu kochen, wenn man weiß, dass man dazu gar nicht die finanziellen Mittel hat. Das gesetzte Ziel muss also zu dem passen, was einem an Zeit, Geld, sozialer Unterstützung und anderen wichtigen Ressourcen zur Verfügung steht.
T: Terminiert [3,4]
Oft nimmt man sich vor, ab jetzt für immer täglich Sport zu machen, oder nie wieder Süßigkeiten zu essen. Nach der SMART-Theorie ist es geschickter, wenn man solchen Vorhaben zunächst einen klaren Zeitraum gibt. Man könnte sich zum Beispiel vornehmen, die nächsten 3 oder 6 Monate täglich zu lernen. Nach diesem Zeitraum hat man dann einen klaren Zeitpunkt, an dem man überlegt, was bisher gut funktioniert hat und was man vielleicht verbessern könnte. So ändert man eher nochmal Dinge an dem Ziel, die es einem erschweren, dieses beizubehalten und macht sich selbst weniger Druck. Nach dem Zeitraum kann man dann natürlich trotzdem das Ziel weiterführen und sich wieder vornehmen, nach einer ähnlichen Spanne nochmal zu überlegen, ob man so mit der Situation zufrieden ist.
Für alle, die das mal selbst ausprobieren möchten, ist hier eine Vorlage hinterlegt, in der man ein Ziel festlegen und nach den SMART-Kriterien gestalten kann:
Nudges [5,6]
Zusätzlich zu dem SMART-Modell hat sich gezeigt, dass sogenannte nudges, also kleine Anschubser hilfreich sind, wenn man seine Ziele langfristig verfolgen will. Das können Erinnerungen mit Hilfe einer App sein, ein Wecker den man sich stellt oder kleine Zettel an der Tür, die einem ins Gedächtnis rufen, was man sich vorgenommen hat.
In Studien hat sich auch gezeigt, dass gerade die Kombination von den SMART-Regeln mit solchen Erinnerungen sich positiv auf die Zielerreichung auswirkt. Man bleibt eher an dem Ziel dran, ist dadurch weniger gestresst und ist auch besser in der Umsetzung.
Pläne
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt sind genaue Pläne. Schnell passiert es, dass man sich vorgenommen hat heute beispielsweise noch laufen zu gehen, dann aber plötzlich verschiedenste Dinge dazwischenkommen, sodass man das Vorhaben dann doch auf den nächsten Tag verlegt. Wenn dann aber wieder die Zeit knapp ist, schiebt man das Vorgenommene immer weiter vor sich her, ohne es wirklich anzugehen.
Hier kann es helfen, sich möglichst genaue Pläne zu machen. Statt zu sagen, dass man am Dienstag laufen gehen möchte, könnte man sich genau in einen Zeitplan eintragen, wann man welche festen Verpflichtungen, wie zum Beispiel die Arbeit oder Abendessen, hat. Dann kann man nach freien Zeiträumen suchen und sich die geplante Aktivität für einen festen Zeitraum eintragen, zum Beispiel 14:00 – 15:00 Joggen.
So werden solche Aktivitäten auch eher zu wichtigen Routinen. Das Zähneputzen morgens und abends beispielsweise ist bei den meisten eine so feste Routine, dass sie eher selten vergessen oder ausgelassen wird. Wenn wir solche Routinen auch für andere gewünschte Aktivitäten, wie das Laufen oder Lernen, etablieren wollen, helfen Pläne ungemein. Wenn man sich das Vorhaben regelmäßig zu festen Zeiten einplant, kann das nach einer Weile zu einer solchen Regelmäßigkeit werden, dass man es ohne Nachzudenken macht und sich auch eher verpflichtet fühlt, es tatsächlich umzusetzen und nicht ausfallen zu lassen.
Man sollte aber auch nicht vergessen, Pausen und Entspannung in diesem Plan zu bedenken. Das gesetzte Ziel und die erarbeiteten Pläne sollten keinen zu hohen Druck machen oder zu einem alltäglichen Stressfaktor werden. Dann würde das Vorhaben möglicherweise wieder mit negativen Emotionen verbunden werden, was langfristig nicht hilfreich für die Beibehaltung ist.
Hier könnt ihr eine Vorlage für einen Wochenplan ausdrucken:
Was kann noch helfen:
Soziale Unterstützung
Wenn möglich sollte man versuchen, sein soziales Netzwerk in die Ziele einzubeziehen. Das kann sein, indem man anderen die Pläne mitteilt oder die Vorhaben gemeinsam in Gruppen durchführt. Das erhöht die Verpflichtung gegenüber den Terminen und sorgt dafür, dass man sie eher einhält. Das kann aber auch sein, dass man Alltagsaufgaben etwas mehr abgibt, an WG-Mitbewohner*innen, Partner*innen oder sonstige Freund*innen, sodass mehr Zeit für das erhoffte Ziel bleibt.
Koppeln
Gerade bei Menschen, die viele Termine und wenig Zeit am Tag haben, kann es helfen, verschiedene Aktivitäten zu koppeln. Man könnte zum Beispiel Yoga machen, während man abends die Nachrichten sieht. Oder das Kochen zeitaufwändiger Gerichte mit einer Folge der Lieblingsserie verbinden. Das spart Zeit und gibt dem gewünschten Verhalten noch einen positiven Nebenaspekt.
Quellen
1. Bovend’Eerdt, Thamar J. H.; Botell, Rachel E.; Wade, Derick T. (2009): Writing SMART rehabilitation goals and achieving goal attainment scaling: a practical guide. In: Clinical rehabilitation 23 (4), S. 352–361. DOI: 10.1177/0269215508101741 .
2. Doran (1981): There’s a SMART way to write management’s goals and objectives. Online verfügbar unter http://www.ctwomen.org/blog/?offset=1525436874947.
3. K. Blaine Lawlor (2012): Smart Goals: How the Application of Smart Goals can Contribute to Achievement of Student Learning Outcomes. In: ABSEL 39.
Rubin, Robert S. (2002): PsycEXTRA Dataset: American Psychological Association (APA).
Thaler, Richard H.; Sunstein, Cass R. (2008): Nudge. Improving decisions about health, wealth, and happiness. New Haven, Conn.: Yale Univ. Press. Online verfügbar unter http://www.loc.gov/catdir/enhancements/fy0833/2007047528-b.html.
Weintraub, Jared; Cassell, David; DePatie, Thomas P. (2021): Nudging flow through ‘SMART’ goal setting to decrease stress, increase engagement, and increase performance at work. In: J Occup Organ Psychol 94 (2), S. 230–258. DOI: 10.1111/joop.12347 .