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Gibt es Burnout überhaupt?




Laut dem deutschen Stressreport 2019 befindet sich seit 2006 die Arbeitsintensität in Deutschland mit nur leichter Abnahme stets auf hohem Niveau. Die wahrgenommene Belastung durch diese nimmt allerdings zu. Ca. 20% der Beschäftigten geben eine Verkürzung der Ruhezeiten an. Die Techniker Krankenkasse Stressstudie aus dem Jahr 2021 besagt, dass der Anteil der gestressten Deutschen seit 2013 von einem Fünftel auf ein Viertel gestiegen ist. Die Hauptstressoren sind Arbeit, hohe Selbstansprüche und erkrankte nahestehende Personen. Die Hauptstressoren bei der Arbeit sind zu viel Arbeit, Termindruck, Unterbrechungen, Störungen, Informationsüberflutung und Arbeitsplatzbedingungen. Viele Beschäftige sprechen bei Arbeitsbezogener Erschöpfung davon, von Burnout betroffen zu sein. Im ICD-10 sucht man allerdings vergeblich nach einer Diagnose mit diesem Namen. Gibt es dann überhaupt so etwas? Im Nachfolger des ICD-10, dem ICD-11, wird man mittlerweile doch fündig. Die diagnostischen Kriterien sind:

1.Emotionale Erschöpfung, Energielosigkeit

2.Geistige Distanz, negative Haltung, Zynismus

3.Verminderte Selbstwirksamkeit, verringertes berufliches Leistungsvermögen, Ineffizienz

Ebenfalls muss als Ursache der berufliche Kontext gegeben sein.

Allerdings ist Burnout hier ebenfalls keine eigene Diagnose, sondern nur ein „Berufliches Phänomen“. Burnout hat im ICD-11 also keinen Krankheitswert. Erschöpfungszustände sind allerdings durchaus real. In der Forschung gibt es den Begriff schon sein einigen Jahrzehnten. Die Diagnostischen Burnout-Kriterien im ICD-11 stammen zum Beispiel aus dem Maslach 3-Stufen-Modell, nach welchem Burnout in 3 Phasen verläuft. In Phase 1, der Emotionalen Erschöpfung, kommt es zunächst zu einem erhöhten Arbeitseinsatz, der allerdings auf wenig Anerkennung trifft. In Phase 2, der Depersonalisierung, kommt es zu negativen Einstellungen gegenüber der Arbeit, Rückzug und Reduktion des Arbeitsaufwands. Aus diesen Phasen folgt in Maslachs Modell die dritte Phase, die Leistungsunzufriedenheit, gekennzeichnet durch fehlende Erfolgserlebnisse, verringerte Selbstwirksamkeit und Unzufriedenheit. Das 3-Stufen-Modell nach Maslach ist allerdings nicht das einzige Modell, das den Burnoutprozess zu beschreiben versucht. So wiesen Beispiel Büssing & Glaser darauf hin, dass die Leistungsunzufriedenheit in Maslachs Modell scheinbar unabhängig von emotionaler Erschöpfung und Depersonalisierung ist. Zusätzlich erweiterten sie das Modell um zwei vorrausgehende Faktoren. Ihrem Modell nach führen nämlich zunächst Arbeitsstressoren zu Arbeitsstress, welcher dann zu Emotionaler Erschöpfung führt, was endgültig zur Depersonalisation führt. Zusätzlich ist Autonomie am Arbeitsplatz in diesem Modell eine schützende Ressource. Die Begriffe Arbeitsstressor und Arbeitsstress müssen allerdings genauer erklärt werden. Denn hohe Anforderungen führen keineswegs automatisch zu Burnout. Viel mehr ist es wichtig, dass die Leistungsanforderungen individuell adäquat sind, um positive Folgen zu haben. Im Kontext dieses Modells werden unter Arbeitsstressoren deshalb Regulationsprobleme gemeint. Konkret heißt das: Hindernisse, Barrieren oder Behinderungen, die zwischen Aufgaben und ihren Zielen, Lernanforderungen und Leistungsanforderungen stehen. Solche Regulationsprobleme führen im Arbeitskontext zu Arbeitsstress, mit welchem höherer Arbeitsaufwand, höhere Arbeitsintensität und Risikoverhalten gemeint sind. Arbeitsstress ist also die Reaktion auf Arbeitsstressoren, was dann zu Emotionaler Erschöpfung und Depersonalisation führt. Neben psychologischen Modellen gibt es auch noch biologische Ansätze zur Erklärung von Burnout. Diesen nach bewirken chronischer Stress oder sogenannter Distress eine allostatische Überlast, welche den Systemen, die den Organismus eigentlich schützen sollen, Schaden zufügen. So können z.B. durch chronische Stressaussetzung Verbindungen in der grauen Masse im Präfrontalen Kortex verloren gehen. Die dadurch reduzierte Selbstregulation kann einige Burnout-Symptome wie reduzierte Motivation oder unprofessionelles Verhalten miterklären.

Ist Burnout nicht einfach nur eine Depression?

Diese Frage wird viel und kontrovers diskutiert, da Burnout und Depression in der Beschreibung tatsächlich sehr ähnlich wirken. Die diagnostischen Kriterien einer Depression sind:

Hauptsymptome (mindestens 2):

•gedrückte Stimmung

•Interesseverlust/ Freudlosigkeit

•Verminderung von Antrieb und Aktivität

Zusatzsymptome: (min 2)

•Verminderung der Konzentration und Aufmerksamkeit

•Negative und pessimistische Zukunftsperspektive

•Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit

•ausgeprägte Müdigkeit, Schlafstörungen (v.a. Früherwachen), Morgentief

•Appetit-und Gewichtsverlust

•Beeinträchtigung von Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen

•deutliche psychomotorische Hemmung

•Agitiertheit

•Libidoverlust

•Suizidgedanken oder Suizidhandlungen (autoaggressive Handlungen)

Zunächst mag der Eindruck entstehen, dass man ein Burnout-Syndrom tatsächlich einfach als Depression bezeichnen kann. Es gibt allerdings einige wichtige Unterschiede zwischen Burnout und Depression. Während Burnout ein sich entwickelnder Prozess ist, kann man eine Depression eher als einen Zustand beschreiben, zu dem es kam. Während depressive Personen bereits Schwierigkeiten haben, überhaupt auf Ideen für wohltuende Aktivitäten zu kommen, fehlt von Burnout betroffenen nur die Energie, diese umzusetzen. Depressive Personen unterschätzen sich. Personen im Burnout-Prozess überschätzen sich und ihre Energiereserven.  Die Ursache von Depressionen ist meist komplex, während Burnout klar auf Arbeit rückführbar ist. Außerdem ist für Burnout nicht das Depressionstypische Morgentief charakteristisch, sondern eher ein Abendtief infolge der erschöpfenden Arbeit Tagsüber. Burnout ist also mehr ein Prozess, der zu Depressionen führen kann, als eine Depression. Doch warum gibt es dann keine eigene Diagnose für Burnout, die Vermeidung von schlimmerem ermöglichen würde? An Forschung zu Einflussfaktoren und Prävention mangelt es zumindest nicht.

Einflussfaktoren auf Burnout

Ein Ende 2021 veröffentlichtes narratives Review identifizierte 40 verschiedene Faktoren, die einen Einfluss auf Burnout haben, die in die 10 Kategorien Lebensstil, physische & mentale Gesundheit, „Selbstreferenz“, Entspannung, Arbeit-Leben-Interrelation, Unterstützung, Arbeitsumgebung, Persönlichkeit, Wahrgenommene Sinnhaftigkeit, Gefühl der Verbundenheit/Heimeligkeit eingeteilt wurden. Lebensstil umfasst hier Faktoren wie Bewegung/ Sport, Begrenzte Informations-Kommunikationstechnologiennutzung(IKT-Nutzung), Ernährung und Konsum von Zigaretten, Alkohol und Medikamenten. Regelmäßige Bewegung, eine Nährstoffreiche Ernährung und sein Essen zu genießen sind negativ mit Burnout assoziiert, während sogenannter Technostress bedingt durch zu hohe IKT-Nutzung als auch Zigaretten-, Alkohol- und Medikamentenkonsum mit Burnout zusammenhängen. Bei diesen als auch noch folgenden Faktoren ist die Kausalität oft nicht klar. Es kann also beispielsweise durchaus sein, dass Burnout zu ungesunder Ernährung führt oder das eine gegenseitige Beeinflussung vorliegt. Das ist bei der folgenden Auflistung wichtig im Hinterkopf zu behalten. Mit Burnout im Zusammenhang stehende Gesundheitsfaktoren sind Krankheiten, wie Diabetes Kardiovaskuläre Erkrankungen oder Übergewicht als auch Depressionen. Im Gegensatz zu diesen sind wahrgenommenes Glücklichsein, Lebenszufriedenheit und Job-Zufriedenheit negativ mit Burnout assoziiert. Unter der Kategorie Selbstreferenz stehen die Faktoren Resilienz, Selbstwert, adaptives Coping und Achtsamkeit, welche allesamt negativ mit Burnout Zusammenhängen. Ebenfalls so assoziiert sind die Entspannungs-Faktoren Erholung, psychologische Distanzierung und adäquater Schlaf. Vor Burnout Schützende Faktoren der Kategorie der Interrelation zwischen Leben und Arbeit sind Vermeidung von Rollenkonflikten als auch eine der eigenen Präferenz und der des Partners entsprechende Arbeitsstundenzahl. Sowohl private als auch kollegiale Unterstützung scheinen eine vor Burnout schützende Ressource zu sein. Eine schützende Arbeitsumgebung ist eine, in welcher man eine angemessene Arbeitslast, Kontrolle, klare Verantwortlichkeiten und gutes Management hat. Die eigene Karriereentwicklung, eine Vertrauensatmosphäre, keine hohen Selbstkontrollanforderungen und eine positives Arbeitsklima sind ebenfalls förderlich. Zu der Kategorie wahrgenommener Sinnhaftigkeit gehören Faktoren wie generelle Spiritualität, wahrgenommene Sinnhaftigkeit der Arbeit und Kohärenzsinn, welche natürlich negativ mit Burnout zusammenhängen. Unter Heimeligkeit wird verstanden, dass die Angestellten ein Gefühl von Gemeinschaft haben, ihre Werte zu denen des Unternehmens passen und eine Balance zwischen Arbeitsaufwand und der Entlohnung für diesen herrscht. Diese Faktoren sind selbstverständlich auch protektiv vor Burnout.

Burnoutpräventionsinterventionen

Eine Burnout-Prävention sollte sich auf die oben erwähnten Faktoren stützen. Eine Reviewstudie aus dem Jahr 2008 zeiget außerdem, dass Interventionen an Arbeitsplätzen dann am effektivsten sind, wenn sie gleichzeitig auf Individueller Ebene als auch bei organisationalen Faktoren ansetzen. Die Wirkung von Interventionen war dann besonders lang, wenn es regelmäßig „Auffrischsessions“ gab.

Fazit

Egal ob Burnout nun für sich steht oder nicht, ist es wieder mal eine Erinnerung daran, auf sich selbst zu achten. Besonders der erhöhte Arbeitsaufwand zu Beginn des Burnout-Prozesses ist ein oft übersehenes „Positivsymptom“. Es lohnt sich also, sich zu fragen, ob man gerade in den Prozess eines Burnouts startet. Ist man von Burnout betroffen, braucht man jedenfalls nicht zu zögern, professionelle Hilfe und die Erholung die einem (gesetzlich!) zusteht, in Anspruch zu nehmen.



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