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Achtsamkeit als Resilienzfaktor: Wie Sie Ihre innere Stärke in belastenden Zeiten stärken können

  • Sina
  • 11. Juni
  • 4 Min. Lesezeit


Psychische Belastungen nehmen in Deutschland weiter zu und betreffen alle Altersgruppen. In einer aktuellen Umfrage der Techniker Krankenkasse gaben 64 % der Befragten an, sich mindestens manchmal gestresst zu fühlen, 28 % sogar häufig. Besonders alarmierend: Jede dritte Frau unter 35 Jahren leidet an psychischen Erkrankungen, darunter Depressionen und Angststörungen.


Diese Zahlen zeigen nicht nur die Dringlichkeit für mehr Prävention und Unterstützung, sondern verdeutlichen auch, wie groß der Druck auf das Umfeld ist. Denn psychische Erkrankungen betreffen nicht nur die direkt Betroffenen, sondern stellen auch für Angehörige eine enorme emotionale und psychische Herausforderung dar. Beide Seiten erleben hierbei häufig Gefühle von Überforderung, Hilflosigkeit oder Erschöpfung. Deshalb stellt sich die Frage: Was können Sie für Ihre eigene psychische Widerstandskraft tun? Hier kommen alltagstaugliche und wirksame Strategien wie Achtsamkeit ins Spiel.


Was ist Achtsamkeit?

Achtsamkeit ist die bewusste und nicht wertende Wahrnehmung des gegenwärtigen Moments. Anstatt sich in Sorgen über die Zukunft oder Grübeleien über die Vergangenheit zu verlieren, richtet sich die Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt: auf den eigenen Atem, die Körperempfindungen, Gedanken und Gefühle.


Der amerikanische Molekularbiologe und Meditationslehrer Jon Kabat-Zinn beschreibt Achtsamkeit als eine bestimmte Form der Aufmerksamkeit, die sich durch Bewusstheit, Präsenz im gegenwärtigen Moment und eine offene, nicht wertende Haltung auszeichnet. Achtsamkeit bedeutet demnach nicht, Probleme zu ignorieren oder Emotionen zu verdrängen. Im Gegenteil: Sie hilft dabei, das Erlebte bewusst wahrzunehmen und konstruktiv damit umzugehen. Damit ist sie ein wirksames Werkzeug zur Selbstfürsorge, auch (oder gerade) in Zeiten psychischer Belastung.


Diese Haltung hilft besonders in herausfordernden Situationen, emotionalen Abstand zu gewinnen und gelassener zu bleiben.


Achtsamkeit stärkt Resilienz

Resilienz bezeichnet die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sich nach Belastungen psychisch zu erholen. Zahlreiche Studien belegen, dass Achtsamkeit die Resilienz deutlich stärkt. Menschen, die regelmäßig Achtsamkeit praktizieren, erleben weniger Stress, sind emotional ausgeglichener und reagieren flexibler auf schwierige Situationen. Zudem senken Achtsamkeitstrainings in klinischen und Alltagskontexten das Stresslevel signifikant und erhöhen die Lebenszufriedenheit. Für Betroffene und ihre Angehörigen bedeutet das konkret:


  • Wahrnehmen statt wegdrücken: Achtsamkeit lädt dazu ein, auch unangenehme Gefühle oder Gedanken zunächst einmal wahrzunehmen, ohne sie sofort verändern zu wollen. Diese akzeptierende Haltung kann Spannungen verringern und innere Kämpfe abschwächen.

  • Raus aus dem Gedankenkarussell: Gerade bei Depressionen oder Ängsten kreisen die Gedanken oft unaufhörlich. Achtsamkeitsübungen helfen, sich bewusst aus diesem Strudel zu lösen und wieder in den gegenwärtigen Moment zurückzukehren.

  • Mit sich selbst freundlich umgehen: Viele Betroffene leiden unter starker Selbstkritik. Achtsamkeit fördert eine mitfühlendere Beziehung zu sich selbst, was ein zentraler Faktor für langfristige Heilung und Stabilisierung ist.

  • Körperempfindungen achtsam spüren: Bei Traumafolgestörungen oder psychosomatischen Symptomen kann die Achtsamkeit auf den Körper helfen, sich sicherer zu fühlen und die Verbindung zum eigenen Erleben zu stärken.

  • Besser mit eigenen Belastungen umgehen: Achtsamkeit hilft, emotionale Überforderung frühzeitig zu erkennen und bewusst gegenzusteuern.

  • Mitfühlend mit sich selbst sein: Schuldgefühle oder Selbstzweifel können gemildert werden.

  • Klarer kommunizieren: Wer bei sich selbst präsent ist, kann achtsamer zuhören und verständnisvoller sprechen.

  • Energiehaushalt besser regulieren: Durch kurze achtsame Pausen kann der Akku wieder aufgeladen werden.


Kleine Achtsamkeitsübungen für den Alltag

Die gute Nachricht: Achtsamkeit braucht keine teuren Kurse oder viel Zeit. Hier einige einfache Übungen, die Sie jederzeit in Ihren Alltag integrieren können:


1. Der 3-Minuten-Atemraum

Schließen Sie die Augen. Spüren Sie, wie die Luft in Ihre Nase ein- und ausströmt. Wenn Gedanken auftauchen, registrieren Sie diese und kehren Sie dann sanft zum Atem zurück. Diese Mini-Meditation kann jederzeit durchgeführt werden, auch im Büro oder unterwegs.

2. Achtsames Gehen

Beim Spazierengehen oder auf dem Weg zur Arbeit: Spüren Sie bewusst, wie Ihre Füße den Boden berühren. Wie fühlt sich jeder Schritt an? Hören Sie auf die Umgebungsgeräusche, ohne sie zu bewerten.

3. Dankbarkeitsjournal

Notieren Sie jeden Abend drei Dinge, für die Sie heute dankbar sind, seien sie noch so klein. Das hilft, den Blick auf das Positive zu lenken, auch in schweren Zeiten.

4. Achtsames Zuhören

Nehmen Sie sich vor, einer anderen Person für einige Minuten aufmerksam und ohne Unterbrechung zuzuhören. Lassen Sie Ihr Handy beiseite und schenken Sie der Person Ihre volle Präsenz.


Selbstfürsorge ist kein Egoismus – sondern Voraussetzung für Hilfe

Viele Angehörige stellen ihre eigenen Bedürfnisse zurück, weil sie sich voll auf die erkrankte Person konzentrieren. Doch das ist auf Dauer nicht gesund, weder für Sie noch für Ihr Umfeld. Achtsamkeit kann ein erster Schritt sein, um sich selbst wieder näherzukommen, Stress abzubauen und neue Kraft zu schöpfen.


Achtsamkeit ist kein Ersatz für Therapie – aber eine wirksame Ergänzung

Wichtig ist: Achtsamkeit ersetzt keine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung, sie kann diese aber wirkungsvoll ergänzen. Viele Psychotherapieverfahren, etwa Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) oder die achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie (MBCT), bauen bewusst auf Achtsamkeit als Element der Selbstregulation auf. Ein kontrollierter Umgang mit belastenden Emotionen und die Fähigkeit, mit sich selbst freundlich zu bleiben, können Therapieprozesse stärken und Rückfällen vorbeugen.


Unterstützungsmöglichkeiten

  • Apps für Achtsamkeit & Meditation: z. B. 7Mind, Balloon, Insight Timer, Headspace

  • Kurse & Trainings: Viele Krankenkassen bezuschussen MBSR-Kurse (Mindfulness-Based Stress Reduction)

  • Selbsthilfegruppen für Angehörige: Der Austausch mit anderen kann entlastend wirken

  • Therapie oder Beratung für Angehörige: Auch Sie dürfen sich professionelle Hilfe suchen


Fazit

Achtsamkeit ist mehr als nur ein Trend, sie ist ein wirksames Werkzeug zur Förderung der eigenen psychischen Gesundheit. Gerade Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen profitieren davon, wenn sie lernen, im Hier und Jetzt zu sein, ihre eigenen Gefühle anzuerkennen und liebevoll mit sich selbst umzugehen.


Denn: Nur wenn es Ihnen gut geht, können Sie auch für andere da sein.


Quellen

AXA. (2023). AXA Mental Health Report 2023.  https://www.axa.de/presse/axa-mental-health-report-2023

Goldberg, S. B., Tucker, R. P., Greene, P. A., Davidson, R. J., Wampold, B. E., Kearney, D. J., & Simpson, T. L. (2018). Mindfulness-based interventions for psychiatric disorders: A systematic review and meta-analysis. Clinical Psychology Review, 59, 52–60.

Kabat-Zinn, J. (1994). Wherever You Go, There You Are: Mindfulness Meditation in Everyday Life. New York: Hyperion.

Keng, S. L., Smoski, M. J., & Robins, C. J. (2011). Effects of mindfulness on psychological health: A review of empirical studies. Clinical Psychology Review, 31(6), 1041–1056.

Segal, Z. V., Williams, J. M. G., & Teasdale, J. D. (2002). Mindfulness-based cognitive therapy for depression: A new approach to preventing relapse. New York: Guilford Press.

Techniker Krankenkasse. (2023). Entspann dich, Deutschland! TK-Stressstudie 2023. https://www.tk.de/firmenkunden/service/gesundarbeiten/gesundheitsberichterstattung/studie-entspann-dich-deutschland-2033562

Bildquelle: https://pixabay.com/de/photos/frau-m%C3%A4dchen-meditieren-8563442/ 

 


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