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Effektive Selbstreflexion lernen


Foto von Michael Burrows: https://www.pexels.com/de-de/foto/mann-kaffee-getrank-landschaft-7125606/

In der raschen Hektik des modernen Lebens, in dem wir uns oft von einer Aufgabe zur nächsten hetzen, bleibt kaum Raum für die Betrachtung unserer eigenen Gedanken und Emotionen.  Inmitten der Vielfalt von Situationen, denen wir täglich gegenüberstehen, agieren wir oft auf eine Weise, die uns selbst manchmal unklar erscheint. Und manchmal verstehen wir selbst nicht so ganz, warum wir uns so verhalten, wie wir uns verhalten. Die Fähigkeit der Selbstreflexion kann dir genau dabei helfen – nämlich dich selbst besser zu verstehen. Dennoch liegt in der Selbstreflexion eine unentdeckte Quelle für persönliches Wachstum und Wohlbefinden. Die bewusste Fähigkeit, in sich selbst einzutauchen und die eigenen Motivationen, Handlungen und Emotionen zu hinterfragen, ist ein Schlüsselwerkzeug in der Psychologie.


 

Wie funktioniert die Selbstreflexion?

Es ist von langfristiger Bedeutung, aktiv eine Verbindung zu den eigenen Emotionen herzustellen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Selbstreflexion wird hierbei als bewusste Form der Selbstwahrnehmung oder Selbstbeobachtung genutzt. Sie beinhaltet das einfühlsame Hinterfragen und Analysieren des eigenen Denkens, Fühlens und Handelns, insbesondere in Bezug auf bestimmte Situationen. Das übergeordnete Ziel der Selbstreflexion besteht darin, Herausforderungen oder Probleme zu erkennen und positive Veränderungen herbeizuführen – und dies, ohne sich dabei in belastenden Grübeleien zu verlieren. Selbstreflexion bezeichnet einen bewussten Prozess, in dem eine Person ihre eigenen Gedanken, Emotionen, Motivationen und Handlungen aufmerksam und kritisch betrachtet. Diese bedeutsame Fähigkeit trägt dazu bei, persönliches Wachstum zu fördern, die eigene emotionale Intelligenz zu stärken und ein vertieftes Verständnis für die eigene Persönlichkeit zu entwickeln.


Die Praxis der Selbstreflexion eröffnet die Möglichkeit, Antworten auf wesentliche Fragen im Hinblick auf deine Fähigkeiten, Handlungsmotive und Wertvorstellungen zu finden. In diesem Prozess begegnen wir Schlüsselfragen, die uns dazu anregen, ein tieferes Verständnis für uns selbst zu erarbeiten:


Fähigkeiten: Was liegt uns und was nicht? Diese Frage kann uns helfen, den Fokus auf unsere Stärken und Schwächen zu lenken und gibt uns die Gelegenheit, unsere Fähigkeiten in Ruhe zu betrachten.

Beweggründe: Welche Gründe oder Emotionen treiben uns an? Diese Frage ist dazu da, um herauszufinden, was unsere Motivation hinter unseren Handlungen ist, diese zu verstehen und falls nötig anzupassen.

Werte: Welche Werte sind dir wichtig? Durch die Antwort auf diese Frage wirst du erkennen, was dich innerlich antreibt und welche Prinzipien für dich von essenzieller Bedeutung sind.

Erfolge und Fehler: Welchen Anteil hattest du an bestimmten Erfolgen, aber auch Fehlern?

Die Frage dient der Selbstbewertung und soll dich dabei unterstützen, aus vergangenen Erfahrungen zu lernen.



Warum sich mit den Emotionen auseinandersetzen?

Im Kontext der Selbstreflexion erweist es sich als bedeutsam, bestimmte Emotionen, wie beispielsweise Wut oder Trauer, nicht weiter als ausschließlich negativ zu betrachten. Oft versuchen Menschen, diese als negativ klassifizierten Gefühle zu meiden. Eine gesündere Perspektive besteht jedoch darin, sie zu akzeptieren und zu verstehen, welchen Hintergrund sie haben. Durch diese Annahme können solche als negativ bezeichneten Emotionen dazu beitragen, einschneidende Lebensereignisse nicht nur zu erfassen, sondern auch zu verarbeiten. Die Bedeutung des englischen Wortes "E-motion" verdeutlicht, dass sich hinter Gefühlen eine Art "Bewegung" (motion) verbirgt. Emotionen lenken uns in eine bestimmte Richtung und motivieren dazu, sich aktiv mit spezifischen Ereignissen auseinanderzusetzen. Daher existieren keine rein negativen oder positiven Gefühle, da alle Emotionen einen Zweck erfüllen. Zum Beispiel weist Trauer darauf hin, dass der Betroffene einen Verlust erlitten hat. Der Verlust an sich, wie der Tod einer nahestehenden Person, mag als negativ betrachtet werden, doch die Traurigkeit selbst ist nicht negativ. Im Gegenteil, sie ist in diesem Fall entscheidend, um einen inneren psychischen Prozess anzustoßen, der hilft, den Verlust zu akzeptieren und nicht daran zu zerbrechen.



Selbstreflexion in die Tat umsetzen: Praktische Schritte

Es stehen dir verschiedene Optionen zur Verfügung, um deine Fähigkeit zur Selbstreflexion zu stärken. Eine besonders wirkungsvolle Methode ist es, bewusste Auszeiten in deinem Tagesablauf einzuplanen, um in Ruhe zu reflektieren. Es ist ratsam, solche reflektierenden Pausen regelmäßig in deinen Alltag einzubinden, um eine feste Routine für die Selbstreflexion zu etablieren. Es gibt unterschiedliche Wege der Selbstreflexion, also versuche die folgenden Möglichkeiten aus und wähle diejenige(n), die sich am besten in deinen Alltag integrieren lässt oder sich gut für dich anfühlt und umsetzbar ist:


  • Nimm dir regelmäßig bewusst Zeit für dich selbst: Plane aktiv Momente ein, um über deine Gedanken und Handlungen nachzudenken. Dies kann täglich oder wöchentlich geschehen.

  • Tagebuch schreiben: Halte deine Gedanken und Emotionen in einem Tagebuch fest. Notiere, was du erlebt hast, wie du dich dabei gefühlt hast und welche Erkenntnisse sich daraus ergeben haben. Das Tagebuchschreiben ermöglicht einen Dialog mit dir selbst. Du kannst deine Gedanken auf Papier bringen und sie dann aus einer beobachtenden Perspektive betrachten. Bei Bedarf kannst du auch Fragen notieren, zu denen du regelmäßig zurückkehrst. Im Laufe der Zeit können sich durch die Reflexion möglicherweise die Antworten auf diese Fragen verändern. Wenn dir nicht sofort etwas einfällt, über das du reflektieren möchtest, regen dich vielleicht diese Fragen zur Selbstreflexion an: 

    • Welche Wünsche habe ich für mein Leben und was fehlt?

    • Was mache ich selbst für meinen Erfolg/meine Zufriedenheit?

    • Weiß ich, was mich glücklich und zufrieden macht?

    • Was kann ich gut?

    • Welche Charaktereigenschaften machen mich aus?

    • Wonach möchte ich streben?

  • Meditation und Achtsamkeit: Durch Meditation kannst du deinen Geist beruhigen und einen klaren Fokus auf deine inneren Gedanken entwickeln. Achtsamkeit ermöglicht es dir, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein. Während der Meditation hast du die Möglichkeit, deine Gedanken frei fließen zu lassen, ohne sie zu beurteilen. Nach der Meditation kannst du dann Notizen zu deinen Gedankenströmen machen und möglicherweise neue Erkenntnisse darüber gewinnen, was dich gerade beschäftigt.

  • Rückmeldungen einholen: Bitte Freunde, Familie oder Kollegen um konstruktives Feedback zu deinem Verhalten. Externe Perspektiven können neue und oftmals weniger positiv verzerrte Meinungen über dich zum Vorschein bringen und dir neue Einsichten bieten.

  • Selbstgespräche: Bieten eine effektive Möglichkeit, Einfluss auf negative Gedanken und Gefühle zu nehmen. Dabei können gezielte Fragen an dich selbst besonders hilfreich sein. Durch die richtigen Fragen können wir die Ausrichtung unserer Gedanken steuern und negative Gefühle, wie Reizbarkeit oder Wut, konstruktiv verändern. Bei Problemen können beispielsweise folgende Fragen unterstützend wirken:

    • Was ist an diesem Problem positiv?

    • Was kann ich jetzt tun, um meine Situation zu verbessern?

    • Wer könnte mir bei der Lösung helfen?

    • Was würde ich tun, wenn ich keine Probleme hätte?

    • Was kann ich daraus für die Zukunft lernen?

  • Spazierengehen: Bei einem Spaziergang kannst du dich vom Alltag distanzieren und deine Gedanken schweifen lassen. Es ist hilfreich, ein Notizbuch oder dein Handy dabei zu haben, um alle Ideen und Gedanken festzuhalten, die dir in den Sinn kommen und du für wichtig erachtest.

  • Morgenseiten: Nimm dir jeden Morgen einige Minuten Zeit, setze dich hin und schreibe ungefiltert alles auf, was dir gerade durch den Kopf geht, auf ein Blatt Papier. Dadurch erhältst du einen Ãœberblick über bestimmte Themen, die dich aktuell beschäftigen, und kannst darüber nachdenken, ob es sich lohnt, sie weiter zu vertiefen.



Was bewirkt die Selbstreflexion?

Selbstreflexion hilft dir, dich selbst besser kennenzulernen. Das wiederum hat viele weitere Auswirkungen: 

  • Perspektiverweiterung: Durch Selbstreflexion erweiterst du deine Perspektiven. Du lernst, deine eigenen Ansichten neutral zu bewerten und entdeckst möglicherweise Vorurteile, die du dann überwinden kannst. So wirst du offener für die Ansichten anderer Menschen. 

  • Bessere Kommunikation: Selbstreflexion hilft, deine Kommunikation zu verbessern, indem du deine Bedürfnisse und Anliegen besser verstehst und sie klarer ausdrücken kannst.

  • Für die Zukunft lernen: Selbstreflexion ermöglicht es dir, aus Fehlern, Herausforderungen oder Erfolgen zu lernen und dein Handeln entsprechend anzupassen.

  • Fokus auf Lösungen: Während der Selbstreflexion beschäftigst du dich intensiver mit Rückschlägen und Problemen aus der Vergangenheit. Dies ermöglicht es dir, Lösungen für vergangene Ereignisse zu finden und dieses Wissen auch für zukünftige Herausforderungen zu nutzen.

  • Bewusstsein: Durch die Reflexion unterschiedlicher Lebensbereiche können dir bestimmte Dinge (besser) bewusst werden. Zum Beispiel Stärken oder Schwächen, die dir zuvor unbekannt waren.

  • Emotionale Intelligenz: Du bekommst ein tieferes Verständnis für deine eigenen Gefühle, lernst sie anders wahrzunehmen und mit ihnen umzugehen. Auch die Gefühle anderer wirst du so intensiver wahrnehmen können. Dadurch kannst du dich selbst und andere besser verstehen. Und das wiederum kann zu tieferen und bedeutungsvolleren Beziehungen führen.

  • Verbesserte Entscheidungsfindung: Durch die Analyse vergangener Entscheidungen kannst du Muster, Fehler oder Erfolge erkennen und zukünftige Entscheidungen bewusster treffen.


Verschiedene wissenschaftliche Studien haben intensiv die Auswirkungen der Selbstreflexion untersucht. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2011 ergab, dass Selbstreflexion die Lernfähigkeit verbessern kann. Aktuellere Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2018 haben darüber hinaus mehrere positive Effekte der Selbstreflexion beleuchtet. Diese schließen die unterstützende Bewältigung von Traumata ein. Selbstreflexion trägt dazu bei, indem sie ein höheres Bewusstsein schafft und dich im Hier und Jetzt verankert, besonders wenn traumatische Erfahrungen aus der Vergangenheit drohen, dich einzuholen. Zusätzlich kann durch Selbstreflexion die Fähigkeit zur Problemlösung gesteigert und die Resilienz verbessert werden.


Insgesamt zeigt sich, dass die Praxis der Selbstreflexion ein kraftvolles Werkzeug ist, um die eigene Persönlichkeit zu entdecken, zu verstehen und zu formen. Das bewusste Nachdenken über die eigenen Gedanken und Handlungen ermöglicht es, positive Veränderungen zu initiieren, die wiederum zu einem erfüllteren und zufriedeneren Leben führen können. Selbstreflexion ist somit weit mehr als eine introspektive Übung; sie fungiert als Schlüssel zur persönlichen Entwicklung und inneren Klarheit, der uns dazu befähigt, bewusster durch das Leben zu gehen.




Quellen

Ardelt, M. & Grunwald, S. (2018). The Importance of Self-Reflection and Awareness for Human Development in Hard Times, Research in Human Development. https://www.researchgate.net/publication/326308607_The_Importance_of_Self-Reflection_and_Awareness_for_Human_Development_in_Hard_Times

Arensmeier, J. (2020). Jeden Tag ein bisschen glücklicher: Ein Inspirationsbuch - Mehr Achtsamkeit im Alltag (1. Aufl.). Südwest Verlag. https://books.google.de/books?id=ybnbDwAAQBAJ&newbks=1&newbks_redir=0&pg=PT113&dq=Arensmeier+Journaling&hl=de&source=gbs_toc_r&cad=3#v=onepage&q=Arensmeier%20Journaling&f=false

Lew, MD. & Schmidt, HG. (2011). Self-reflection and academic performance: is there a relationship?. Adv Health Sci Educ Theory Pract, 16(4), 529/545. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3167369/ 

Wolf, D. (2024, 11. Januar). Fragen eröffnen Perspektiven und machen gute Laune. palverlag. https://www.palverlag.de/gutelaunefragen.html




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