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Kinder psychisch erkrankter Eltern – Welchen Risiken sind sie ausgesetzt?



Etwa 2 bis 3 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland wachsen mit mindestens einem Elternteil auf, der eine psychische Erkrankung hat. Dies entspricht in etwa jedem vierten Heranwachsenden.

Diskussionen über die Folgen psychischer Erkrankungen konzentrieren sich meist auf die Betroffenen selbst, während die indirekten Auswirkungen auf ihr Umfeld oft übersehen werden. Kinder von psychisch Erkrankten sind aufgrund ihrer Entwicklungsphasen in besonderer Weise von diesen Auswirkungen betroffen, oft mit langfristigen Folgen für ihr eigenes Wohlergehen und ihre psychische Gesundheit. Wir wollen deshalb in dieser und der kommenden Woche über die Auswirkungen psychischer Erkrankungen von Eltern auf ihre Kinder informieren und damit das Bewusstsein für ihre Belange und Bedürfnisse schärfen.


Wie hoch ist das Risiko für Kinder von psychisch erkrankten Eltern wirklich?

Studien haben gezeigt, dass Kinder mit psychisch kranken Elternteilen im Vergleich zu Kindern gesunder Eltern ein höheres Risiko haben, im Laufe ihres Lebens selbst eine psychische Erkrankung zu entwickeln. Diese muss allerdings nicht unbedingt die gleiche sein, wie die ihrer Eltern. Fast die Hälfte der Kinder und Jugendlichen, die in der Uniklinik Marburg in psychiatrischer Behandlung waren, hatten mindestens ein psychisch erkranktes Elternteil. Noch gravierender ist dieser Effekt für Kinder von Elternteilen, die an einer Major Depression, also einer schweren Depression, leiden. Zwei von drei dieser Kinder entwickeln im Lauf ihrer Kindheit und Jugend eine psychische Erkrankung. Sie haben ein viermal höheres Risiko als Kinder gesunder Eltern, selbst eine psychische Erkrankung zu entwickeln.

Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen haben durch Vererbung ein höheres Risiko, im Lauf ihres Lebens selbst zu erkranken. Warum manche Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen selbst erkranken und andere nicht, liegt neben den genetischen Faktoren an den Bedingungen, unter denen diese Kinder aufwachsen. Es gibt sowohl Risikofaktoren, die die Wahrscheinlichkeit einer psychischen Erkrankung erhöhen können, als auch Schutzfaktoren, die die Resilienz dieser Kinder stärken können.

In diesem Blogartikel thematisieren wir Risikofaktoren, denen Kinder mit einem psychisch erkrankten Elternteil häufig ausgesetzt sind. Kommende Woche könnt ihr euch über Schutzfaktoren informieren.


Unsicherheit und Instabilität

Kinder brauchen Stabilität, Sicherheit und Zuverlässigkeit, um sich gesund und glücklich zu entwickeln. Die psychische Erkrankung eines Elternteils kann den familiären Alltag der Kinder beeinträchtigen. Das Verhalten psychisch erkrankter Eltern ist für Kinder häufig nur schwer zu verstehen. Sie können mit Fragen wie "Warum ist Mama manchmal so traurig?" oder "Warum ist Papa so oft gereizt?" konfrontiert sein. Darüber hinaus können elterliche Emotionsausbrüche oder unvorhersehbare Verhaltensweisen zu Angst und Unsicherheit führen.

Auch die Erziehung und Interaktion mit dem Kind kann unter der psychischen Erkrankung leiden. Erkrankte Eltern können Schwierigkeiten haben klare und konsistente Grenzen zu setzen oder angemessene Unterstützung und Anleitung zu bieten. Dies kann sich negativ auf das Sicherheitsgefühl, die Entwicklung und das Verhalten der Kinder auswirken.


Verantwortungsübernahme

In einigen Fällen übernehmen Kinder von psychisch kranken Eltern frühzeitig Verantwortung, die für ihr Alter nicht angemessen ist. Sie könnten sich um den Haushalt oder ihre Geschwister kümmern, oder die Versorgung der Eltern übernehmen. Diese zusätzliche Belastung kann ihre eigene Entwicklung und schulische Leistung beeinträchtigen und zu einem erhöhten Risiko für psychische Probleme führen.


Soziale Isolation

Die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen kann sich auch auf die Kinder von Betroffenen auswirken. Sei es aus Unsicherheit, oder aus Angst - Kinder psychisch erkrankter Eltern haben häufig keine Ansprechpartner*innen, um mit ihnen ihre Ängste, Zweifel und Sorgen zu teilen. Einsamkeit und Isolation entstehen, wenn sie ihre Lebenssituation und die Erkrankung ihrer Eltern nicht mit anderen teilen können.


Emotionale Belastung

Durch die psychische Erkrankung eines Elternteils kann ein Kind mit einer Vielzahl von Emotionen wie Angst, Schuldgefühlen, Wut, Traurigkeit oder Verwirrung konfrontiert sein.

Kinder psychisch kranker Eltern sind häufiger als andere Kinder mit einem Mangel an emotionaler Unterstützung konfrontiert. Bei verschiedenen psychischen Erkrankungen wie z.B. Depressionen, leidet die Schwingungsfähigkeit des erkrankten Elternteils. Dadurch können das elterliche Einfühlungsvermögen und der emotionale Austausch zwischen Eltern und Kind verringert sein.


Kommende Woche

In der nächsten Woche gehen wir auf Schutzfaktoren ein, von denen man aus Studien weiß, dass sie sich positiv auf die psychische Gesundheit betroffener Kinder auswirken.

Quellen

Bundesministerium für Bildung und Forschung - COMPARE - Risikobewertung bei Kindern psychisch kranker Eltern: https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/compare-risikobewertung-bei-kindern-psychisch-kranker-eltern-7281.php


Lannes, A., Bui, E., Arnaud, C., Raynaud, J. P., & Revet, A. (2021). Preventive interventions in offspring of parents with mental illness: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Psychological Medicine, 51(14), 2321-2336.


Mattejat, F., & Remschmidt, H. (2008). The children of mentally ill parents. Deutsches Ärzteblatt International, 105(23), 413-418.


Wiegand-Grefe, S., Geers, P., Plaß, A., Petermann, F., & Riedesser, P. (2009). Kinder psychisch kranker Eltern: Zusammenhänge zwischen subjektiver elterlicher Beeinträchtigung und psychischer Auffälligkeit der Kinder aus Elternsicht. Kindheit und Entwicklung, 18(2), 111-121.


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