Teil 3

In den letzten beiden Beiträgen haben wir besprochen, über welche Mechanismen FOMO wirkt und was man potenziell dagegen tun kann. Heute wenden wir einige der besprochenen Lösungsstrategien auf unsere Fallbeispiele an.
1. Was könnte der Abiturient Lindo (18) tun?
a) Die FOMO hinterfragen
Wovor hat Lindo wirklich Angst? Welche Wünsche stecken dahinter?
Lindo hat Angst, seine Freunde könnten ihn langweilig finden und ablehnen, weil er keine spannenden Abenteuer erlebt. Dadurch wird er äußerst unruhig und ist ständig auf Achse. Dass ihn ausgerechnet das Essen am Strand und die teure Kleidung der Influencer beschäftigt, hängt mit einer Modeschau zusammen, die er einmal am Meer gesehen hat. Die Arbeit der Designer hat ihm sehr gut gefallen und er könnte sich vorstellen, so etwas beruflich zu machen. Allerdings glaubt er nicht, dass er dazu in der Lage ist, denn seine Freunde würden ihn bestimmt auslachen, weil er selbst nicht sonderlich hip wirkt. Außerdem würde es das Verhältnis zu den Eltern anspannen, die möchten, dass Lindo klassisch Karriere macht.
b) Eigene Werte definieren
Verlangt es Lindo wirklich nach dem scheinbar perfekten Leben der Influencer*innen oder sehnt er sich nur nach Entspannung wegen der anstrengenden Abschlussprüfungen? Warum hält er seinen Berufswunsch für unpassend, obwohl er ihn interessant findet? Liegt es an der fehlenden Unterstützung durch Freunde und Familie?
Indem er diese Fragen für sich klärt und mit den entsprechenden Menschen kommuniziert, kann Lindo die diffuse Nervosität lindern!
c) Die Nutzung der sozialen Medien überdenken
Lindo könnte sich für ein paar Tage bewusst von den sozialen Medien fernhalten, um mehr Bewusstsein für seine eigenen Wünsche und Werte zu gewinnen.
d) Handlungsalternativen limitieren
Oft gehen Bewerbungen mit Fristen einher, daher könnte sich Lindo für die Frage nach dem weiteren Werdegang eine Deadline setzen. Zudem könnte er an seine Suche Kriterien anlegen, wie maximale Lebenshaltungskosten der jeweiligen Städte oder die inhaltliche Nähe zum (Mode-)Design und so absichtlich seinen Handlungsspielraum eingrenzen. Dadurch werden die Optionen übersichtlicher und eine Entscheidung leichter.
e) Aktiv werden
Anstatt jahrelang nach dem perfekten Job für das große Geld und dem idyllischsten Reiseziel der Welt zu suchen, macht es mehr Sinn, nach einiger Überdenkzeit einige Stellen auszuprobieren.
Lindo könnte ein Praktikum bei einer Modefirma machen oder in einem Kleidergeschäft arbeiten, um herauszufinden, ob ihm der Bereich wirklich gefällt. In jedem Fall würde er praktische Erfahrungen sammeln, die ihm mehr bei seiner Entscheidung über den Berufsweg helfen können als der soziale Vergleich mit seiner Peergroup.
Darüber hinaus könnte er seinem Wunsch zu reisen nachkommen, indem er sich die Küstenstadt anschaut, in der er in Zukunft gerne leben würde. Das ist nicht so weit weg wie Bali, er muss keinen teuren Flug bezahlen und vielleicht findet er sogar heraus, wo man für kleines Geld gute Unterkünfte findet.
f) Dankbarkeit entwickeln
Vielen Menschen ist es nicht vergönnt, zwischen so vielen Optionen zu wählen. Auch wenn es überfordernd wirkt, kann Lindo sich freuen, dass er überhaupt die Chance hat, seinen Berufsweg selbst zu wählen und Reisen in Erwägung zu ziehen.
2. Was könnte die Angestellte Sasha (30) tun?
Für Sasha gilt das gleiche wie für Lindo: Sie sollte den Ursprung ihrer FOMO ergründen und ihre eigenen Werte definieren. Womöglich ist die Angst das Resultat der sozialen Isolation und eines mangelnden Selbstwertgefühls.
Ihre Geschichte könnte folgendermaßen weitergehen:
Sasha denkt noch einmal nach. Warum fühlt es sich falsch an, nicht auf die Party zu gehen, obwohl sie wenig Lust darauf hat? Erliegt sie dem sozialen Druck ihrer Kolleg*innen? Oder gibt es einen anderen Grund? Schnell stellt Sasha fest, dass sie sich primär einsam fühlt und gerne mehr persönliche Kontakte hätte.
Allerdings sind Partys nicht ihr Ding. Sie mag keinen Small Talk und Alkohol schmeckt ihr nicht; dennoch lässt sich der Stimmung willen dazu verleiten, tief ins Glas zu schauen. Mit der Kollegin versteht Sasha sich zwar einigermaßen, aber wenn sie morgen kündigen und mit ihrem Sohn fortfliegen würde, hätte das keinen großen Einfluss auf Sashas privates Leben. Die meisten Menschen aus ihrer Abteilung muss sie außerhalb der Zoom-Meetings nicht unbedingt sehen. Am Ende reden sie doch nur über die Arbeit oder jemand tut etwas Peinliches, an das sich besser niemand erinnert.
Sasha fällt jedoch ein, dass ihre langjährige Freundin Maja sie vor einigen Jahren zu einem Yoga-Kurs mitgenommen hat. Die Gruppe war gesellig, aber klein genug, um sich länger mit einer Person unterhalten zu können und nicht überfordert zu werden. Nach dem Sport fühlte Sasha sich zudem körperlich ausgeglichener.
Zwar wird der Yogakurs nächste Woche nicht das heiße Thema in der Abteilung sein, aber er würde Sashas Bedürfnis nach sozialer Vernetzung und Abwechslung von der Arbeit gerecht werden. Sie schätzt ihre Gesundheit und ihre privaten Kontakte mehr als die Aufregung in einem Haufen fremder Menschen.
Sasha ruft Maja an, die sich sehr freut, von ihrer Freundin zu hören. Nach der Yogastunde gehen sie zur Drogerie, denn Maja möchte ein neues Deo kaufen. Die Entscheidung fällt ihr sehr schwer, denn das trendige Produkt, dass sie auserkoren hat, ist in diesem Geschäft bereits vergriffen. Lange steht Maja mit dem Handy vor dem Regal, um herauszufinden, welche Alternativen es gibt. Schließlich schleift sie Sasha durch diverse Läden, um das beste aller Deos ausfindig zu machen und einen ausführlichen Bericht darüber ins Internet zu stellen. Sasha langweilt sich und zweifelt an ihrer Entscheidung, sich mit der Freundin zu treffen.
3. Was könnte die Studentin Maja (26) tun?
Maja hat Schwierigkeiten mit FOMO im Bereich Konsum. Ein Lösungsansatz für die Auswahl aus einem nahezu endlosen Angebot ist es, die Handlungsalternativen zu beschränken. Das kann sich auf die Anzahl der besuchten Geschäfte, die investierte Zeit oder die Menge an gekauften Produkten beziehen.
Sasha rät Maja, nicht noch mehr Geschäfte nach Deos abzusuchen. Aktuell habe sie nur wenig von dem gemeinsamen Treffen. Die Angst, die ideale Option könnte ihr entgehen, kostete die beiden bereits viel Zeit und Geld. Nach einem Moment der Überlegung stimmt Maja Sasha zu. Sie kauft ein Produkt aus der Drogerie, in der sie sich gerade befindet. Anschließend gehen die beiden in ein Café, denn sie haben sich lange nicht gesehen und viel zu erzählen.
Fazit
Die Furcht des Verpassens, soziale Vergleiche und psychologische Vulnerabilität können eine Hürde sein, doch sie ist nicht unüberwindbar. Zwar gibt es Studien, die besagen, FOMO würde sich grundsätzlich nicht auf die Lebenszufriedenheit auswirken [1] und andere, die FOMO sogar einen Nutzen zuschreiben. Dieser bestünde aufgrund der Intensität der Mediennutzung indirekt in einem positiven Einfluss auf soziale Verbindungen [2]. Betrachtet man jedoch die Symptome [3], die mit der Angst zu verpassen einhergehen, dann ist sie doch ein Problem, das man nicht ignorieren sollte. Wer besonders anfällig ist, sollte versuchen von sozialen Medien, die als Verstärkungsfaktor wirken, temporär Abstand zu nehmen. Auf selektiven (Medien-)Konsum, selbst gewählte Limitationen und wertegerechte Verpflichtungen zu achten kann zusätzlich helfen, gegen die FOMO vorzugehen.
Jetzt bist Du dran!
Welche Erfahrungen hast Du mit FOMO gemacht? Kommen dir Aspekte der Geschichten von Lindo, Sasha und Maja bekannt vor? Welche Strategien nutzt Du, um dagegen vorzugehen? Schreib uns einen Kommentar hier auf dem Blog oder auf Instagram. Wenn Du noch Strategien suchst, um mit FOMO umzugehen, haben wir außerdem 6 Tipps für Dich zusammengestellt. Lass Dich nicht verrückt machen und bleib Dir selbst treu! Viel Erfolg dabei!
Quellen
[1] Barry, C. T. & Wong, M. Y. (2020). Fear of missing out (FoMO): A generational phenomenon or an individual difference? Journal of Social and Personal Relationships, vol 37 (12), 2952-2966. https://doi.org/10.1177/0265407520945394
[2] Roberts, J., A., David, M., E. (2020). The Social Media Party: Fear of Missing Out (FoMO), Social Media Intensity, Connection, and Well-Being. International Journal of Human–Computer Interaction. Vol 36 (4). https://doi.org/10.1080/10447318.2019.1646517
[3] Baker, Z., Krieger, H., & LeRoy, A. (2016). Fear of missing out: Relationships with depression, mindfulness, and physical symptoms. Translational Issues in Psychological Science, 2, 275–282. https://doi.org/10.1037/tps0000075